Geothermie für Berlin - Der Schatz, der im Boden schlummert

Do 06.07.23 | 18:51 Uhr | Von Angela Ulrich und Franziska Hoppen
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Archivbild: Tiefengeothermie-Projekt der Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP). (Quelle: dpa/S. Stache)
Video: rbb24 Abendschau | 06.07.2023 | F. Hoppen | Bild: dpa/S. Stache

Heißes Wasser tief in der Erde – wie sehr kann es helfen, Berlin klimaneutral zu machen? Der Senat will bald bekanntgeben, wo es Probebohrungen für die Geothermie geben soll. Wie groß ist das Potenzial? Von Angela Ulrich und Franziska Hoppen

Auf dem Telegrafenberg in Potsdam, beim Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum (GFZ), greifen zwei Forscherinnen in eine unscheinbare Plastiktüte. Darin: ein dunkler Sandstein, schon leicht zerbröselt. Obwohl er rund 150 Millionen Jahre alt ist, könnte er zur Zukunft Berlins eine Menge beitragen. "Das ist sehr kostbar", sagt Magdalena Scheck-Wenderoth und lächelt. "Denn es ist eben nicht nur ein Stein, sondern ein erbohrter Stein aus einer großen Tiefe, aus einer Bohrung, die sehr viel Geld kostet."

"Diese Wärme ist immer da - und sie ist unerschöpflich"

In die Tiefe gehen ist Scheck-Wenderoths Spezialität. Gemeinsam mit ihrer Kollegin, der Geo-Chemikerin Simona Regenspurg, untersucht die Geologin, welcher Schatz in der Tiefe unter Berlin und Brandenburg schlummert. Heißes Wasser, das durch tiefe Gesteinsschichten fließt, zum Beispiel in Muschelkalk oder Sandstein, wie dem in der Tüte. Mal einige Hundert Meter tief, mal mehrere Tausend. Dieses Wasser anzubohren und aus den tiefen Schichten hochzuholen, um die natürliche Wärme aus dem Boden zu nutzen, als Geothermie – das könnte bei der Wärmewende in der Region eine Rolle spielen, sagt Scheck-Wenderoth.

Auch wenn die Bohrungen kosten: zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro pro Kilometer. Aber das Potenzial sei da, sagt Scheck-Wenderoth. "Es ist warm im Untergrund, es wird alle 100 Meter um drei Grad wärmer. Diese Wärme ist immer da - und sie ist auch unerschöpflich. Es geht nur darum, die richtige Technologie am richtigen Ort einzusetzen."

Alle 100 Meter wird es drei Grad wärmer im Untergrund

Nah an der Oberfläche wird Geothermie in Berlin bereits genutzt, zum Beispiel in Neubaugebieten. 2018 waren bereits mehr als 3.500 Geothermie-Anlagen verzeichnet [geothermie.de]. Unter dem Deutschen Bundestag gibt es einen Erdwärmespeicher und das Berliner Stadtschloss hat ebenfalls eine Geothermie-Anlage.

Noch deutlich tiefer in den Boden zu gehen und Wasser aus mehreren Hundert oder Tausenden Metern hochzuholen, soll nun erprobt werden.

Dazu gibt es verschiedene Nutzungsmöglichkeiten der Geothermie

So kann zum Beispiel heißes Wasser aus rund 500 bis 1.000 Metern Tiefe nach oben gepumpt werden, wo ihm die Wärme mit Hilfe eines Wärmetauschers entzogen und diese ins Netz gespeist wird. Das kalte Wasser geht zurück in die Tiefe - und wird wieder aufgewärmt.

Grafik zur Geothermie. (Quelle: rbb)

Auch überschüssige Wärme, etwa von Solaranlagen oder Blockheizkraftwerken, die im Sommer nicht gebraucht wird, kann durch Geothermie im Boden gespeichert werden, bis sie im Winter wieder gebraucht wird.

Grafik zur Geothermie. (Quelle: rbb)

Und: Berlin plant drei besonders tiefe Bohrungen, mehrere Kilometer in den Boden, erstmal nur als Test. Das Wasser wäre dort mehr als 100 Grad heiß.

Grafik zur Geothermie. (Quelle: rbb)

Senat will Probestandorte bekanntgeben

Wo genau diese Probestandorte für Tiefen-Geothermie in Berlin sein sollen, ist noch unklar. Die rot-grün-rote Vorgänger-Regierung hatte das Projekt angeschoben. Die CDU-SPD-Koalition führt es jetzt fort und schreibt in ihrem Sofortprogramm aus dem Juni, dass sie mehr auf Geothermie setzen wolle: "Wir wollen Berlin unabhängig von fossilen Energieträgern machen und frühestmöglich und deutlich vor den bundespolitisch gesetzten Zielen klimaneutral werden", heißt es da. "Dafür erproben wir die Nutzung von Erdwärme durch Tiefengeothermie (…) Noch diesen Sommer werden wir die Pilotstandorte bekannt geben."

Holger Staisch, den Geschäftsführer der Berliner Erdgasspeicher GmbH, interessiert das sehr. Er ist der Herr über den Berliner Gasspeicher nahe des Olympiastadions in Charlottenburg. Dort wurde seit den 1990er Jahren in rund 800 Meter Tiefe in porösem Sandstein überschüssiges Erdgas eingelagert. Feste Tonschichten darüber verhinderten, dass Gas entweicht.

Inzwischen ist das unrentabel geworden, die Bohrlöcher des Speichers werden derzeit verfüllt und zurückgebaut. Aber könnte das Areal nun für Tiefen-Geothermie genutzt werden? "Wir haben an diesem Standort über die vielen Jahre, die wir die Anlage errichtet und betrieben haben, sehr gute Kenntnisse über den Untergrund", sagt Staisch. "Ein Alleinstellungsmerkmal und ein Schatz, den wir besitzen", sagt der Bergbauingenieur.

Ob diese gute Kenntnis helfen wird, damit sich der alte Gasspeicher als Standort für eine der Probebohrungen für Tiefen-Geothermie durchsetzt?

Holger Staisch, Geschäftsführer Berliner Erdgasspeicher GmbH. Der Boden unter dem Erdgasspeicher ist sehr genau untersucht. (Quelle: A. Ulrich)Staisch vor einer Grafik des Gasspeichers in der Nähe des Olympiastadions

Aus dem Mauerblümchen-Dasein rausholen

Holger Staisch sieht jedenfalls Potenzial in dieser Technik auf dem Weg in die Klimaneutralität Berlins. Es gebe hier keine Gefahr durch Erdbeben. sagt er. Außerdem müsse man keine Sorge haben, das Grundwasser durch tiefe Bohrungen zu verschmutzen.

Allerdings ist Tiefen-Geothermie eine sehr kostspielige Technik. Damit sie sich lohnt, muss die gewonnene Wärme vor Ort in ein Netz fließen können – oder aus einem Netz überschüssige Wärme zur Speicherung im Boden abgezogen werden können.

All das ist am Standort beim Olympiastadion noch nicht gegeben. "Wir haben hier kein Fernwärmenetz, das in der Nähe ist, an das wir uns anschließen könnten und aus dem wir im Sommer die Wärme entnehmen und im Untergrund speichern könnten", erklärt Staisch. Solaranlagen auf Dächern, vielleicht großflächig auf dem Olympiastadion, könnten das womöglich leisten – aber das ist teuer. "Das ist zurzeit nicht wirtschaftlich attraktiv", sagt Staisch.

Denn am Ende müssten die Kosten auch auf den Verbraucher umgelegt werden. Ebenso aufwändig wäre es, ein Nahwärmenetz zu schaffen, um das besonders heiße Wasser aus mehreren Kilometern Tiefe auf die Häuser in der Nachbarschaft zu verteilen, die auch noch sehr unterschiedliche Bedarfe haben.

Forscherinnen wünschen sich Testbetrieb

Wenn er sich außerdem etwas wünschen könnte, sagt Staisch, dann wäre es eine Versicherung bei den Bohrungen. "Denn es besteht immer das Risiko, dass eine Bohrung nicht fündig wird und das Geothermie-Projekt funktioniert nicht, wie man es auf dem Papier geplant hat. Diese Risiken müssen abgesichert werden." Trotzdem: Geothermie sollte ihr "Mauerblümchen-Dasein" verlieren, sagt Staisch, und "um im Bild zu bleiben, sich Richtung 'Sonnenblume' entwickeln."

Auch für die beiden Geologinnen am Geo-Forschungs-Zentrum in Potsdam hat Geothermie aus der Tiefe in Berlin und Brandenburg Potenzial. Simona Regenspurg sagt, sie freue sich darüber, dass die Forscherinnen jetzt viel mehr angefragt würden, weil Geothermie mehr im Fokus stehe. "Man merkt, dass die Arbeit relevant ist und wir sehr, sehr viel zu tun haben."

Beide wünschen sich, wie sie sagen, dass häufiger nach den Bohrungen auch ein Testbetrieb läuft. Gerade bei den besonders tiefen Bohrungen gebe es noch deutlichen Forschungsbedarf.

Für Magdalena Scheck-Wenderoth aber ist klar: "Wenn wir auch nur einen Bruchteil des Geldes, das wir in die Forschung nach fossilen Rohstoffen oder in die Atomkraft gesteckt haben, in die Geothermie-Forschung stecken würden, dann würden wir da sehr schnell sehr große Fortschritte machen."

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Angela Ulrich und Franziska Hoppen

17 Kommentare

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  1. 17.

    Laut Wikipedia gibt es auch geologisch entstandenes Erdöl, ist das vom künftigen Verbrennungsverbot ausgenommen?

  2. 16.

    Laut Wikipedia gibt es auch geologisch entstandenes Erdöl, ist das vom künftigen Verbrennungsverbot ausgenommen?

  3. 15.

    Leider darf ich keinerlei Erdwärme nutzen, wegen eines Trinkwasserschutzgebietes. Absolute Aussagen, wie "unerschöpflich" sind zu bezweifeln, umso schneller erkaltet der Erdkern. Sind die Auswirkungen des zusätzlichen Wärmetransports an die Oberfläche erforscht (Treibhauseffekt)? Wie lange halten die Rohre bei Salzwasser? Auch beim aktuellen Wasserstoffhype mache ich mir Sorgen um die Ozonschicht, es wird mit mindestens 10% Schwund gerechnet.

  4. 14.

    So ist das mit den Definitionen. Die Einen definieren Tiefengeothermie ab 400 m, für die Anderen fängt sowas erst ab 1 km Tiefe an.
    Na wie auch immer. Sobald Flüssigkeit mit entsprechenden Hochdruck durch permeables Gestein getrieben werden muss, würde ich als direkter Anwohner zumindest mit Eigentum Bauchschmerzen bekommen. Den hier bereits erwähnten Schichtenkurzschluss sollte man heutzutage eigentlich im Griff haben, zumindest dann, wenn man nicht wieder aus Kostengründen am falschen Ende spart.

  5. 13.

    Bei Ihrer Recherche ist welche Bohrtiefe heraus gekommen? Ein paar hundert Meter? Deshalb "vergleichsweise oberflächennah".

  6. 12.

    Habe das jetzt nicht recherchiert. Klingt für mich aber nicht Plausibel. Oberflächennahe Geothermie (also Wärmepumpe) sollte geologisch in jedem Fall beherrschbar sein. Anders sieht es mit Tiefenbohrungen aus und den Dingen die man anschließend über diese Bohrung veranstaltet und zwar grundsätzlich.

  7. 11.

    Na, ja wenn man eine Substanz unter Hochdruck in großer Tiefe durch permeables Gestein drückt, besteht grundsätzlich immer die Gefahr, dass sowas Auswirkungen über die darüberliegenden Erdschichten hat, ob nun durch Mikrobeben, Setzungen, Spannungsrisse etc. Es gab auch Fälle wo es zu gegenteiligen Bläh-Reaktionen kam.
    Das soll jetzt nicht heißen, dass soetwas dem reinen Zufall unterworfen wäre. Man macht sowas ja nicht zum ersten Mal und hat inzwischen genug praktische Erfahrung gesammelt um das Restrisiko weitestgehend zu minimieren. Nur eben ausschließen kann man es nicht. Und da Geothermie nun unmittelbar am Verbrauchspunkt, also in bebauter Umgebung, durchgeführt werden muss, bleibt eben für die Anwohner immer ein Fragezeichen.

  8. 10.

    Der grundsätzlich erdbebengefährdete Oberrheingraben liegt in BaWü. Es gab dort Probleme mit vergleichsweise oberflächennaher Geothermie, was man jetzt auch gegen tiefe Geothermie anführt, obwohl Gutachten die Gefahr nicht sehen.

  9. 9.

    Man darf gespannt sein, ob eine ergebnisoffene Abwägung bezüglich des Risiko-Kosten-Nutzenverhältnisses stattfindet. Grundsätzlich finde ich die Erforschung erst einmal gut. Aber Berlin neigt zur Zeit zu leider sehr "spontanen" Entscheidungen.

  10. 8.

    Woe ist es mit Erdbeben durch Geothermie? Wird in Bayern als Ursache angenommen, durch Eingriff in die Tetonik.

  11. 7.

    Ich denke wenn man die ersten meter durch die Süsswasserschichten größer bohrt und ein dichtes Rohr einschiebt das nach unten um die eigentliche tiefere Bohrung abgedichtet wird, ist das Risiko Trinkwasserversalzung beherrschbar. Als quasi Schutzrohr für das eigentliche Solerohr. Erkundungsbohrungen in die Tiefe macht man ja schon häufiger.
    Nichtinvasive Voruntersuchungen macht man um so viel wie möglich vorab zu wissen.
    Mit Radar, Ultraschall kann man schon einige meter in die Tiefe "gucken".
    Die mehrstufige Sicherheitstechnik an so einer Bohrmaschine ist auch beeindruckend.
    Das ganze wird auch wissenschaftlich begleitet. da arbeiten nicht nur Maschinisten sondern unabhängige Geologen entsprechend den Auflagen des genehmigenden Bergbauamtes, die sicher auch das Umweltamt für die ersten 100 oder 200m mit einbeziehen müssen.

  12. 6.

    Super- wenn das so klappen würde. Die Risiken dürfen dabei aber nicht unterschlagen werden. Als eine der wenigen Städte Deutschlands wird das Trinkwasser für Berlin in Wasserwerken im Stadtgebiet gewonnen. Wenn der Grundwasserleiter durchbohrt wird, könnte es zu Versalzungen führen. Dieses Wasser kann dann nicht mehr für Trinkwasser genutzt werden. Dann löst man das Wärmeproblem und schafft mit fehlendem Trinkwasser ein Neues.

  13. 5.

    Das Foto mit er Bohranlage wurde in Potsdam gemacht. Da ist man bereits mit der 2ten Bohrung fast fertig. Also die gröbsten Risiken bereits überwunden. Und da geht es um reale Anwendung.
    Als ich mir das kürzlich mal anschauen durfte, waren reichlich Stadtwerke aus ganz Brandenburg dabei. Die sahen alle so aus als ob sie etwas positives mit nach Hause genommen haben.
    Ist auch nicht die erste Anlage.
    In Waren/Müritz hat man das schon zu DDR Zeiten gewagt und Erfolg gehabt.

  14. 4.

    Es liegt wohl eher daran, dass die Geothermie nicht ganz so risikolos ist, wie es hier gerade den Anschein hat. Angesprochen wurde hier ja lediglich das Kostenrisiko.
    Deswegen hat sie sich noch nicht flächendeckend überall dort durchgesetzt, wo es theoretisch möglich wäre.

  15. 3.

    Nicht zu unterschätzen wäre eine Eigendynamik, die in solchen Fällen sehr wohl Platz greifen könnte. Wie Vieles, was wir heute als selbstverständlich und als sinnvoll betrachten, ist anfänglich verlacht und nicht für ernst genommen worden?

    Manche Techniken brauchen Zeit; Friedrich von List, der maßgebliche Beförderer der Eisenbahn in deutschen Landen, spürte diese reifende Zeit, die erst nach ihm zu durchschlagendem Erfolg kam, zu seinen Lebzeiten - leider - nicht.

  16. 2.

    Und wieder eine Möglichkeit, die von einigen Interessenvertretern nicht gewollt ist. Daher wird auch dieses Projekt, so wie in Deutschland üblich, sang-und klanglos verschwinden.

  17. 1.

    Eine Steilvorlage für die Fernwärme.

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