Vermittlungs-Hotline 116 117 - Tausende Arzttermine bleiben in Berlin jeden Monat ungenutzt

Mi 03.05.23 | 07:07 Uhr | Von Sara Simons
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Symbolbild: Wartezimmer einer Arztpraxis (Quelle: dpa/Benjamin Nolte)
Bild: dpa/Benjamin Nolte

Die Suche nach einem freien Arzttermin kann schnell zur Qual werden. Dabei gibt es seit Jahren eine zentrale Terminvermittlung: die 116 117. Doch die wird anscheinend nur selten genutzt. Von Sara Simons

Die Hausärztin ist im Urlaub, die Vertretungspraxis hat zu – mit Fieber und Halsschmerzen musste sich ein Kollege unlängst einen Arzt suchen. Zwei Praxen wiesen ihn sofort ab. Neue Patient:innen würden nicht aufgenommen. Bei der dritten Praxis wurde er endlich fündig, drei Stunden hat die Suche gedauert.

Auch Instagram-Follower:innen von rbb|24 kennen das Problem. "Als ich nach Berlin gezogen bin und einen Frauenarzt brauchte, habe ich alle in der Gegend und darüber hinaus abtelefoniert. Ich wurde zweimal ausgelacht als ich gefragt habe, ob sie noch neue Patientinnen aufnehmen", schreibt eine Nutzerin. Eine andere kritisiert: "Einen neuen Hausarzt zu finden, funktioniert auch nur noch über Kontakte – am besten gar nicht mehr krank werden."

Mit diesen Erfahrungen stehen sie nicht allein da: 3.634 Nutzer:innen haben sich an einer rbb|24-Umfrage auf Instagram beteiligt. 85 Prozent gaben an, immer wieder Probleme bei der Suche nach einem Arzttermin in Berlin gehabt zu haben.

Tausende Termine bleiben ungenutzt

Dabei hätten sie alle ihre Suche abkürzen können, sagt zumindest die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV). Für gesetzlich Versicherte gibt es nämlich seit 2016 einen bundesweiten Terminvermittlungsservice, erreichbar per Telefon unter "116 117", per App oder im Internet unter 116117.de.

Für diesen Service müssen Kassenärzt:innen Termine bereitstellen. Die bleiben aber häufig ungenutzt. So wurden im März von 27.000 in Berlin verfügbaren Terminen nur 48 Prozent vermittelt. Die Zahlen für Januar und Februar sehen ähnlich aus. Insgesamt blieben im ersten Quartal 2023 fast die Hälfte der Termine ungenutzt.

Unter der 116 117 erreichen Patient:innen auch den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Er hilft, wenn Arztpraxen geschlossen sind. Es besteht die Möglichkeit, mit medizinisch geschultem Personal zu sprechen, das am Telefon eine Ersteinschätzung der Symptome vornehmen kann. Bei Bedarf kommt ein Bereitschaftsarzt zum Hausbesuch, oder Patient:innen werden an eine Bereitschaftspraxis verwiesen. Wichtig: In lebensbedrohlichen Situationen immer die 112 anrufen!

Angebot zu unbekannt?

Woran liegt das? Viele Menschen scheinen das Angebot noch nicht zu kennen: Nur 45 Prozent der Instagram-Follower:innen, die sich an unserer Umfrage beteiligt haben, wussten überhaupt von dem Angebot.

Oder funktioniert das Angebot nicht richtig? Im ersten Quartal dieses Jahres warteten Hilfesuchende am Telefon durchschnittlich 8,5 Minuten, bis sie mit den Mitarbeiter:innen verbunden wurden, antwortet die KV auf Anfrage. Bei einigen Tests warteten rbb|24-Kolleg:innen jedoch länger, in einem Fall am späten Nachmittag fast eine Stunde. Zwischen 6 und 8 Uhr und zwischen 19 und 21 Uhr soll die Wartezeit angeblich am kürzesten sein.

Digitale Vermittlung funktioniert besser als telefonische

Auf der Internetseite und per App geht es schneller. Für Haus-, Augen-, Frauen-, Kinder- und Jugendärzt:innen kann direkt ein Termin gebucht werden. Für andere Fachärzt:innen braucht es eine Überweisung und einen Vermittlungscode, den die Hausärzt:innen eintragen müssen. Testergebnis für Website und App: keine Probleme.

Dabei ist es eine potenzielle Win-Win-Situation. Ärztinnen und Ärzte, die eine Behandlung anbieten, bekommen für die über die "116 117" vermittelten neuen Patienten und Patientinnen mehr Honorar - und die wiederum auf der Suche nach einem Arzttermin angesichts der geringen Nachfrage schnell Hilfe.

Sendung: rbb-Bürgertalk "Wir müssen reden", 02.05.2023, 20:15 Uhr

Beitrag von Sara Simons

61 Kommentare

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  1. 61.

    Mir geht es bei meiner Suche nach einem Therapieplatz ganz genauso: Immer nur Erstgespräche, wegen fehlender Kapazitäten keine Folgetermine. Daher ist dieser so genannte „Service“ zumindest im Bereich Psychotherapie so sinn- und nutzlos wie ein Kropf :(

  2. 60.

    Es wäre schön, wenn es auch Vermittlungscodes gäbe. Meine Hausärztin bekommt zur Zeit keine und kann deshalb auch keine entsprechende Überweisung ausschreiben.

  3. 59.

    Das Zauberwort heißt "Hausarztvermittlungsfall".

    Gibt's seit Anfang des Jahres: Mein HNO-Arzt wollte zur Untersuchung plötzlich aufgetretener Ohrgeräusche, dass ich ihm einen entsprechenden Zettel von meinem Hausarzt bringe. Also dort hin, dort warten, der Hausarzt kassiert Honorar fürs Ausstellen eines Formulars. Der HNO-Arzt freut sich noch mehr, denn wenn er mich mit diesem Formular nun schnell (innerhalb weniger Tage) behandelt, darf er fette Zuschläge berechnen. Natürlich hat er erstmal alle möglichen Tests mit mir gemacht, auch noch einen Allergietest, was sich eben so alles auf die Rechnung schreiben lässt ...

    So viel zum Thema "Kostendämpfung". Aber ja: Mit der Überweisung war ich für den HNO-Arzt viel interessanter und kam entsprechend rasch ran.


  4. 58.

    Ich möchte mit der Pferdekutsche durch die Stadt kutschiert werden. Und nun?

  5. 57.

    Dann haben Sie nicht richtig gesucht, in Köpenick gibt es eine Psychologin in der Wendenschloßstraße mit freien Plätzen!

  6. 56.

    Für die, teilweise tatsächlich vorhandenen Therapietermine kann ich nur sagen, dass ich 4(!) mal versucht habe, über die Nummer einen Therapieplatz zu bekommen.

    Vollkommen absurd: Es werden Termine für Erstgespräche vermittelt bei Therapeuten, die aber von vornherein keine Kapazität für die Folgebehandlung haben. Sie melden nur diese Termine, weil sie das müssen.

    Man rennt also von Erstgesprách zu Erstgespräch quer durch die Stadt, um jedes Mal nach ner Stunde anstrengendstem Seelenstriptease die Dringlichkeit und Art und Weise notwendiger Behandlung schriftlich in die Hände zu bekommen, aber null Support für eine tatsächliche Behandlung.

    Für den Bereich der Therapie braucht es eine Stelle, due auf Grund der (zunächst sinnvollen) Ergebnisse der Erstgespräche Plätze nach Dringlichkeit zu vermitteln.

    Statt nach Beharrlichkeit der Kranken oder Vorlieben der Therapeuten.

  7. 55.

    Insgesamt ein gutes Plädoyer für die digitale Krankenakte !

  8. 53.

    Kann ich nur widersprechen, habe schon den Terminservice und den Bereitschaftsdienst in Anspruch genommen, beides hat gut funktioniert.

  9. 52.

    Na mein Reden alles um die Ecke wieso muss das sein bitte wieder mehr Polikkliniken

  10. 51.

    Dann können Sie sich glücklich schätzen. Nach meinem Umzug hab ich keine neuen Ärzte gefunden. Hab bei der KVB angerufen. Die hat mich ausgelacht und gesagt "In Köpenick können Sie es vergessen". Was soll ich mit einem Hausarzt am anderen Ende der Stadt. Wenn man krank ist, kann man nicht stundenlang mit den Öffis umherkutschen. Dass Menschen arbeiten, wird bei der Terminvergabe gar nicht beachtet. Dank Corona darf ich jetzt ab und zu im Homeoffice arbeiten und nutze die Tage für solche Termine.

  11. 50.

    @Jörg: also stimmt schon, was Sie sagen. Aber an sich ist es doch keine schlechte Idee, die 116117 auch als eine Art Vorinstanz zu nutzen, die dann entscheidet, ob man ein Fall für Notaufnahme ist oder nicht.
    Oder eine Art Schleuse bei den Notaufnahmestellen, rechts geht's zur ambulanten Notpraxis für die, die eben in der richtigen Notaufnahme fehl am Platze sind und links geht's zur "richtigen Notaufnahme für lebensbedrohliche Fälle.
    Vorausgesetzt, sowohl 116117-Ärzte und Notaufnahmen beherrschen ihr Fach *seufz*.

    Bei meiner Fraktur hatte ich die 116117 gewählt und diese hatte mir dann geraten, in die Notaufnahme zu fahren. Per Taxi, würde ich bezahlt bekommen. Haha, meine Kasse hat sich geweigert, die Kosten zu tragen (Krankenhaus war ja auch nicht in der Lage, die Fraktur als solche zu erkennen "MRT könnnen wir nachts nicht". Das geschah dann 6 Tage später (!) in einer ambulanten Radiologie). Immerhin, die 116117 hatte schon richtig erkannt, wo ich EIGENTLICH hin gehörte

  12. 49.

    Hab mal nach einem Psychotherapeuten (Tiefenpsychologie) gesucht. Im Umkreis von 150 km kein Treffer.

    Mehr muss man wohl nicht sagen.

  13. 48.

    Die KV bestimmt darüber, wie viele Arztpraxen und Fachärzte es geben darf! (Es gibt Wartelisten & Preise dafür)
    Ich vermute schon länger, das die Anzahl der Plätze nicht nach Bedarf, sondern nach Kosten geregelt werden!

    Würde man 5x mehr Psychotherapeuten erlauben, würden die alle in Anspruch genommen.
    Aber lieber nimmt man die gesellschaftlichen Folgekosten, keiner Behandlung in Kauf!

    Für mich gilt Generell: "Fuck Off Terminpraxen"!
    Meistens hat Mensch ein unmittelbares Problem, und eine frühe Diagnose/Behandlung ist immer gut!
    Depressive, Suizidale, Durchdrehende, Chronisch Kranke, Schmerzpatienten, etc brauchen keine Termine, sondern unmittelbare Hilfe, möglichst ohne Hürdenlauf zugänglich, in Form von Durchgangsärzten, mit exakter Onlineinfo über aktuelle Wartezeiten!

  14. 47.

    Bei einem Notfall sollten sie auch die Feuerwehr anrufen und nicht 116117. Das ist für "Bagagtellerkrankungen" (Erkältung) und Arztvermittlung.

  15. 46.

    In dem Zusammenhang verstehe ich nicht warum es in Deutschland noch immer keine elektronischen Patientenakte gibt? Reine Zeit-und-Geldverschwendung!

  16. 45.

    Die Taschen lassen insbesondere durch diejenigen sehr gut Füllen, die bei jedem Pup der quer sitzt, zum Arzt rennen und die Wartebereiche Bevölkern.
    Es ist schon sehr seltsam, dass ich, wenn ich einen Termin bei einem Facharzt, einen Termin bekomme. Und den natürlich auch einhalten oder rechtzeitig ändern lasse.

    Die Individuellen Einzelschicksale hier im Forum können nur die besagten Einzelfälle darstellen, die in jeder Statistik als nicht nennenswerte an die Seite geschoben werden oder gar keinen Facharzt benötigen.

  17. 44.

    Bis Prenzelberg geht ja noch, wenn man noch mobil ist. Habe gestern über Doctorlip versucht, einen Termin für eine Magenspiegelung zu buchen. Ergebnis angeboten: zwar zeitnah, aber in Nauen. Leider ohne Angebot eines Shuttleservice.

  18. 42.

    Die 116117 ist doch die Corona-Impftermin-Nummer! Hm. Das war ja auch sehr erfolgreich '_' Ansonsten: ich wohne auf dem Grenzstreifen, ich möchte KEINEN Arzttermin in Luckenwalde haben, sondern in Südberlin. Die 116117 ist nach Bundesländern organisiert. Schon der Impftermin in Berlin war ein Drahtseilakt, etliche Stunden habe ich gebraucht, um nicht nach Treuenbrietzen fahren zu müssen... Natürlich bin ich in Berlin berufstätig. Da geht vor 8 oder nach 17 Uhr. Und nicht in Reinickendorf oder Pankow. Bisher also nicht nutzbar.
    Solange die Privatpatienten zur Finanzierung der Praxen vorgezogen werden (weil die überteuerten Rechnungen bezahlt werden durch exorbitante Beitragszahlungen), ist das System kaputt. Ich werde es wohl nicht mehr erleben, dass Beamte in die Rentenkassen oder KV einzahlen müssen, und Chancengleichheit bei der Terminvergabe herrscht...

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