Artenschutz und Bauprojekte - Wenn gebaut werden soll - und da wohnt schon jemand
Zauneidechse, Moorfrosch, Spatz: Ihr Lebensraum ist durch zahlreiche Gesetze geschützt. Doch wenn Investoren dort bauen möchten, kommt immer wieder die Frage auf: Was geht vor - Artenschutz oder Bauinteresse?
Zauneidechse, Kreuzkröte, Feldhamster oder Haselmaus: Um den Lebensraum von Tieren und Pflanzen zu erhalten, gibt es in Deutschland verschiedene gesetzliche Bestimmungen. Ziel ist es, die Tiere selbst zu schützen, aber auch die Erhaltung der Art - und seltene Arten genießen dabei einen besonderen Schutz. Aber letztlich unterliegen fast alle heimischen Säugetiere, Vögel, Kriechtiere, Lurche oder Insekten einem Schutz.
Allerdings kommt es immer vor, dass der Mensch gerade da bauen will, wo das Tier lebt. Auch für diese Fälle gibt es gesetzliche Vorgaben.
So muss ein Bauherr vor Baubeginn eine Artenschutzprüfung durchführen. Werden geschützte Tierarten (und Pflanzenarten) gefunden, darf so lange nicht gebaut werden, bis eine Lösung gefunden ist: zum Beispiel der Umzug der Tiere oder die Umplanung des Bauvorhabens. So soll sichergestellt werden, dass geschützte Tiere durch das Bauvorhaben nicht verletzt oder getötet werden und dass die Fortpflanzungs- und Ruhestätten nicht zerstört werden.
Dabei sind nicht nur die Tiere selbst, sondern auch deren Lebensräume geschützt, wie zum Beispiel Bruthöhlen.
Wenn der Artenschutz ignoriert wird, drohen Strafen. Das gilt nicht nur für neue Bauvorhaben. Auch wer beispielsweise bei einer Fassadensanierung Tiere tötet oder Brutplätze entfernt und keinen Ersatz schafft, kann bestraft werden.
Es gibt eine Reihe von Bauprojekten, in denen der Schutz von Tieren und ihrem Lebenraum eine Verzögerung, Umplanungen oder Stopps nach sich zog.
Beispiele aus Berlin:
Haussperling (Spatz):
Im November 2024 wird der bereits begonnene Abriss des Jahn-Sportparks zumindest teilweise vorerst gestoppt worden. Das gab das Berliner Verwaltungsgericht nach Klage eines Naturschutzvereins bekannt. Demnach hat das Gericht dem Land Berlin vorläufig untersagt, Abrissarbeiten an bestimmten Bestandsgebäuden des Stadiongeländes im Jahn-Sportpark vorzunehmen, an denen sich Brutstätten des Haussperlings (Passer domesticus) befinden. Laut Gericht gibt es "erhebliche Zweifel" daran, dass der Verlust von fast 100 Brutstätten nach den bisherigen Plänen "ausreichend kompensiert werden" kann.
Kreuzkröten und Zauneidechsen:
Die Kreuzkröte (Buffo calamita) ist ein mittelgroßer Froschlurch, der in Deutschland kaum noch vorkommt. In Berlin-Pankow auf dem alten Bahngelände namens Pankower Tor scheint sie sich wohlzufühlen. Hier will ein Investor aber Wohnungen, Schule und Shopping realisieren. Doch zuerst müssen die Kreuzkröten – und die dort ebenfalls gefundenen Zauneidechsen (Lacerta agilis) - umgesiedelt werden. Hierfür soll eine Kleingartenanlage in der Nähe aufgelöst und genutzt werden. Die Fläche soll allerdings zu klein sein – nach Ausweichquartieren wird noch gesucht. Der Investor wartet seit mehr als 14 Jahren auf eine Baugenehmigung.
Zauneidechse:
Wird gebaut, wo Zauneidechsen leben, müssen sie umgesiedelt werden, so wie im "Metropolitan Park" in Berlin-Staaken. Auf dem rund zwölf Hektar großen Areal der einstigen Kreisklinik Nauen, das früher zum Flugplatz Staaken gehörte, entsteht eine Wohnanlage. Weil auf dem Areal Zauneidechsen lebten, musste sich der Bauherr vorab um deren Umsiedlung in ein Ersatzbiotop kümmern. Einen Baustopp gab es aber nicht.
Wechselkröte (Hausunke):
Ein Berliner Unternehmen wollte im Cleantech-Business-Park in Berlin Marzahn ein Batterie-Testzentrum errichten und dafür 18 Millionen Euro investieren. Das Grundstück war bereits erworben, als die "Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V." gegen die Bebauung klagte. Es gefährde die streng geschützten Wechselkröten (Bufotes viridis), die auf dem Gelände leben. Die Angelegenheit ging bis vor das Oberverwaltungsgericht, das den Naturschützern recht gab und einen Baustopp verhängte. Das Testzentrum wurde damit nicht in Marzahn gebaut.
Beispiele deutschlandweit
Haselmaus:
Im Sauerland verzögerte die Anwesenheit von Haselmäusen (Muscardinus avellanarius) den Bau eines Ausflugslokals, in Hamburg wurde wegen zum Schutz ihres Lebensraums übergangsweise ein Baustopp für ein Gewerbegebiet verhängt. Als 2018 in Bayern eine Umgehungsstraße gebaut wurde, bekam die Haselmaus eigens eine Brücke zum Überqueren dieser. Für den Weiterbau der A20 im Süden des Landes Schleswig-Holstein mussten Haselmäuse umziehen [ndr.de].
Hirschkäfer:
Bevor für den Frankfurter Flughafen eine neue, 150 Millionen Euro teure Wartungshalle gebaut werden konnte, mussten dort 2019 zig Baumstümpfe umgesetzt werden. Der Grund: in ihnen warteten Hirschkäfer-Larven (Lucanus cervus) aufs Schlüpfen.
Hufeisennase:
Beim Bau der Dresdner Waldschlößchenbrücke dreht sich viel um eine kleine Fledermaus: die Hufeisennase (Rhinolophidae). Die Tiere sind sehr selten, Population und Standorte gefährdet. 2007 gab es daher nach einigem Hin und Her einen mehrmonatigen Baustopp für die Brücke - letztlich wurde die Waldschlösschenbrücke aber gebaut. Für den Schutz der Kleinen Hufeisennase wurden unter anderem Strauchkorridore angelegt. Außerdem gilt auf der Brücke zugunsten der Hufeisennase im Sommer nachts Tempo 30 [mdr.de].
Wachtelkönig:
Der Schutz des stark gefährdeten, seltenen Vogels Wachtelkönig (Crex crex) sorgte 1997 für Streit zwischen Naturschützern und einem Investoren, der 3.000 Wohnungen im Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek bauen wollte. 2006 entschied der Hamburger Senat, dass die Flächen bebaut werden können – allerdings nicht so umfangreich wie geplant.
Kammmolch (Wasserdrache):
Der Kammmolch (Triturus cristatus) kann bis zu 18 Zentimeter lang werden und ist die größte einheimische Molchart. Er gilt laut Roter Liste als stark gefährdet. Bei den Planungen eines sechs Kilometer langen Teilstücks der Autobahn A44 in Hessen stieß man auf eine der größten Kammmolch-Kolonien Hessens. Deswegen wurde 2010 ein vier Kilometer langer Tunnel gebaut, um den Lebensraum der Kammmolche zu erhalten.
Eremit (Juchtenkäfer):
Beim umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 kam auch der Juchtenkäfer (Osmoderma eremita) ins Spiel. Der Käfer, der auf der Roten Liste der in Deutschland gefährdeten Tiere steht, lebte in Bäumen, die für das ohnehin umstrittene Bahnhofsprojekt gefällt wurden. Im Dezember 2011 kam es daher in Stuttgart zum Baustopp. Die Baumfällungen wurden vorübergehend eingestellt Als die Bahn alle Artenschutzauflagen erfüllt hatte und die Käfer umgesiedelt waren [swr.de], wurden das Verbot (Ende Januar 2012) wieder aufgehoben.
Feldhamster:
Feldhamster (Cricetus cricetus) gelten als akut vom Aussterben bedroht - daher kommt es hier öfter zu größeren Konflikten, beispielsweise in Mainz, wo auf Feldhamster-Areal ein Gewerbepark gebaut werden sollte, oder an der Mannheimer Messe. In Nordrhein-Westfalen scheiterte der Energiekonzern RWE, der ein Kohlekraftwerk bauen wollte, an der Anwesenheit des niedlich aussehenden Tierchens. In Erfurt werden Feldhamster für einen Schulneubau auf einem Acker umgesiedelt [mdr.de].
Schwarzstorch:
In der Eifel verzögerte sich 2018 der Bau eines Windparks um drei Jahre, weil Schwarzstörche (Ciconia nigra) in unmittelbarer Nähe brüteten. Am Ende wurden die fünf gut 200 Meter hohen Windräder aber doch errichtet.
Ziegenmelker:
In Tübingen verzögerte ein gefährdeter Vogel den Ausbau der Uniklinik: ein Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus) lebte auf dem Klinikdach. Aber: Weil Vogel-Experten das Tier schon länger nicht mehr gesehen, musste ein Gutachten her. Das bestätigte: Der Ziegenmelker ist weg, der Anbau kann kommen [swr.de].
Sendung: