Interview | Auktionshaus Grisebach - "Dass dieses Bild hier versteigert wird, ist ein Zutrauen an den Deutschen Kunstmarkt"

Do 01.12.22 | 08:35 Uhr
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Max Beckmann "Selbstbildnis gelb-rosa", 1943. (Quelle: Andreas Gehrke/Grisebach GmbH)
Video: rbb24 Abendschau | 30.11.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: Andreas Gehrke/Grisebach GmbH

Das "Selbstbildnis gelb-rosa" könnte das bisher höchste Gebot bei einer deutschen Kunstauktion erzielen. Der Schätzpreis liegt bei 20 bis 30 Millionen Euro. Was das für den Kunstmarkt bedeutet, erklärt die Geschäftsführerin des Berliner Auktionshauses.

rbb24: Frau Kapitzky, Max Beckmanns "Selbstbildnis gelb-rosa" wird am 1. Dezember in Ihrem Haus versteigert. Die Schätzungen für den Erlös liegen bei 20 bis 30 Millionen Euro. Das wäre eine Rekordsumme.

Micaela Kapitzky: Über den Preis können wir aber im Moment noch nichts sagen. Das hängt davon ab, was es in der Auktion erbringt, zu welchem Preis es zugeschlagen wird und was Sammler dafür bereit sind, zu bezahlen.

Dieses Bild ist einfach so fabelhaft und so besonders und so ein Spitzenwerk von einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts, dass das für sich steht. Aber dass dieses Bild jetzt hier in Berlin versteigert wird, ist nicht nur ein Zutrauen in das Haus Grisebach, sondern auch in den deutschen Kunstmarkt. Und das ist schon etwas ganz Besonderes.

Denn das teuerste Gemälde, das bis jetzt in Deutschland - auch hier bei Grisebach - versteigert wurde, ist ebenfalls ein Bild von Max Beckmann zu 5,5 Millionen Euro. So dass es jetzt wirklich eine Sensation für den deutschen Kunstmarkt ist, dass das "Selbstbildnis gelb-rosa" hier angeboten wird und nicht in New York und London. Das ist sicherlich ein Zeichen, dass man diesen Markt hier auch in Zukunft noch stärker vertrauen möchte.

Zur Person

Porträtfoto: Micaela Kapitzky. (Quelle: René Fietzek)
René Fietzek

Micaela Kapitzky ist geschäftsführende Gesellschafterin des Auktionshauses Grisebach. Kapitzky ist zusammen mit Markus Krause zuständig für die moderne Abteilung des Hauses.

Wie kommt der Preis zustande?

Man orientiert sich natürlich erstmal an anderen Ergebnissen, die für ein so wichtiges Werk von Max Beckmann erzielt worden sind. Beispielsweise ist 2001 ein Bild, "Selbstbildnis mit Trompete", in New York versteigert worden, was schon 21 Jahre zuvor einen Preis von 22,5 Millionen Dollar erzielt hatte. Das ist so ein bisschen die Orientierung. Das "Selbstbildnis gelb-rosa" ist ein absolutes Weltklasse-Bild, das natürlich auch mit einer Spitzen Schätzung entsprechend gewürdigt wird.

Das ist das Tolle an Auktionen, dass Sie am Ende wissen, was das Bild wert ist, weil Sammler in einem Wettkampf gegeneinander den Preis bestimmen. Natürlich orientiert man sich aber auch an anderen Faktoren: Wer ist der Künstler? Wie ist die Technik? Ist es ein Ölbild oder ein Aquarell? Wie groß ist es, aus welcher Werkphase eines Künstlers stammt es? All das trägt dazu bei, wie eine Schätzung erstmals zustandekommt. Die wird dann durch die Gebote in einer Auktion bestätigt.

Das Selbstbildnis ist eines der raren Selbstporträts Beckmanns, das sich in privater Hand befindet. Würden Sie es lieber an eine öffentliche Sammlung oder an einen privaten Sammler verkaufen?

Das ist natürlich immer großartig, wenn wir Kunstwerke verkaufen, die dann in eine öffentliche Sammlung gehen oder auch von einem privaten Sammler gekauft werden, aber öffentlich als Leihgabe in Museen gegeben werden. So etwas ist ja durchaus auch möglich. Wenn man den Bildern weiter begegnet und sie für Ausstellungen geliehen werden - das ist das Optimale. Aber jeder private Sammler und Käufer, der es nur für sich behalten wird und sich selbst mit der Kunst auseinandersetzt, ist uns natürlich genauso lieb.

Wer sind die Käufer solcher Werke?

Unsere Klientel ist absolut international. Sie reicht von dem Sammler, der für Kunst das ausgibt, was er erübrigen kann, bis hin zu dem, der einfach auch eine professionelle Sammlung aufbauen möchte, in der nach bestimmten Kriterien gesammelt wird, bestimmte Namen enthalten sein müssen oder bestimmte Zeiten und Werkgruppen vertreten sein müssen.

Der eine kann ohne Kunst gar nicht leben, der andere hat sie gerne an der Wand hängen, weil es dazugehört. Es gibt Sammler in allen Gesellschaftsschichten mit den unterschiedlichsten Facetten und auch den unterschiedlichsten Beweggründen, sich mit Kunst zu beschäftigen und sie dann auch für sich erwerben zu wollen.

Bild:

Kann jemand auch anonym an einer Versteigerung teilnehmen?

Nein, das kann nicht sein. Das darf auch nicht sein. Wir sind verpflichtet zu wissen, an wen wir verkaufen. Uns wird die Kunst von der Verkäuferseite anvertraut, und wir müssen unsere Bieter und deren Bonität kennen.

Wie machen Sie das?

Der Käufer nennt uns einen Ansprechpartner bei seiner Bank, wo wir eine Rückfrage stellen können. Also wir prüfen die Kunden natürlich vorher, und das gehört zum allgemeinen Handwerkszeug. Sie müssen sich selbstverständlich mit ihrem Personalausweis ausweisen und anmelden, wir müssen wissen, an wen wir die Kunst verkaufen. Aber auch nur wir: Wir geben es natürlich nicht weiter.

Sie verdienen an jedem Kunstwerk einen Prozentsatz. Bewirbt sich das Haus um den Verkauf bestimmter Werke oder tritt man an sie heran?

Sowohl als auch. Was wir hier aquirieren, ist einfach das Ergebnis von jahrelangem Begleiten von Kunden und Sammlungen, die wir gut kennen, die wir mit aufgebaut haben, die wir begleiten und wo wir immer wieder den Kontakt zu den Sammlern halten und umgekehrt, diese regelmäßig zu uns kommen, wenn sie Verkaufsabsichten haben.

Stichwort Beckmanns "Selbstbildnis gelb-rosa" ist so ein Fall einer Sammlung, die wir viele Jahre lang begleitet und mit aufgebaut haben. Und deswegen wird uns dieses Bild jetzt anvertraut. Es gibt beides: zufällig und überraschend - oder jahrelanges, gezieltes Aufbauen von Vertrauen und Zusammenarbeit mit den Sammlern.

Sind die Entscheidungen, ob Sie etwas verkaufen, auch wirtschaftlicher Natur?

Das kann man so nicht sagen. Bei Grisebach können Sie Kunstwerke kaufen, deren geschätzte Werte zwischen 500 Euro und mehreren Millionen liegen. Es gibt in allen Bereichen etwas. Und es geht nicht darum, wie teuer etwas ist, sondern ob es Kunst ist: Ist es etwas, das wir auf Auktionen handeln können? Und ist es etwas, von dem wir glauben, dass unsere Sammler dafür zu gewinnen sind?

Haben Sie schon einmal ein Kunstwerk verkauft, dessen künstlerischer Wert Ihrer Meinung nach fraglich war?

Ich bin nicht die Einzige, die hier die Kriterien aufstellt. Jedes Bild hat seine Geschichte und jeder Künstler hat einen Hintergrund. Und es geht ja nicht darum, was uns gefällt oder unser Geschmack ist, sondern was einfach eine Legitimation als Kunstwerk hat und auf einer Auktion zu vermitteln ist.

Es gibt aber auch durchaus Werke, die wir nicht aufnehmen, und Künstler, die wir hier nicht vertreten, weil wir glauben, dafür nicht die richtige Adresse zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Efthymis Angeloudis.

Nachtrag

Max Beckmanns "Selbstbildnis gelb-rosa" ist am Donnerstagabend in Berlin für 20 Millionen Euro versteigert worden. Die Versteigerung hatte bei 13 Millionen begonnen und erreichte nach dreieinhalb Minuten das höchste Gebot für die Bieternummer 469 aus dem Saal. Wer dahinter steckt, ist bisher nicht bekannt. Mit den Nebenkosten sind nach Angaben des Auktionshauses 23,2 Millionen Euro zu zahlen.

Sendung: Abendschau, 01.12.2022, 19:30 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    Wenn ein Künstler für seine Arbeit vernünftig bezahlt wird ist das in Ordnung.
    Doch hier wird kein Künstler für seine Arbeit entlohnt, oder?

  2. 9.

    Zuerst einmal kann solch ein außergewöhnliches Gemälde durchaus auch als eine Wertanlage gesehen werden. Ist ja auch nicht abträglich sein Vermögen in „gute Kunstwerke“ zu stecken. Kritik über den viel zu oft überbewerteten Kunstmarkt ist somit gegeben. Wissen wir doch bereits wie ausufernde und horrende Preise schon für weniger bekannte moderne Kunstmaler gezahlt wird. Aber dieses Selbstporträt von Max Beckmann spricht ganz für sich und ist meines Erachtens auch sein Geld Wert. Der Maler Vincent van Gogh hätte auch niemals geglaubt was heute seine Bilder an Vermögen kosten. Nur so ein Beispiel.

  3. 8.

    Nur weil der überbezahlte lebende Kicker falsch ist, muss der überbezahlte tote Maler nicht richtig sein.
    Ich hab nichts gegen Kunst, und auch nichts gegen angemessene Bezahlung von Kunstschaffenden, -sammelnden und -versteigernden. Aber der Anstand gebietet einfach ein gewisses Maß. Und das sehe ich ab 10 Jahresgehältern (hier: voraussichtlich 100 bis 800) für ein hübsches, kleines Selbstportrait nicht mehr gewahrt. Denn: damit jemand so viel Kohle ausgeben kann, mussten viele richtig (!) schuften.

  4. 7.

    Schön für Dich wenn Du mal eben so 30 Millionen zur Verfügung hast.
    Oder so wie Du es siehst, wer Geld hat soll dieses für die Kunst ausgeben.
    Was nach der Versteigerung mit dem Gemälde passiert steht allerdings auf einem völlig anderen Blatt.
    Die meisten Kunstwerke verschwinden in irgend einen Tresor und bleiben da für die Ewigkeit als Wertanlage liegen.
    Da frage ich mich ehrlich was hat das alles mit Kunst zu tun?

  5. 6.

    Ja, ich stimme Ihnen zu. Es ist schon erstaunlich, dass egal zu welchem Thema immer als erstes die kommentieren, die offensichtlich weder Interesse noch Kenntnisse vom Thema haben. Halten sich wohl für besonders geistreich. Also ich liebe die Malerei und halte Kultur und Kunst für ein wertvolles Gut. Lieber 30 Millionen für für's Bild, als für 'nen überbezahlten Kicker. Da fragt auch keiner was man mit dem Geld machen könnte.

  6. 5.

    Wie recht Sie haben! Seit ich heute morgen Beckmanns bedeutendes Bildnis gesehen hab, bin ich überzeugt von dessen immensem Wert für unseren Planeten, und glaube, dass es, zusammen mit Auktionshäusern, so manche Probleme lösen wird! Das ist definitiv 800 Jahresgehälter wert!

  7. 4.

    OMG, was für Kommentare wieder dazu zu lesen sind. Einfach mal sich mit guter Kunst auseinandersetzen. Den Artikel richtig lesen und nicht sogleich aus dem Bauch heraus Posten. Max Beckmann zählt wie schon hier sehr gut beschrieben zu einen der bedeutendsten Kunstmaler.

  8. 3.

    Da hat man wenn man um die 10 Millionen gewinnt noch nicht mal genug um sich so ein Bild leisten zu können.

  9. 2.

    Wenn ein privater Sammler sein Bild einem Museum leiht besteht ja die Gefahr, dass es beschmiert wird. Das wird sich heutzutage jeder überlegen!

  10. 1.

    Schade, dieses mediale Echo zu Preis, Wert usw. Dann ist es doch nur noch eine Frage der Zeit, bis es durch kriminelle Strukturen gestohlen wird. Die sind doch dankbar für solche öffentliche Gratisexpertise.

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