75 Jahre DDR-Nationalhymne - Auferstanden aus Ruinen

Di 05.11.24 | 20:29 Uhr | Von Magdalena Bienert
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Archivbild: Der Schriftsteller Johannes R. Becher gibt während einer Einladung des "Demokratischen Kulturbundes Deutschland" am 08.12.1950 eine Pressekonferenz in Frankfurt am Main. (Quelle: dpa/Vack)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.11.2024 | Magdalena Bienert | Bild: dpa/Vack

Knapp vier Wochen nach der Gründung der DDR beschließt der Ministerrat am 5. November 1949 seine Nationalhymne "Auferstanden aus Ruinen". Die Melodie stammt von Hanns Eisler, den Text verfasste Johannes R. Becher. Von Magdalena Bienert

Es gab bereits im Vorfeld der Gründung der DDR eine Notiz aus dem Politbüro, weiß Dr. Heike Amos vom Institut für Zeitgeschichte München. "In der Notiz steht, dass Johannes R. Becher und Hanns Eisler angesprochen werden sollen, eine deutsche Nationalhymne zu schaffen – und zwar im Vorfeld der DDR-Gründung".

Doch Hanns Eisler lebt in Wien und so beauftragt Becher, der den Text innerhalb weniger Tage schreibt, den Komponisten Ottmar Gerster mit der Musik. Doch zum 200. Geburtstag von Goethe treffen sich Hanns Eisler und der Dichter und spätere DDR-Kulturminister Johannes R. Becher dann doch noch - und zwar in Warschau. Becher überreicht Eisler dort seinen Text und informiert ihn über den geplanten Auftrag einer neuen Hymne.

Eisler ist begeistert von Bechers Text

"Eisler soll so angetan gewesen sein von Zeilen wie, dass 'die Sonne schön über Deutschland scheint' und dass 'nie mehr eine Mutter ihren Sohn beweint', dass er sich sofort an die Musik gesetzt hat", sagt Heike Amos. Auch Eisler komponiert innerhalb weniger Tage die Melodie.

Bei einem Vorspiel, bei dem der Text sowohl auf die Melodie von Gerster und auf die von Eisler gesungen wird, entscheidet man sich für Eislers Version. Am 5. November 1949 wird das Stück vom Ministerrat der DDR offiziell zur Nationalhymne erklärt.

Interessant dabei: Bechers Text lässt sich auch auf die Melodie von Joseph Haydns Deutschlandlied singen, der Hymne der Bundesrepublik. Wahrscheinlich in der Hoffnung, doch irgendwann wieder geeint zu sein.

1950: Plagiatsvorwürfe

Nur ein Jahr später der erste Skandal: Vor allem in der Westpresse ist zu lesen, dass Hanns Eisler die Melodie von Schlagerkomponist Peter Kreuder abgekupfert hätte. Es gibt Plagiatsvorwürfe, dass Kreuders Song "Goodbye Johnny" aus dem Hans-Albers-Film "Wasser für Canitoga" den gleichen Anfang hätte. Peter Kreuder habe der österreichischen Gema einen Brief geschrieben, dass er die DDR Regierung verklagen wird, erzählt Heike Amos.

Aber: "Es findet nur eine Ankündigung statt, aber kein Prozess, keine Anklage. Und auch die DDR-Seite macht sich kundig und in der Musik heißt es: ein Plagiat ist erst dann vorliegend, wenn die ersten vier Takte eines Musikstückes gleich sind. In diesem Fall sind es aber nur zwei Takte." Ähnlichkeiten sind vorhanden, aber auch die Möglichkeit, dass sich beide Komponisten einfach bei Beethovens Opus 119, Nr. 11 bedient haben.

Textentzug: "Deutschland einig Vaterland" ist nicht mehr

Zwischen 1969 und 1972 fällt auf, dass die Nationalhymne mehr und mehr nur noch ohne Text gespielt wird. Zum Sendeschluss um Mitternacht bekommen die DDR-Fernsehzuschauer nicht mehr ihre knapp dreiminütige Hymne, sondern lediglich 55 Sekunden Instrumentalmusik zu hören. Kein Chor singt mehr bei Empfängen und aus den DDR-Schulbüchern der 80er Jahre wird der Text ebenso verbannt. Die ARD drehte mitunter den Ton ab, wenn bei Sportübertragungen ostdeutsche Sieger mit ihrer Hymne geehrt wurden.

Heike Amos spricht von einem "schleichenden Textentzug" und, dass es auch "keine große Diskussion darüber gab, weil eine Art Einigkeit herrschte, dass dieses 'Deutschland einig Vaterland' und ',dass die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint', dass diese Texte irgendwie überholt sind". Niemand hätte mehr an das "einig deutsches Vaterland" geglaubt, stattdessen hätten sich alle mit der Teilung abgefunden. Schließlich propagierte die DDR mehr denn je den eigenständigen sozialistischen Staat. Glücklicherweise kommt es doch noch anders.

Nach dem Mauerfall und dem Abtritt der SED-Führung verkündet die Ost-Berliner Übergangsregierung im Januar 1990: "Rundfunk und Fernsehen sind zu informieren, dass zum Sendeschluss die Staatshymne der DDR wieder mit dem Text von Johannes R. Becher auszustrahlen ist. Termin: sofort". Zum hier und da geforderten "Hymnen-Mix" nach der Wiedervereinigung kam es nicht.

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Sendung: rbb24 Inforadio, 05.11.2024, 14:55 Uhr

Beitrag von Magdalena Bienert

16 Kommentare

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  1. 15.

    >"Aber wenn man beide Hymnen mixen würde, käme doch ein reales Abbild raus."
    Das geht sogar ganz gut. Ein Comedyverein hat dies mal gemacht. In youtube zu hören und zu sehen als Ausschnitt aus einem Comedyprogramm unter https://www.youtube.com/watch?v=Fk0-o5mwjAk

  2. 14.

    Test Störung

  3. 13.

    Das "Lied der Deutschen" wurde durch Mißbrauch kastriert. In der DDR-Hymne sind mir Teile zu schwülstig. Aber wenn man beide Hymnen mixen würde, käme doch ein reales Abbild raus. Aus Ruinen sind doch beide Teile auferstanden. Die erste Strophe wär also schon mal da. Einigkeit und Recht und Freiheit ... so als Zweite könnte passen und ob es eine dritte geben müsste weiß ich nicht, aber die Dritte aus der DDR-Hymne hört sich gut an.
    Nur 'ne Idee.

  4. 12.

    Das hatte Marianne Birthler in der Volkskammer vorgeschlagen . Aber da es nur um einen Anschluss und keine Vereinigung ging, wie Schäuble in seinen Memoiren betont, wurde die alte BRD zur Norm und alles was die " Angeschlossenen" in ihrem bisherigen Leben gut fanden als nicht anschlussfähig ausgemerzt
    Berlin

  5. 11.

    Kultur und Sprache sollten regional gepflegt werden, aber national und Hymnen sind sowas von gestern. Gäbe auch weniger Kriege, wenn sich das mal ausschleicht.

  6. 10.

    Dem kann ich nur zustimmen.Und den Text mit der Westdeutschen Melodie zu Vereinen,wäre möglich gewesen.Aber Es war nicht gewünscht.Und von dieser Hymne könnte man alle Strophen singen.

  7. 9.

    Good bye Johnny…..

  8. 8.

    In den Musikbüchern war der Text noch drin. Aber als unsere Lehrerin im Deutschunterricht in der dritten oder vierten Klasse die Nationalhymne mit uns besprechen wollte, war diese in einigen Lesebüchern schon nicht mehr enthalten.
    Das war im Jahr 1975 oder 1976. In der Klasse waren zum Beginn des Schuljahres offenbar zwei verschiedene Auflagen des Lesebuchs verteilt worden.

  9. 7.

    Es war objektiv die bessere Hymne.

  10. 6.

    Danke für diesen Beitrag! Es ist nicht mehr lange hin, und alle singen "Good Bye Jonny" oder "Love me tender" als Staatshymne, weil keiner mehr weiß in welcher Sprache er singen darf. Das "Vaterland' ist sowieso nicht mehr genderkonform zu verantworten und der "King" war eben immer schon der "King". Mehr Intellektuakität ist, so denke ich, in der Zukunft kaum zu erwarten. Guter Beitrag, das weiß heutzutage kaum noch jemand der jungen Generation.

  11. 5.

    Na und, was soll uns dieser Beitrag sagen? Werden nicht auch bei der aktuellen deutschen Nationalhymne Textpassagen nicht gesungen. War hier nicht auch zu lesen, dass bei Liedern von Udo Lindenberg und Helene Fischer Textstellen "umgedichtet" werden sollen?
    Also was soll's?

  12. 4.

    Als meine Klassenkameradin ein Liederbuch mit dem Text der Hymne von zu Hause mit in die Schule brachte (2. Klasse, 1986), wurde es ihr aus diesem Grunde entzogen und in einen Schrank gesperrt. Die Eltern mussten es sich abholen.

  13. 3.

    Stimmt nicht! Der Text der DDR-Nationalhymne war bis zum Schluss in den DDR-Schulbüchern (Musik) abgedruckt. Er wurde nicht mehr gesungen, aber er blieb. Ich habe 1986 die Schule abgeschlossen, da war er noch drin.

  14. 2.

    Wow, 75 Jahre her!

    Bemerkenswert, die 1. und 3. Strophe!



  15. 1.

    War ein sehr schönes Lied von Eisler und Becher.
    Fast noch "schöner" war das Brecht/Eislersche "Anmut sparet nicht, noch Mühe", das aber keine direkte Konkurrenz zur Nationalhymne und als "Kinderhymne" bezeichnet wurde.

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