Performance | A Techno Ballet Odyssey - Ballett trifft Berliner Basskultur

"A Techno Ballet Odyssey" im Kraftwerk Berlin verbindet Clubkultur mit klassischem Tanz. Die Performance schafft dabei ein immersives Erlebnis zwischen Sinnesrausch und erwartbarer Inszenierung. Von Christopher Ferner
An diesem eisigen Dezemberabend bildet sich vor dem Kraftwerk in Berlin-Mitte eine lange Schlange, die sich bis zur Köpenicker Straße zieht. Mit geröteten Gesichtern stehen die Menschen geduldig in der Kälte. Es ist ein bunt gemischtes Publikum: Alltagskleidung trifft auf avantgardistische Lederoutfits, Jung auf Alt, Büroangestellte auf Partypeople.
Die Szene erinnert an einen typischen Berliner Clubabend. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Heute zählt an der Tür nicht die Coolness und der Look, sondern das Ticket in der Hand. Für stolze 59 Euro erhält man jedoch keinen Zugang zu einer Party, sondern zur Ballettaufführung "A Techno Ballet Odyssey".
Doch am Eingang wird das Clubgefühl noch einmal verstärkt: Das Einlasspersonal klebt Sticker über die Handy-Kameras – ein vertrautes Ritual aus der Berliner Partyszene, wo das Fotografieren und Filmen der wilden Nächte als Tabu gilt. Genau dieses Gefühl möchten die Veranstaltenden wohl nachbilden: "Während der gesamten Veranstaltung ist das Fotografieren und Filmen nicht gestattet. Wir möchten, dass alle die Show und die Musik ungestört genießen können", heißt es in einer Mitteilung.
Wer schließlich die imposante Halle des Kraftwerks betritt, braucht noch einmal Geduld: Auch vor den Garderoben stauen sich die Menschen. Und auch das ist, wie so vieles an diesem Abend, typisch Berlin.
Klassik trifft Club
Bevor die eigentliche Aufführung beginnt, sorgt DJ Handmade an diesem Abend für den musikalischen Auftakt. Bekannt aus Clubs wie Sisyphos oder Æden, liefert er technoide Beats, die sich nahtlos in die Umgebung des Kraftwerks einfügen. Die industrielle Ästhetik des Veranstaltungsorts – hohe Betonwände, aufwändige Lichtinstallationen und der hallende Raum – ist wie gemacht für diese Klangwelten.
Obwohl die Musik druckvoll und hypnotisch ist, bleibt die Stimmung zurückhaltend. Nur hier und da wippen Menschen zum Beat; echte Clubatmosphäre mag nicht aufkommen. Dennoch bereiten die Klänge die Bühne für das, was noch kommen wird.
Nähe und Direktheit
Um 21 Uhr beginnt dann die eigentliche Performance. Statt eines klassischen Bühnenraums entfaltet sich ein Zusammenspiel zwischen Tänzer:innen und Zuschauenden. Eine großgewachsene, androgyne Person in einem schwarzen Lederkorsett und glitzernder Hose bahnt sich tanzend ihren Weg durch das Publikum. Der aus Argentinien stammende Tänzer Lucio Vidal bewegt sich durch eine Schneise, die das Publikum bildet, hin zu einem der drei erhöhten Podien.
Diese, etwa zwei Meter hoch, sind der zentrale, aber keinesfalls einzige Raum der Performance. Immer wieder verlassen die Tänzer:innen die Bühnen, bewegen sich durch die Menge und tanzen inmitten der Zuschauer:innen. Die Performance wird so zu einem immersiven Erlebnis – ein Konzept, das Nähe und Direktheit schafft, aber auch seine Tücken hat.
Ein erwartbarer Coup
Wer keinen guten Platz ergattert, muss mit eingeschränkter Sicht kämpfen. Besonders in Momenten, die abseits der Podien stattfinden, bleibt vielen Zuschauer:innen nur der Blick auf die Köpfe der anderen. Auch Sitzplätze gibt es keine. Die Zuschauenden verbringen die 70 Minuten stehend. Dafür können sie ebenfalls zur Musik tanzen.
Die Choreografie von Arshak Ghalumyan und Alexander Abdukarimov kombiniert klassische Ballettbewegungen mit modernen Elementen. Die Bewegungen des Ensembles der neu gegründeten Berlin Ballet Company sollen dabei von Selbstentdeckung und Transformation erzählen, bleiben dabei jedoch abstrakt und interpretativ. Eine stringente Geschichte wird dem Publikum somit nicht unbedingt klar.
Dafür wird bei dieser aufwändigen Produktion mit anderen Mitteln gespielt: Auf die Ohren gibt es basslastigen Techno, das Lichtspiel ist beeindruckend gestaltet, und die schillernden Outfits der Tänzer:innen sind ebenfalls ein Blickfang. Besonders eindrücklich sind die Momente, in denen die Tänzer:innen scheinbar zufällig aus der Masse auftauchen und in die Performance einsteigen.
Abschluss im Berliner Stil
Die Verbindung von Techno und Tanz ist in einer Stadt wie Berlin naheliegend. Elektronische Musik ist hier längst nicht nur der Soundtrack der Nacht, sondern ein fest verankertes kulturelles Erbe. Doch wirklich neu ist die Kombination aus Clubkultur und klassischem Ballett nicht. Statt innovative Akzente zu setzen, greift die Inszenierung bekannte Klischees der Berliner Clubszene auf: rauer Industriecharme, pulsierende Technobeats. Fast wünscht man sich eine ironische Brechung dieser Ästhetik. Denn gesehen hat das die Hauptstadt bereits zuhauf. Stattdessen bleibt das Stück seinem düsteren und ernsten Ton konsequent treu.
Trotzdem gelingt es "A Techno Ballet Odyssey", eigene Akzente zu setzen. Die immersive Gestaltung hebt die Performance ab. Und der musikalische Spannungsbogen – von treibendem Techno bis hin zu einer Operneinlage der Sopranistin Gina May Walte – sorgt für dramaturgische Abwechslung.
Nach der Aufführung bleibt das Kraftwerk noch zwei Stunden lang geöffnet. Für alle, die von der Performance inspiriert wurden, gibt es die Gelegenheit, selbst zu den Klängen weiterer DJs zu tanzen. Auf die Ohren gibt es dabei natürlich: Techno. Der Bass ist auch während der Vorstellung so präsent, dass hier ein kleiner Tipp angebracht ist: Gehörschutz nicht vergessen!
Sendung: rbb24 Inforadio, 6.12.2024, 7:55 Uhr
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