Neue Betrugsmasche - Abschleppdienst fordert Dutzende Autobesitzer zu Lösegeld auf
Kidnapping kennt man aus dem "Tatort": Ein Mensch wird entführt, Verbrecher fordern Lösegeld für die Freilassung. "Auto-Kidnapping" aber ist neu. Einige Berliner sind damit bereits konfrontiert worden. Die Polizei wurde unfreiwillig zum Helfershelfer. Von Anna Corves
- Abschleppdienst soll abgeschleppt und unrechtmäßig viel Geld gefordert haben
- Berliner Polizei vermittelte zwischen Autobesitzern und Abschleppdienst
- Tatverdächtige von der Polizei gestellt
Georgi Komitov ist frustriert und sauer, auch auf die Polizei. Er gehört zu den ersten Opfern einer neuen, perfiden Betrugsmasche, die in Berlin ihren Ursprung hat. 476 Euro hat Komitov verloren.
Seine Geschichte beginnt in Spandau, am frühen Morgen des 1. Juni. Georgi Komitov lief zu seinem Auto, wie er erzählt. Doch da, wo sein Wagen stehen sollte, stand nichts mehr. "Mein erster Gedanke war: Das Auto wurde gestohlen." GPS habe der zehn Jahre alte Wagen nicht. Komitov wählte die 110, die Polizei checkte daraufhin sein Kennzeichen in einer Datenbank. Ergebnis: Sein Auto sei nicht gestohlen, sondern umgesetzt worden, erklärt man ihm, von der Yana GmbH, einer privaten Abschleppfirma. Hier sei die Nummer, da müsse er anrufen und alles Weitere klären.
Tatsächlich ist dies das Standardverfahren, wenn ein Auto im privaten Auftrag - also nicht im Auftrag von Polizei oder Ordnungsämtern - abgeschleppt wird: Bei der zentralen "Auskunfts- und Fahndungsstelle" der Polizei sind private Abschleppfirmen registriert. Diese können - müssen aber nicht - melden, welches Fahrzeug sie umgesetzt haben. Ruft dann ein Autohalter an, der sein Fahrzeug vermisst, kann ihm die Polizei den Namen der zuständigen Firma nennen.
Zahlung trotz schlechten Gefühls
Tatsächlich hatte Georgi Komitov sein Auto über Nacht auf dem Parkplatz eines Supermarkts abgestellt, also auf einem Privatgelände. "Das machen da aber viele so", sagt er im Gespräch mit dem rbb, "das hat nie jemanden gestört". Trotzdem habe er sich die Umsetzung nur so erklären können, dass sie vom Supermarkt beauftragt worden sei. Mit dem Marktleiter habe er das klären wollen, ihn aber so früh am Morgen nicht erreichen können.
Also habe er die Nummer gewählt, die ihm die Polizei gegeben hatte. Die Yana GmbH habe allerdings nur per WhatsApp kommunizieren wollen, und ihm dort eine Rechnung über 476 Euro geschickt. Die müsse er sofort bezahlen, erst dann erfahre er, wo sein Auto stehe.
Standort erst nach Echtzeitüberweisung bekanntgegeben
Die Summe sei Komitov sehr hoch vorgekommen - im Internet habe er schließlich gelesen, dass private Abschleppfirmen üblicherweise eher 220 Euro fordern. Er habe geflucht, sagt er im Gespräch mit dem rbb, am Ende aber dennoch gezahlt. "Schließlich lief das über die Polizei, in die ich - bis dahin - großes Vertrauen hatte." Deswegen habe er das Geld überwiesen, obwohl er die Summe und die Whatsapp-Kommunikation der Firma merkwürdig fand.
Die Yana GmbH habe ihm dann schließlich den Standort seines Autos genannt. Fünf Kilometer vom letzten Standort entfernt sei es am Straßenrand abgestellt worden. Erst danach erreicht Komitov den Supermarktleiter.
Der widerum habe ihm versichert, gar keinen Abschleppdienst beauftragt zu haben. "Und dann war klar: Die Sache stinkt." Wieder habe er sich an die Polizei gewandt. Dieses Mal, um Anzeige zu erstatten. "Aber die Beamten wollten die erst gar nicht aufnehmen. Das müsse ich zivilrechtlich mit dem klären, der für das Abschleppen verantwortlich sei." Doch als Komitrov habe nachweisen können, dass es gar keinen Auftrag für die Umsetzung gab, seien die Beamten hellhörig geworden.
Kurz darauf häuften sich dann auf einmal die Beschwerden über die Yana GmbH.
Eine Lücke im System
Die Intensität, mit der die Firma ihr Unwesen getrieben hat, sei enorm gewesen, sagt Polizeisprecherin Anja Dierschke dem rbb. In wenigen Nächten, zwischen dem 1. und dem 8. Juni, habe die Yana GmbH in einem recht kleinen Radius, ausschließlich in Spandau, 58 Autos ohne Auftrag umgesetzt - und jedes Mal 476 Euro als Voraussetzung gefordert, dass sie den Standort nennt.
Die "Auskunfts- und Fahndungsstelle" der Polizei wird dabei unfreiwillig zum Helfer. Die Tatverdächtigen machten sich zunutze, dass diese Zentrale nicht überprüft, ob ein Auto überhaupt zurecht abgeschleppt wurde. "Das ist in dem Prozedere nicht enthalten", bestätigt Dierschke. "Bei unserer Vermittlung handelt es sich lediglich um eine gut gemeinte Serviceleistung, damit Autohalter ihr Fahrzeug schneller wiederfinden." Die Tatverdächtigen hätten da tatsächlich eine Lücke im System gefunden.
Kopf der Yana GmbH ist eine 36-jährige Frau, die nach bisherigen Erkenntnissen mit 5 Männern zusammenarbeitete. Sie wurden von der Polizei am 8. Juni auf frischer Tat, beim Umsetzen eines PKW, ertappt. Dass die Gruppe aufflog, hat sie sich wohl vor allem ihrer eigenen Dreistigkeit zuzuschreiben: Dass sie so viele Wagen in so kurzer Zeit in so kleinem Areal umsetzte, fiel auf. Außerdem schleppten sie auch viele Autos ab, die überhaupt nicht im Park- oder Halteverbot standen, berichtet die Polizei. Das habe dann auch angesichts der hohen Forderungen zu Misstrauen, Meldungen und der Verweigerung der Zahlungen geführt.
Polizei für Masche sensibilisiert
Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin laufen nun im Deliktfeld zwischen Betrug und Erpressung. Die Polizei Berlin prüft, wie sie einen Missbrauch des Abschleppmeldewesens künftig verhindern kann.
Sprecherin Anja Dierschke rät Autofahrern, die von einem Privatgelände abgeschleppt wurden, Geldforderungen kritisch zu hinterfragen: "Wenn man unter hohem Zeitdruck zahlen soll und erst dann würde der Aufenthaltsort des Autos genannt, sollte man definitiv misstrauisch werden und sich dann an die Polizei wenden." Die sei jetzt für solche Fälle sensibilisiert.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.07.2023, 6:25 Uhr
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