Schutz vor Blitzen - Nicht auf den Boden legen, auf keinen Fall unter Bäume stellen
Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen: Zum Thema Gewitter kursieren viele Mythen und Halbwahrheiten. In Wirklichkeit können manche gut gemeinten Ratschläge bei Blitz und Donner allerdings lebensgefährlich sein.
- Rund 22.900 Blitze wurden 2022 in Brandenburg registriert
- 95 Prozent aller Blitze treten zwischen Mai und September auf
- Hockstellung mit Armen über den Knien ist optimale Position bei Gefahr im Freien
Ein Baum ist drei Menschen in Lübben (Dahme-Spreewald) in der vergangenen Gewitternacht zum Verhängnis geworden. Die Gruppe hatte bei einem Gewitter Schutz gesucht und die falsche Entscheidung getroffen. Ein Blitz schlug in den Baum ein und verletzte alle drei, eine Person so schwer, dass sie in ein Krankenhaus gebracht werden musste.
Klar ist: Bei herannahendem Gewitter sollte man den Aufenthalt im Freien vermeiden und rechtzeitig geschützte Bereiche aufsuchen. Welche Bereiche unter freiem Himmel Schutz bieten, über diese Frage sind falsche Annahmen offenbar weit verbreitet, wie der Meteorologe Alexander Rudolph vom ARD-Wetterkompetenzzentrum im Gespräch mit rbb|24 sagt.
"Wenn es anfängt zu regnen, laufen viele Menschen unter die Bäume, wo sie angreifbar für Blitze sind", erklärt Rudolph. Zwar sei es unwahrscheinlich, dass Menschen unter Bäumen direkt von Blitzen getroffen würden, es könne aber zu gefährlichen Blitzüberschlägen kommen, durch die der Strom auf Menschen überspringe.
Eichen sollst du weichen - und Buchen auch
Die Baumart ist dabei egal: Der Satz "Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen", ist nach Auffassung des Wetterexperten deshalb nicht nur falsch, sondern im schlimmsten Fall lebensgefährlich. "Bäume bieten schon aufgrund ihrer Höhe eine Möglichkeit zum Ladungsausgleich, das ist das Entscheidende. Von Bäumen sollte man sich bei Gewitter immer fernhalten", sagt Rudolph.
Besonders gefährlich seien Bäume, die buchstäblich allein auf weiter Flur stünden. "Dort ist die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags höher."
Laut Blitzforschern des Verbands der Elektrotechnik (VDE) ist ein Gewitter weniger als zehn Kilometer entfernt, wenn der Donner in Hörweite ist. "Dann sollten umgehend gefährdete Bereiche wie zum Beispiel ein freies Feld oder einzeln stehende Bäume verlassen werden". Bei einem zeitlichen Abstand von zehn Sekunden oder weniger zwischen Blitz und Donner, heißt es Lebensgefahr: "Ein Blitzschlag kann unmittelbar auftreten".
Das ist vor allem im Sommer zu beachten, denn zwischen Mai und September werden den Blitzforschern zufolge mehr als 95 Prozent aller Blitze eines gesamten Jahres gemessen. Die Zahl der Gewittertage und der Blitzschläge pro Quadratkilometer nimmt von Norden nach Süden zu. Laut Blitzatlas wurden in Brandenburg im Jahr 2022 rund 22.900 Blitze registriert, in Bayern fast 60.000. Immer noch klar mehr, wenn man mit einrechnet, dass Bayern deutlich größer ist als Brandenburg.
Wenn Balken und Wände explodieren
In Berlin haben zwei Dachstuhlbrände in der Nacht zu Dienstag gezeigt, welche Schäden Einschläge an Gebäuden hinterlassen können. Im Vergleich zu den 16 Ampere einer Steckdose können bei Blitzen Stromstärken von bis zu 200.000 Ampere fließen. Schmelzende Drähte gehören da zu den kleineren Problemen. Der Blitzstrom kann Gegenstände so stark erhitzen, dass leicht entzündliche Stoffe in Brand geraten oder explodieren.
"Wenn der Blitz seinen Weg über feuchte Wände, Balken oder Bäume wählt, wird schlagartig Wasserdampf gebildet, der wie bei einer Explosion Dächer, Gebäude oder Bäume beschädigt", heißt es vom Verband für Elektrotechnik.
Durch Überspannungen können Blitze über Strom- und Telefonleitungen oder Kabelfernsehen ins Haus eindringen und dort elektrische Geräte beschädigen oder gar zerstören. "Mit dem wachsenden Einsatz immer empfindlicherer Elektronik nehmen auch die blitzbedingten Ausfälle drastisch zu."
Menschen sind in Gebäuden normalerweise trotzdem in Sicherheit, jedenfalls solange außen Blitzableiter montiert sind. In Häusern ohne solche Vorrichtungen sollten Menschen den Kontakt mit allen metallenen Leitungen meiden, die von außen ins Haus führen: Wasser-, Gas-, Strom- und Telefonleitung, Fernwärmeversorgung, Antennenkabel. Auch das Duschen oder Baden sollten während eines Gewitters vermieden werden.
Seit 2016 ist ein Überspannungsschutz beim Bau von Häusern Pflicht. Bei älteren Gebäuden sollten vor allem teurere technische Geräte von den Steckdosen getrennt werden.
Schwere Schäden für den menschlichen Körper
Bei einem Blitzeinschlag ist niemals nur ein einzelner Punkt betroffen - das gilt auch dann, wenn ein Blitz in den Boden einschlägt: In dem Fall breitet sich ein Strom in alle Richtungen aus, wodurch es laut VDE-Experten für Menschen auch in einiger Entfernung noch gefährlich werden kann. Laut einer Statistik des VDE sind zwischen den Jahren 2000 und 2018 durchschnittlich vier Personen pro Jahr in Deutschland bei Blitzunfällen ums Leben gekommen, 110 wurden verletzt.
Für den menschlichen Körper ist ein Blitzeinschlag ein potenziell tödlicher Schock. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass Menschen selbst direkte Blitzeinschläge überleben, weil ein großer Teil der elektrischen Ladung über die Körperoberfläche geleitet wird und der Blitz somit nicht vollständig in den Körper eindringt.
Blitzforschern des VDE zufolge kommt es an den Ein- und Austrittsstellen des Blitzstroms auf der Haut meistens zu Verbrennungen ersten bis dritten Grades. "Nasse Kleider werden aufgerissen, am Körper getragene metallene Gegenstände zeichnen sich auf der Haut ab."
Grundsätzlich sind eine Reihe körperlicher Schäden nach Blitzeinschlägen möglich. In allen vom Strom durchflossenen Körperteilen und im Zentralnervensystem könne es zu Nerven- und Muskellähmungen kommen, heißt es auf der Website des VDE. In der Regel würden diese nach Stunden oder Tagen ohne schädliche Nachwirkungen verschwinden. Allerdings komme es in einigen Fällen auch zu schwerwiegenden Langzeitschäden.
Meteorologe warnt: Nicht hinlegen
Damit Blitze solche körperlichen Schäden gar nicht erst anrichten können, rät der Verband für Elektrotechnik, sich auch im Freien an einige Regeln zu halten. In jedem Fall ist ein Abstand von mindestens einem Meter - besser drei Meter - zu anderen Personen und zu Wänden, Stützen, Metallzäunen und anderen Gegenständen einzuhalten.
Grundsätzlich fernhalten sollte man sich auch von Bäumen, Baumgruppen, Waldrändern, Bergspitzen, Deichen, Holzmasten von Freileitungen. Badende, Wassersporttreibende und Angler sollten bereits beim Aufziehen eines Gewitters das Wasser sowie die Uferzone verlassen und sich in geschützte Bereiche begeben. Während Autos als sogenannte faradaysche Käfige Blitze über die Außenfläche ableiten, gibt es diesen Effekt in Kabrios ebenso wenig wie auf Fahrrädern.
ARD-Meteorologe Alexander Rudolph warnt zudem vor dem verbreiteten Irrtum, sich zum Schutz vor Blitzen im Freien auf den Boden zu legen. "Das Problem ist, dass wenn der Blitz in den Boden einschlägt, die Spannung noch mehrere Meter weit durch einen nassen Boden hindurchdringt. Im Liegen ist die Kontaktfläche größer, deshalb ist es so auch gefährlicher. Auch im Laufen mit weiten Schritten ist die Gefahr erhöht." Die optimale Stellung: kauernd, die Füße nah zusammen, die Arme über die Knie. Das ist zwar unbequem, reduziere aber die Gefahr, von einen Blitz getroffen zu werden, beträchtlich.
Sendung: rbb24 Inforadio, 15.08.2023, 19:30 Uhr