Posse um Verordnung in Brandenburg - Warum die kleinen Thommy und Pippi als "Kampfhunde" gelten
Hundebesitzer in Brandenburg ärgern sich schon lange über die fast 20 Jahre alte Hundehalterverordnung. Wie streng und teils unlogisch die Verordnung ist, zeigt ein Beispiel aus Blankenfelde-Mahlow. Von Alexander Goligowski
"Vorsicht! Bissiger Hund!" Zwei offizielle Schilder vom Ordnungsamt am Gartenzaun von Angelika Hardt warnen Passanten vor ihren beiden Hunden. Pippi, eine Promenadenmischung, und Thommy, ein kleiner Foxterrier, gelten als sogenannte "gefährliche Hunde". So wurden sie von der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow eingestuft, weil sie vor fast sechs Jahren eine Katze gejagt und gebissen haben sollen.
"Ich kenne keine andere Situation, in der meine Hunde auffällig geworden sind", sagt Angelika Hardt mit Unverständnis. Aber ein einziger angezeigter Vorfall reicht. Seitdem werden Pippi und Thommy wie sogenannte "Kampfhunde" behandelt. Zuerst hatte die "Märkische Allgemeine" [Bezahlschranke] über den Fall berichtet.
Das droht "gefährlichen" Hunden
Hier muss erwähnt werden, dass Pippi mittlerweile 18 Jahre alt ist, fast blind und taub und nur noch mühsam einen Fuß vor den anderen setzen kann. Thommy hat 11 Jahre auf dem Buckel, ist also auch längst im Rentenalter und nicht gerade schnell auf den Beinen. Trotzdem, fürs Amt bleiben es gefährliche Hunde mit allen Konsequenzen für die Tiere und ihre Halterin: "Die Auswirkungen sind für mich extrem, auch in finanzieller Hinsicht. Das ruiniert mich fast als Rentnerin", beschreibt Angelika Hardt die Lage und spricht nicht nur von den Anwaltskosten. Von Anfang an geht sie gegen diese Bescheide vor.
Statt 77 Euro zahlt die 74-Jährige jetzt für Ihre beiden nun "gefährlichen" Hunde 550 Euro Hundesteuer im Jahr. Hinzu kommt, dass sie Pippi und Thommy nur noch an kurzer Leine und mit Maulkorb Gassi führen kann. Bei einer kurzen Runde um den Block zittern die beiden am ganzen Leib. "Das ist in meinen Augen Tierquälerei", sagt Angelika Hardt. Dem Betrachter erscheint es auch völlig unnötig.
Gefahr für die Allgemeinheit?
Können Pippi und Thommy eine Gefahr für die Allgemeinheit sein? Nein, sagt auch Carsten Anders. Er ist Hundesachverständiger und hat Angelika Hardt den amtlich geforderten Sachkundenachweis als Halterin gefährlicher Hunde abgenommen. Seine Einschätzung: "Der Gesundheitszustand und das Alter der Hunde schließen im Prinzip schon aus, dass Pippi und Thommy gefährlich werden können. Auch alle Tests haben gezeigt, dass die Hunde in keiner Situation aggressiv reagieren."
Das Gutachten des Sachverständigen hat auf die Entscheidung des Ordnungsamtes Blankenfelde-Mahlow jedoch keinerlei Einfluss. Es sorgt einzig und allein dafür, dass Angelika Hardt ihre kleinen, alten Hunde überhaupt behalten darf. Der ganze Fall klingt nach einem übereifrigen Ordnungsamt, nach einer typischen Behördenposse. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Die Amtsentscheidung liegt in einer starren und besonders strengen Hundehalterverordnung des Landes Brandenburg begründet.
Einmal gefährlich, immer gefährlich
In der Gemeindeverwaltung sieht Blankenfelde-Mahlows Bürgermeister Michael Schwuchow (SPD) jedenfalls keinen Ermessensspielraum, wenn Hunde egal welcher Rasse auffällig geworden sind. "Das Ordnungsamt hat als Grundlage die brandenburgische Hundehalterverordnung und die besagt: Wenn Hunde andere Tiere hetzen, ohne selbst provoziert oder angegriffen zu werden, dann sind sie bissgefährlich. Und dann folgt ein ganzer Reigen an Konsequenzen, die alle in der Hundehalterverordnung genau geregelt sind", erklärt Schwuchow. Dieser Auffassung stimmte zuletzt auch das Verwaltungsgericht in Potsdam zu.
Demnach gilt für Pippi und Thommy nun alles, was auch für Hunde gilt, die in Brandenburg auf der sogenannten "Kampfhundeliste" stehen. "Diese brandenburgische Hundehalterverordnung gibt noch nicht mal die Chance, mal einen Hund wieder freizusprechen von seiner Bissgefährlichkeit. Denn, ich stimme da überein, mit Blick auf das Alter der Tiere Pippi und Thommy, sollte keine unmittelbare Gefahr mehr von denen ausgehen. Nichtsdestotrotz ist das Ordnungsamt an eine Verordnung gebunden", erläutert Schwuchow und fügt an, dass diese Verordnung aus dem Jahr 2004 aus Sicht der Praktiker dringend überarbeitet gehöre.
Verordnung schafft viele Probleme
Brandenburger Ordnungsämter drängen schon seit Jahren auf eine Novellierung, denn die Hundehalterverordnung verursacht noch ganz andere praktische Probleme, weil ganze Rassen diskriminiert oder verboten werden und jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht. "Es kommt vor, dass Berliner hierherziehen und Hunde mitbringen, die hier gar nicht gehalten werden dürfen. Dann wird durch Ummeldung des Hundes bei Berliner Freunden die Haltung verschleiert. Das muss alles nicht sein", sagt Bürgermeister Michael Schwuchow und appelliert an die Landesregierung, Abhilfe zu schaffen. Regelmäßig mache er über den Landkreis Eingaben zu der Thematik, bislang ohne Antwort.
Tatsächlich ist die Hundehalterverordnung in Brandenburg bald 20 Jahre alt. Demnach muss sie 2024 laut Gesetz überarbeitet werden. Auf rbb-Anfrage zum aktuellen Stand teilte das zuständige Ministerium mit: "Das Innenministerium sieht Handlungsbedarf und nimmt die Hinweise und Anregungen der örtlichen Ordnungsbehörden, aber auch von Vereinen und Kammern in Bezug auf die Änderung und Anpassung der Hundehalterverordnung sehr ernst. Allerdings ist der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen."
Ob Pippi und Thommy eine Anpassung in ihrem Sinne noch erleben, ist ziemlich fraglich. Und so werden die beiden weiterhin mit Maulkorb ausgeführt werden müssen. Angelika Hardt kämpft aber weiter. Sie will Berufung gegen die Gerichtsentscheidung einlegen. Für die alleinstehende Rentnerin sind ihre alten Hunde Familie.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 11.03.2023, 19:30 Uhr