Konzertkritik | Ellie Goulding im Huxleys - Erotisierte Yogaübungen, Headbanging und britischer Humor
Sie schrieb mit 14 ihre ersten Songs und wurde mit dem Lied "Love me like you do" aus dem "Fifty Shades of Grey"-Film so richtig berühmt. Mit neuem Song und britischem Humor war Ellie Goulding jetzt im ausverkauften Huxleys zu Gast. Allerdings nur kurz. Von Hendrik Schröder
Fast schon ein bisschen sakral geht das Konzert los. Hinten an der Wand hinter der Bühne hängt ein meterhohes silbriges Gebilde, das aussieht wie von einer ambitionierten Kita-Gruppe aus einem Lebensvorrat Alufolie geknetet - und glitzert. Rote, kleine, umlaufende Lichter tauchen die Bühne anfangs regelrecht geheimnisvoll in warmes Licht. Dann kommen die vier Backgroundsängerinnen und dann der Drummer und Keyboarder auf die Bühne geschritten - langsam, konzentriert, wie Mönche auf dem Weg zur Prozession. Dann kommt Ellie Goulding - und auch sie schreitet sehr bedeutungsvoll in das jetzt drückend weiße Stroboskoplicht hinein. Oha.
Mitklatschpart scheitert zunächst
Aber Gott sei Dank: Nein, es soll nicht so andächtig bleiben. Schon zum zweiten Song "Outside" werden die dickeren Beats ausgepackt. Der Schlagzeuger schmettert auf die Becken und Ellie Goulding steht da, vorne an der Bühne, in schulterfreiem grünen Top und einer schwarzen Lederhose und bangt und schüttelt die sehr langen, sehr blonden Haare, als wäre sie hier auf dem Wacken-Festival und Slayer spielten "Raining Blood". Ein Juchzen geht durch das ausverkaufte Huxleys. Aber der anschließende von den Background-Sängerinnen angezettelte Mitklatschpart scheitert. Nein, ganz so easy lassen sich die Berliner Fans nun auch nicht anzünden.
Böse Blicke und Instagram Pärchen
Ellie Goulding sagt ganz lange außer "hey guys" fast gar nichts zwischen den Songs und hetzt regelrecht durch die Setliste. Schlag auf Schlag geht es. Und zwischendurch schaut sie fast böse, so sieht es zumindest aus der zehnten Reihe aus. Ist sie enttäuscht, weil bei den neuen Nummern vom aktuellen Album "Higher than Heaven" nicht viel los ist? Das wäre fatal, denn sieht sie denn nicht, wie sehr die Leute sie lieben?
Da stehen Mütter mit Töchtern, 16-Jährige, 50-Jährige, aufgebrezelte Instagram Pärchen, die sich gegenseitig gut beleuchtet beim Jubeln filmen, grauhaarige Auskenner-Männer - und alle jubeln ihr doch zu, rufen "Ellie, Ellie" und beklatschen jede Regung. Erst recht, wenn sie sich auf den Boden wirft und da Dinge macht, die aussehen wie ganz leicht erotisierte Yogaübungen und eventuell dazu dienen sollen, den allgemein überragenden fit- und hotness Zustand der Sängerin aufzuzeigen.
"Ich hab euch so vermisst"
Aber dann nach der Hälfte des Sets gehts flächendeckend ab, da purzeln die Hits nur so von der Bühne. Ellie Goulding lächelt dann auch mal, macht sehr liebe Textbaukastenansagen à la "habe euch so vermisst und ihr macht mich glücklich, danke, danke". Und sie zeigt richtig coolen britischen, ironischen Humor, wenn sie einen Mann mit Brille im Publikum so lange direkt anspricht, bis der endlich merkt, dass er gemeint ist und sie breit angrinst. Da muss sogar ihre Band lachen.
Früh Schluß, nichts gefehlt
Und so langsam wird das eine sehr ausgelassene und warmherzige Veranstaltung. Madonnas "Frozen" wird gecovert, geheimnisvoll, brüchig klingt das. Überhaupt ist Ellie Goulding am stärksten, wenn sie die vielen Beats und Keyboards und das ganze Produzierte weglässt und sie einfach singt. Zum Beispiel mit weißer Westerngitarre um den Hals den Titeltrack ihres zweiten Albums "Halcyon". Nach 70 Minuten und den Übersongs "Love me like you do" und "Burn" ist die Show vorbei. Ungewöhnlich kurz für eine 36-Jährige, die fünf Alben draußen hat. Aber gefehlt hat eigentlich auch nichts.
Sendung: rbb24 Inforadio, 08.11.2023, 6:55 Uhr