75 Jahre DDR-Nationalhymne - Auferstanden aus Ruinen
Knapp vier Wochen nach der Gründung der DDR beschließt der Ministerrat am 5. November 1949 seine Nationalhymne "Auferstanden aus Ruinen". Die Melodie stammt von Hanns Eisler, den Text verfasste Johannes R. Becher. Von Magdalena Bienert
Es gab bereits im Vorfeld der Gründung der DDR eine Notiz aus dem Politbüro, weiß Dr. Heike Amos vom Institut für Zeitgeschichte München. "In der Notiz steht, dass Johannes R. Becher und Hanns Eisler angesprochen werden sollen, eine deutsche Nationalhymne zu schaffen – und zwar im Vorfeld der DDR-Gründung".
Doch Hanns Eisler lebt in Wien und so beauftragt Becher, der den Text innerhalb weniger Tage schreibt, den Komponisten Ottmar Gerster mit der Musik. Doch zum 200. Geburtstag von Goethe treffen sich Hanns Eisler und der Dichter und spätere DDR-Kulturminister Johannes R. Becher dann doch noch - und zwar in Warschau. Becher überreicht Eisler dort seinen Text und informiert ihn über den geplanten Auftrag einer neuen Hymne.
Eisler ist begeistert von Bechers Text
"Eisler soll so angetan gewesen sein von Zeilen wie, dass 'die Sonne schön über Deutschland scheint' und dass 'nie mehr eine Mutter ihren Sohn beweint', dass er sich sofort an die Musik gesetzt hat", sagt Heike Amos. Auch Eisler komponiert innerhalb weniger Tage die Melodie.
Bei einem Vorspiel, bei dem der Text sowohl auf die Melodie von Gerster und auf die von Eisler gesungen wird, entscheidet man sich für Eislers Version. Am 5. November 1949 wird das Stück vom Ministerrat der DDR offiziell zur Nationalhymne erklärt.
Interessant dabei: Bechers Text lässt sich auch auf die Melodie von Joseph Haydns Deutschlandlied singen, der Hymne der Bundesrepublik. Wahrscheinlich in der Hoffnung, doch irgendwann wieder geeint zu sein.
1950: Plagiatsvorwürfe
Nur ein Jahr später der erste Skandal: Vor allem in der Westpresse ist zu lesen, dass Hanns Eisler die Melodie von Schlagerkomponist Peter Kreuder abgekupfert hätte. Es gibt Plagiatsvorwürfe, dass Kreuders Song "Goodbye Johnny" aus dem Hans-Albers-Film "Wasser für Canitoga" den gleichen Anfang hätte. Peter Kreuder habe der österreichischen Gema einen Brief geschrieben, dass er die DDR Regierung verklagen wird, erzählt Heike Amos.
Aber: "Es findet nur eine Ankündigung statt, aber kein Prozess, keine Anklage. Und auch die DDR-Seite macht sich kundig und in der Musik heißt es: ein Plagiat ist erst dann vorliegend, wenn die ersten vier Takte eines Musikstückes gleich sind. In diesem Fall sind es aber nur zwei Takte." Ähnlichkeiten sind vorhanden, aber auch die Möglichkeit, dass sich beide Komponisten einfach bei Beethovens Opus 119, Nr. 11 bedient haben.
Textentzug: "Deutschland einig Vaterland" ist nicht mehr
Zwischen 1969 und 1972 fällt auf, dass die Nationalhymne mehr und mehr nur noch ohne Text gespielt wird. Zum Sendeschluss um Mitternacht bekommen die DDR-Fernsehzuschauer nicht mehr ihre knapp dreiminütige Hymne, sondern lediglich 55 Sekunden Instrumentalmusik zu hören. Kein Chor singt mehr bei Empfängen und aus den DDR-Schulbüchern der 80er Jahre wird der Text ebenso verbannt. Die ARD drehte mitunter den Ton ab, wenn bei Sportübertragungen ostdeutsche Sieger mit ihrer Hymne geehrt wurden.
Heike Amos spricht von einem "schleichenden Textentzug" und, dass es auch "keine große Diskussion darüber gab, weil eine Art Einigkeit herrschte, dass dieses 'Deutschland einig Vaterland' und ',dass die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint', dass diese Texte irgendwie überholt sind". Niemand hätte mehr an das "einig deutsches Vaterland" geglaubt, stattdessen hätten sich alle mit der Teilung abgefunden. Schließlich propagierte die DDR mehr denn je den eigenständigen sozialistischen Staat. Glücklicherweise kommt es doch noch anders.
Nach dem Mauerfall und dem Abtritt der SED-Führung verkündet die Ost-Berliner Übergangsregierung im Januar 1990: "Rundfunk und Fernsehen sind zu informieren, dass zum Sendeschluss die Staatshymne der DDR wieder mit dem Text von Johannes R. Becher auszustrahlen ist. Termin: sofort". Zum hier und da geforderten "Hymnen-Mix" nach der Wiedervereinigung kam es nicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.11.2024, 14:55 Uhr