Einmalige Sammlung in Berlin - 50 historische BVG-Busse suchen dringend eine neue Halle
Die Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB) gibt es bereits seit 1989. Eine Gruppe Schrauber kümmert sich um historische BVG-Busse und hält sie intakt. Nun hat die ATB allerdings ein Problem: Sie muss ihre Arbeits- und Lagerhalle verlassen. Von Stefan Oberwalleney
Stefan Freytag schiebt die große, schwere Hallentür auf. Sonnenstrahlen heben die alten MAN- und Büssingbusse aus dem trüben Hallenlicht. Die gelben Doppeldecker aus längst vergangenen Tagen sehen aus, als könnten sie jeden Moment den Motor starten und losfahren.
Ein vergleichbares Bild derart schöner, historischer Busse bietet bestenfalls ein Besuch im Technikmuseum. Doch im Gegensatz zum Museum können diese Busse tatsächlich fahren. Einzelne von ihnen sind jeden Tag im Regelbetrieb der BVG auf der Linie 218 im Einsatz. Andere fahren Schulkinder zum Schwimmen, dienen Hochzeitsgesellschaften oder Bildungsgruppen als Eventfahrzeuge.
Aus "wahrer Liebe" wird Pragmatismus
Dass die Busse einsatzbereit sind, ist Stefan Freytag, dem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB) und seinen Mitstreitern zu verdanken, die ihr Geld und unzählige Arbeitsstunden in die Restaurierung und Erhaltung der alten BVG-Busse investieren. "Wahre Liebe", sagt Stefan Freytag in seinem Blaumann, sei es früher gewesen. Heute sei ein gewisser Pragmatismus eingezogen.
Das liege an der Menge der Busse und der stetigen Arbeit. Angefangen hat alles 1989. Drei Freunde erfüllten sich einen Kindheitstraum und kauften einen alten BVG-Bus, um ihn wieder flott zu machen. Im Laufe der Jahre kamen weitere Hobbyschrauber und Busse dazu. Die Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB) wurde gegründet. 1993 fuhr dann erstmals ein restaurierter, historischer ATB-Bus im Auftrag der Potsdamer Verkehrsbetriebe regelmäßig auf der Ausflugslinie zum Schloss Sanssouci. Das war so etwas wie der Ritterschlag für die Hobbyschrauber.
Alle BVG-Modelle seit 1950 bei der ATB vertreten
Als dann die BVG ihr eigenes Museum auflöste, ging ein Teil ans heutige Technikmuseum, für den Rest bekam die ATB den Zuschlag. Mittlerweile zählen über 50 Fahrzeuge zur historisch einmaligen Sammlung. "Wir haben jedes Model, dass die BVG seit den 1950er Jahren bauen ließ und eingesetzt hat", schwärmt Freytag nicht ohne Stolz.
Ohrenbetäubend laut werkelt Mitarbeiter Florian in einer Ecke der Halle an einem alten Doppeldeckerbus herum. Es sei der Wagen 2892, sagt er mit fachwissendem Blick. Der Bus ist aufgebockt, eigentlich sollte nur schnell der Unterboden saniert werden. Es kam anders: Inzwischen ist die Vorderachse ausgewechselt und der Unterboden komplett hergerichtet. Jetzt fehle noch die Hinterachse und der Motor müsse auch noch ausgebaut werden, sagt er lächelnd.
Dabei vermittelt der Mann, der eigentlich bei den Berliner Wasserbetrieben als Fachkraft für Rohrkanal- und Industrieservice arbeitet, den Eindruck, dass er darüber gar nicht einmal so unglücklich ist. Zeit ist bekanntlich relativ und bei 714 Arbeitsstunden, die Florian im letzten Jahr mit den Bussen verbracht hat, kommt es auf ein paar mehr ohnehin nicht mehr an.
Alte Busse fallen auf
Auf der Havelchaussee sei Stefan Freytag regelmäßig mit einem der historischen Busse auf der Linie 218 regulär für die BVG im Einsatz. Manchmal, erzählt er, - wir sprechen gerade über die Umweltverträglichkeit der großen Gelben - hielten sich die Radfahrer die Nase zu und würden ihn angewidert anschauen. Das könne er verstehen, es seinen eben alte Fahrzeuge. Andererseits könnten die Radfahrer ja eigentlich auch kurz mal warten, bis er weg ist, sagt er und zieht sogleich ein schelmisches Gesicht auf.
Einmal habe auch ein Radfahrer furchtbar geschimpft, vielleicht aus alter Gewohnheit. Jedenfalls sei er damals mit einem zum Elektrobus umgebauten Fahrzeug unterwegs gewesen und da habe definitiv nichts gestunken. Aber so sei das eben. Und überhaupt: Seine alten Busse wiegen mit 90 bis 100 Fahrgästen an Bord 16 Tonnen. Aktuelle Modelle der BVG bringen dies Gewicht ohne eine einzige Person auf die Waage. Dafür haben sie dann eine Klimaanlage. "Ich brauch's nicht", sagt Freytag. Beim Thema Technik kann er sich in Rage reden.
Ersatzteile nur schwer zu finden
Auf jeden Fall kämen die historischen Busse, wann immer sie fahren, großartig bei den Berlinerinnen und Berlinern an, sagt er abschließend. "Die Menschen freuen sich, erinnern sich und erfahren, wie es früher war." Dadurch entstehe durchaus ein Gemeinschaftsgefühl in den Bussen, das auch die anderen BVG-Busfahrer spürten, wenn sie plötzlich wieder in ihren modernen Bussen begrüßt würden. Das sei doch ein wunderbarer Effekt und tue Berlin gut.
Wieder kreischt es durch die Halle, weil irgendwo geflext wird. Die Ersatzteilbeschaffung werde zunehmend schwieriger, klagt Stefan Freytag. Ohne Internetrecherche und das große eigene Ersatzteillager wären längst nicht alle Busse einsatzfähig. Und hier verfinstert sich die Mine des gutgelaunten Mannes.
Schrauber müssen aus Halle
Die ATB hat ein Riesenproblem: Der Hallenmietvertrag in der Daumstraße endet am 31. Oktober. Die Hallen kommen weg und Wohnungen sollen gebaut werden. Eine neue Halle zu einer vergleichbaren Miete zu finden, das sei in Berlin schlichtweg unmöglich, so Freytag. Als Übergang haben sie eine Halle in Rathenow angemietet, aber "wie soll das funktionieren?", fragt er achselzuckend.
Der Weg von Rathenow nach Berlin ist in jeder Hinsicht zu weit, 80 Kilometer. "Wenn sich nichts ändert, ist es vermutlich das Ende." Bleibt als Fünkchen Hoffnung nur, dass sich vielleicht doch noch jemand meldet und den historischen Bus-Schraubern eine neue Halle anbietet. Die Hoffnung sterbe bekanntlich zuletzt, sagt Freytag und ringt sich ein gequältes Lächeln ab. Zweckoptimismus. Ob er selbst noch daran glaubt?