Kinderkliniken überlastet - Gote will "gemischte Teams" einsetzen und Ressourcen für Erwachsene umschichten
Die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote sieht Fortschritte bei den Bemühungen, die Situation in den Kinderkliniken zu verbessern. Ein Corona-System kommt zur Anwendung. Zudem sollen "gemischte Teams" eingesetzt werden.
Um die angespannte Lage kurzfristig auch in den Berliner Kinderkliniken zu verbessern, müssen aus Sicht von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) auch die Ressourcen für Erwachsene herangezogen werden.
Momentan wäre es gut, wenn Pflegekräfte und Ärzte "soweit das möglich ist jetzt aushelfen in gemischten Teams", sagte sie dem rbb24 Inforadio am Dienstagmorgen.
"Und gegebenenfalls müssen wir schauen, ob wir auch Betten, die für Erwachsene gedacht sind, jetzt vorübergehend in dieser dringenden Lage auch für Kinder nutzen können", konkretisierte die Senatorin.
Mehrere Verbände hatten Ende vergangener Woche in einem offenen Brief an Gote geschrieben, dass sie die Sicherheit der kleinen Patienten ernsthaft in Gefahr sähen. Nicht nur in den zentralen Notaufnahmen, sondern auch in der ambulanten und der stationären Pädiatrie herrschten zunehmend unverantwortbare Zustände.
Situation überall in Deutschland "sehr, sehr prekär"
Die Situation sei überall in Deutschland "sehr, sehr prekär", bestätigte Gote. Es gebe eine starke RSV-Welle, von der insbesondere Kinder betroffen seien. RSV steht für Respiratorisches Synzytial-Virus. Der Erreger verursacht derzeit in Deutschland und anderen Ländern viele Infektionen bei Kindern.
Im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen waren diese zeitweise ausgeblieben. Die Immunsysteme der Kinder seien in der Zeit nicht trainiert worden, erklärte Jakob Maske, Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte.
Beim RS-Virus kann es sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln. Laut Ratgeber des Robert Koch-Instituts [rki.de] sind in seltenen Fällen aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod möglich. Als Risikopatienten gelten demnach zum Beispiel Frühgeborene, Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen und Kinder mit angeborenem Herzfehler.
Meldesystem soll Überblick über Kinderbetten geben
Gote bekräftigte, der Senat habe bereits viel getan, um die Lage in den Kinderkliniken zu entspannen. "Wir haben hier in Berlin jetzt dafür gesorgt, dass die knappen Ressourcen wirklich so verteilt und so gesteuert werden, dass alle Kinder noch versorgt werden können", betonte die Senatorin.
Dafür greife der Senat in Abstimmung mit den Kliniken auf das Konzept während der Corona-Pandemie zurück. Kinderbetten seien jetzt in Meldesysteme einbezogen, um ihre Verteilung besser zu steuern. "Bisher musste viel mehr rumtelefoniert werden. Das haben wir jetzt verändert."
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plane, das System für ganz Deutschland zu übernehmen, ergänzte Gote: "Hier sind wir in Berlin tatsächlich schon ein bisschen weiter."
Maske schlägt derweil Alarm: "Weil in den Kliniken über die Jahre die Betten gekürzt wurden und sie politisch kaputt gespart wurden, muss man sagen, dass das Personal inzwischen fehlt."
Schwerstkranke Kinder müssten über Hunderte Kilometer aus Berlin verlegt werden, weil es keine Betten gebe. Die Behauptung, dass derartige Aussagen Panikmache seien, wollte er nicht gelten lassen. "Das ist nicht Panikmache, das ist unser tägliches Leben", so Maske.
Berlin und Brandenburg wollen enger zusammenarbeiten
Angesichts der derzeit hohen Zahl von Kindern mit Atemwegserkrankungen wollen Berlin und Brandenburg enger zusammenarbeiten. "Ähnlich wie bei Corona werden bei Bedarf Kliniken länderübergreifend angefragt und Patientinnen und Patienten gegenseitig aufgenommen", sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher am Montag laut einer gemeinsamen Mitteilung mit Berlins Gesundheitssenatorin Gote.
Die Grünen-Politikerinnen forderten eine bessere Finanzierung der Kinderkliniken durch den Bund. Wegen Personalmangels in Kliniken sei die aktuelle Lage "sehr angespannt". Die Rede war von einer "akuten Krisensituation".
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.12.2022, 6 Uhr