Erdwärme zum Heizen - In Berlin wird an mehreren Orten 4,5 Kilometer tief gebohrt

Mo 12.06.23 | 08:26 Uhr | Von Sebastian Hampf
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Symbolbild:Eine Facharbeiter führt eine Erdwärmebohrung durch.(Quelle:dpa/D.Heese)
Bild: dpa/D.Heese

Tief unter Berlin schlummern enorme Wärmevorkommen, die zum Heizen von Wohnungen und Bürogebäuden genutzt werden könnten. Mit kilometertiefen Bohrungen sollen diese Schichten nun erreicht werden.

Wenn es um klimafreundliche Energieversorgung geht, ist Erdwärme schwer angesagt - auch in Berlin und Brandenburg. In der Erdkruste ist Wärme gespeichert, die ihr beispielsweise mithilfe von Erdwärmepumpen entzogen werden kann. Die Ausbeute kleinerer Anlagen ist jedoch begrenzt und reicht oft nur für einzelne Haushalte, denn die Temperaturen in einer Tiefe von bis zu 400 Metern bleiben überschaubar: zwischen 8 und 20 Grad Celsius. Dann braucht es viel Technik, damit die Heizung am Ende richtig heiß wird.

Je tiefer, desto wärmer

Wird aber tiefer gebohrt, wird es interessanter. "Je tiefer man kommt, desto wärmer wird es", erklärt die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth vom Geoforschungszentrum Potsdam. "Es wird im Schnitt drei Grad pro hundert Meter Tiefe wärmer." In solchen Regionen sei die Energie-Ausbeute aus dem dort zirkulierenden heißen Grundwasser deutlich höher.

Interessant für eine direkte Nutzung - also ohne dass eine Pumpanlage Wärme "sammelt" - seien Temperaturen ab 50 Grad Celsius, sagt Magdalena Scheck-Wenderoth. Für die Stromerzeugung sind demnach mindestens 100 Grad Celsius nötig. Doch dafür muss tief in den Untergrund gebohrt werden - sehr tief sogar: Abhängig von der lokalen Geologie müssten 2.000 bis 4.000 Meter überwunden werden, um in der Region Berlin-Brandenburg "Hot-Spots" zu erreichen, erklärt die Geologin.

In Potsdam wurde beispielsweise an der Heinrich-Mann-Allee etwa zwei Kilometer tief gebohrt. Geplant ist, so ein Neubauviertel mit rund 700 Haushalten mit Wärme versorgen zu können [potsdam.de].

Drei Bohrungen in Berlin geplant

In Berlin sind in Untersuchungen 13 potenzielle Standorte für Bohrungen ausgemacht worden. Federführend sind dabei die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt sowie lokale Nah- und Fernwärmenetzbetreiber. Aus diesen 13 Orten sollen nun drei ausgewählt werden, an denen Pilotprojektet starten, wie die Pressereferentin der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Constanze Siedenburg, rbb|24 mitteilte. Die Ergebnisse sollen bis Ende Juni vorliegen. Die Bohrungen könnten dann voraussichtlich Ende 2024 bzw. Anfang 2025 erfolgen, so die Senatssprecherin.

Bohrungen langwierig

Wie lange es dauert, ein Loch von rund vier Kilometern Tiefe zu bohren, kann dabei vorab nicht genau gesagt werden, erklärt Scheck-Wenderoth. "Ein alter Bergmannsspruch besagt: 'Vor der Hacke ist es duster.' Man hat eine Vorstellung, worin man bohrt - es kann aber auch Überraschungen geben. Sie sehen jetzt bei der Potsdamer Bohrung, wie lange es gedauert hat". Bei der Bohrung an der Heinrich-Mann-Allee war kurz vor Weihnachten mit der Bohrung begonnen worden - erst nach einem halben Jahr war man auf knapp zwei Kilometer Tiefe.

Das Bohrloch selbst ist nach Expertenaussagen eher unscheinbar. "Es ist überschaubar, vielleicht 20 bis 50 Zentimeter", sagte Magdalena Scheck-Wenderoth. "Aber so eine Bohrung ist sehr teuer. Ein Bohrkilometer kostet gerne mal anderthalb bis zwei Millionen Euro." Der Berliner Senat hat für die drei Probebohrungen sechs Millionen Euro aus dem Innovationsfond bereitgestellt.

Hohes finanzielles Risiko

Bisher liegen für den tiefen Untergrund von Berlin nur sehr wenige Daten vor, weshalb das sogenannte Fündigkeitsrisiko sehr hoch ist. Damit gemeint ist das Risiko, viel Geld in eine Bohrung zu stecken - am Ende aber nur eine schlechte oder gar keine nutzbare Wärmequelle zu erwischen. "Es gibt keine Garantie, wirklich geeignete Bereiche zu finden, deshalb gibt es auch keine Versicherung, die das Risiko abdeckt", erklärt die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth. Die Gefahr einer nicht ausreichenden Temperatur oder Wasser-Fördermenge habe die kommerzielle Entwicklung bisher gehemmt.

Andererseits ist bekannt, dass es unter Berlin und Brandenburg große Salzvorkommen gibt. Diese erhöhen die Chance, sogenannte "Sweet Spots" zu finden - also gut geeignete Orte. "Salz ist doppelt bis dreimal so wärmeleitfähig wie andere Gesteine und beeinflusst die Temperaturverteilung im Untergrund", sagt die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth. "In Berlin und Brandenburg ist das Salz an machen Stellen bis zu vier Kilometer mächtig. Über den Salzschichten ist es superwarm, wenn darüber noch weitere, isolierende Schichten liegen."

Pilot-Bohrungen sollen künftige einfacher machen

Der Senat verfolgt mit seinen Investitionen in die Bohrungen nun im Wesentlichen zwei Ziele: Zum einen soll mit den Pilotprojekte erforscht werden, wie gut die tiefengeothermische Wärmeversorgung in der Region möglich ist. Die Bohrungen sollen aber gleichzeitig auch den geologischen Kenntnisstand erhöhen, um das Fündigkeitsrisiko künftiger Projekte zu reduzieren, wie Pressereferentin Constanze Siedenburg sagt.

Geothermie und Erdwärme sind keine neuen Energiethemen. Bereits in den 1980er Jahren wurde mit der "Geothermischen Heizzentrale" ein Pilotprojekt in Waren (Müritz) gestartet. Es war das erste Projekt in Ostdeutschland. Die Energiekrise durch den russischen Krieg gegen die Ukraine machte das Thema Energieversorgung sichtbarer. "Wir tragen das Thema schon sehr lange an die Politik", sagt Magdalena Scheck-Wenderoth. "Wenn es um Geothermie geht, denkt man nicht in zwei, drei oder fünf Jahresscheiben, sondern man muss in 20 Jahresschreiben denken, viel länger als eine Legislaturperiode." Dass das Thema jetzt erst an Fahrt aufnehme, sei "bedauerlich, weil die Energie vorhanden ist, und zwar in rauen Mengen. Die Erde ist irre heiß!"

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Beitrag von Sebastian Hampf

70 Kommentare

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  1. 70.

    Da Sie inzwischen offenbar sogar den Text gelesen haben, hätte Ihnen auffallen können, dass Sie Ihre Argumentationskette um eine Nebeninformation herum gebaut haben und sich der Artikel vollständig mit der Wärmegewinnung befasst, wie auch in der Überschrift treffend zusammengefasst. Weshalb Sie in der Diskussion weiterhin ständig die Energieform wechseln wollen, bleibt vermutlich Ihr Geheimnis.

  2. 69.

    Sie sollten mehr als nur die Überschriften lesen anstelle sich nur Ihre Vorurteilen pflegen:
    Interessant für eine direkte Nutzung - also ohne dass eine Pumpanlage Wärme "sammelt" - seien Temperaturen ab 50 Grad Celsius, sagt Magdalena Scheck-Wenderoth. Für die Stromerzeugung sind demnach mindestens 100 Grad Celsius nötig. Doch dafür muss tief in den Untergrund gebohrt werden - sehr tief sogar: Abhängig von der lokalen Geologie müssten 2.000 bis 4.000 Meter überwunden werden, um in der Region Berlin-Brandenburg "Hot-Spots" zu erreichen, erklärt die Geologin."
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/06/geothermie-erdwaerme-berlin-pilotprojekt-tiefenbohrungen.html

  3. 68.

    Nun sind Sie schon wieder beim Strom. Lesen Sie zum Verständnis doch wenigstens die Überschrift des Themas hier und noch einmal Ihren ersten Kommentar um was es eigentlich ging.

  4. 67.

    Nö, im Neuland wird man schnell fündig. Ich habe erst eine Formulierung finden müssen, die den Segen der Moderation gefunden hat. Interesse an Fakten haben Sie aber weiterhin nicht. Hauptsache gegen Erneuerbare Energie stänkern.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare-Energien-Gesetz

  5. 66.

    Da haben Sie wohl lange suchen müssen, fast einen ganzen Tag. Aber was davon geht nun über die Förderung anderer EE hinaus? Hauptsache das letzte Wort haben wollen.

  6. 65.

    Irren ist Menschlich, bei Ihnen scheint es eher Vorsatz zu sein:
    https://www.energiewendebauen.de/forschung-im-dialog/neuigkeiten-aus-der-forschung/detailansicht/wirtschaftsminister-altmaier-gibt-gewinner-bekannt
    https://www.fg.de/fg-forevergreen/news/aktuell/aktuell-detailansicht/article/umweltminister-altmaier-will-weitere-geothermie-standorte-pruefen.html

  7. 64.

    Hat Ihnen Ihr Festkörperphysiker nicht verraten, dass auch Vattenfall an einer Wärmewende arbeitet und vorlaufend neue Projekte wie z.B. die "Thermoskanne" anschließt?
    https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2022/07/berlin-groesster-waermespeicher-deutschland-vattenfall-wasserstoff-energie.html

  8. 63.

    Der Forist scheint kein Freund von Zahlen zu sein, dann taucht er ab und flüchtet ins Ungefähre. Es bleibt abzuwarten, wie der neueste Habeck-Vorstoß, Gebiete mit zentraler Wärmeversorgung von seinem Gesetz herauszunehmen, politisch begleitet wird. Physikalisch ist das wenig begründbar, solange Vattenfall als dominierender Anbieter von Fernwärme seine Wärmekraft über das Verbrennen von fossilem Treibstoff erzeugt. Sicherlich ist bei der großtechnischer Erzeugung der Wärme der Wirkungsgrad am Ort der Verbrennung etwas besser, dem stehen dann allerdings die Leistungsverluste bei der Verteilung bis zum Endverbraucher gegenüber. Es ist halt dieselbe Problematik, wie bei der Luft-Wasser Wärmepumpe, entscheidend ist der Energiemix bei der Erzeugung, ob nun für den Strom der Wärmepumpe oder für die Wärme beim Fernwärmebetreiber.

  9. 62.

    Für Ihre alternativen Fakten werde ich bestimmt nicht nach nicht vorhandenen Nachweisen suchen. Geben Sie doch einfach zu, dass Sie sich geirrt haben und Geothermie zu Heizzwecken unter Merkel keine bevorzugte Förderung genossen hat. Und hören Sie bitte mit Ihren Unterstellungen a la Energiewendeskeptiker auf, wenn Ihnen die Argumente ausgehen.

  10. 61.

    Sue hinken der Zeit hinterher. Rechnen Sie einfach die 10%-Punkte hinzu, die die "Thermoskanne" für Ihre West--Berliner Insel als Fernwärme aus EE bereit stellt.

  11. 60.

    Ist doch schon in verschiedenen Medien über den Grünen-Flop berichtet worden. Ist jetzt ein Running Gag. Auch Habecks neueste Vorstellungen, das umstrittene Gebäude-Energie-Gesetz abdämpfen mit einer Fernwärme-Offensive (Pro Jahr 100.000 Gebäude neu ans Wärmenetz ) ist von ähnlicher Machart, erstens unrealistisch und zweitens CO2 mäßig unwirksam. Wie seine Wärmepumpe. Denn für den CO2 Ausstoß spielt es keine Rolle, ob fossile Energieträger bei Vattenfall im Fernwärmeheizkraftwerk oder im Hause im vorhandenen Gasbrenner der Heizungsanlage verfeuert werden.

  12. 59.

    Wo haben Sie denn knapp 20 % EE her? In dem Link habe ich nichts davon gefunden. Der Brennstoffmix der Berliner Fernwärme betrug im Geschäftsjahr 2021 mit über 90 % fossile Anteile. Ihr Link zum Hochglanzmaterial der Marketingabteilung von Vattenfall ist für die Beantwortung dieser Frage ungeeignet.

  13. 58.

    Vielleicht ist das ein Vorbild einer anderen Stadt für Berlin:
    https://www.nzz.ch/zuerich/kantonsrat-entscheidet-zuerich-soll-tiefe-geothermie-foerdern-ld.1728003

  14. 57.

    Wenn Sie speziell die West-Berliner Insel meinen ... Absicht, dass Sie die aktuelle Entwicklung unterschlagen?
    https://xn--wrme-loa.vattenfall.de/berlin/waermewende/

  15. 56.

    Der Brennstoffmix der Berliner Fernwärme gestaltete sich im Geschäftsjahr 2021 wie folgt:[7]

    77,1 % Erdgas
    14,6 % Steinkohle
    ..
    0,8 % Heizöl
    ..
    Wo haben Sie denn knapp 20 % EE her?

    https://de.wikipedia.org/wiki/Vattenfall_W%C3%A4rme_Berlin


  16. 55.

    Informieren schützt vor blamieren! Die wollen oberflächennahe Geothermie nutzen, hier geht es jedoch um tiefe Geothermie. Bei der Entkernung und Generalsanierung wollen die für die Wärmepumpe im Hinterhof nur ein paar Meter in die Erde bohren, mussten aber aber lange Zeit auf die behördlichen Genehmigungen warten.

  17. 54.

    Habe schon vor Jahren an mir selbst (Nase) Tiefenbohrungen durchgeführt.
    Und ja es stimmt!
    Je tiefer ich mit dem Finger kam, um so wärmer wurde es.
    Heute nennt man so was: Jugend forscht.
    Zu DDR-Zeiten gab es die MMM (Messe der Meister von Morgen)

  18. 53.

    Tiefe Geothermie sowohl für Wärme wie Strom hat sogar der CDU-Umweltminister Altmeier gefördert wie er auch als Wirtschaftsminister Milliarden dafür locker hat machen lassen, auch wenn Sie als Energiewendeskeptikern das zu leugnen versuchen. Spezial für Strom habe ich den Nachweis geliefert, für Wärmeprojekte werden Sie aber auch im Neuland fündig.

  19. 52.

    Und wie wäre es, wenn man anstelle der fossilen Kraftwerke riesige Wärmetauscher setzt bzw Geothermiekraftwerke mit angeschlossen Wärmetauscher. So müsste man doch ein Großteil der Leistung ersetzen können. Dann noch die Wärme der Abwässer nutzen und andere Abwärmequellen wie Rechenzentren.

  20. 51.

    Vielleicht sollte einmal in diesem Zusammenhang über das jahrelange, teure und bislang erfolglose Wunschdenken der Partei " Bündnis 90/ Die Grünen" berichtet werden, was es heißt einen Bestandsbau, nämlich ihre Parteizentrale,
    mittels Erdwärme und Wärmepumpe zu beheizen. Da ist der Wunsch der Vater des Gedanken - wie bei allen "Grünen Phantasien".

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