Wechsel zu Grundschulen - Musikschulen laufen die Lehrer weg

Do 11.04.24 | 17:08 Uhr
  9
Musiklehrer Felix Naglatzki, im Hintergrund dirigiert eine Bläsergruppe an der Musikschule Guben. Im Vordergrund sind die Köpfe von Schülerinnen von hinten zu sehen (Foto: rbb/Screenshot)
Audio: Antenne Brandenburg | 11.04.2024 | Daniel Friedrich | Bild: rbb/Screenshot

Klavier lernen - nur von wem? Brandenburgs Musikschulen suchen Fachkräfte. Doch die Honorare sind bescheiden und es gibt kaum feste Anstellungen. Deshalb satteln immer mehr Lehrer um. Von Daniel Friedrich und Martin Schneider

Die Musikschulen im Land Brandenburg haben offenbar immer mehr Probleme, Lehrer zu finden beziehungsweise zu halten. "Vor allem Lehrkräfte der Elementaren Musikpädagogik gehen an Grundschulen", teilte das Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur dem rbb auf Nachfrage mit.

Aus Gesprächen mit dem Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg und im Rahmen von Musikschulleitertagungen wisse das Ministerium, dass "in den vergangenen Jahren Musikschullehrkräfte über Quereinstiegsmodelle nun an allgemeinbildenden Schulen unterrichten", heißt es weiter. Genaue Zahlen könne das Ministerium nicht nennen. In welchem Umfang die angespannte Lehrkräftesituation an Musikschulen aber auf die Abwanderung von Lehrern an Grundschulen zurückzuführen ist, könne das Ministerium nur schwer einschätzen, heißt es.

Der Leiter der Musikschule Guben, Andreas Zach, im Gespräch über ein Instrument (Foto: rbb/Screenshot)
Musikschulleiter Andreas Zach | Bild: rbb/Screenshot

Zwei Kollegen, unterschiedlich bezahlt

30 anerkannte Musik bzw. Musik- und Kunstschulen gibt es in Brandenburg, die städtische Musikschule "Johann Crüger" in Guben (Spree-Neiße) ist eine davon. Auch sie hat mit solchen Abgängen zu kämpfen, sagte Leiter Andreas Zach dem rbb. "Wir haben in den vergangenen Jahren zwei Kolleginnen an die Grundschulen verloren, die bei uns ein relativ großes Unterrichtsdeputat unterrichtet haben." Gelockt habe die feste Anstellung im Schuldienst, so Zach. "Das ist ohne Frage sehr viel attraktiver."

Das weiß auch Felix Naglatzki. Der 35-Jährige leitet aktuell mehrere Bläserklassen, unter anderem in Guben, und ist auf Honorarbasis angestellt. Er wird also pro Unterrichtsstunde bezahlt. Zusammen mit einer Grundschulkollegin bringt er in Guben Fünft- und Sechstklässlern Noten, Taktgefühl und Spieltechnik bei. Doch zwischen beiden Lehrern gibt es einen entscheidenden Unterschied. Die Grundschullehrerin ist festangestellt und verdient dadurch monatlich rund 1.000 Euro mehr als Naglatzki.

Felix Naglatzki dirigiert eine Bläsergruppe an der Musikschule Guben (Foto: rbb/Screenshot)
Felix Naglatzki dirigiert eine Bläsergruppe | Bild: rbb/Screenshot

Hinzu kommt, dass in den Schulferien kein Unterricht stattfindet. Für freie Mitarbeiter wie Felix Naglatzki gibt es in dieser Zeit auch kein Geld. Im Jahr summiere sich das auf rund drei Monate ohne Einkommen, sagt er. Er müsse im restlichen Jahr so viel verdienen, dass er in diesen rund drei Monaten über die Runden kommt. Auch bei Krankheit gebe es kein Geld. Zudem muss er sich um seine Rente selbst kümmern.

"Das Problem, was da entsteht, ist, dass wir keinen Nachwuchs an Musiklehrern haben, weil dieser Job einfach wahnsinnig unattraktiv ist", so Naglatzki. Keiner wolle Musiklehrer werden. "Viele meiner Kommilitonen sind auf allgemeinbildende Schulen umgesattelt, weil sie keinen Bock mehr auf dieses System hatten."

Nicht nur für die Lehrkräfte ist es eine schwierige Situation, auch für die Musikschule ergebe sich daraus eine Unsicherheit, so Schulleiter Zach. Angestellte Lehrer seien "immer verfügbar, haben auch untereinander mehr Kontakt, können gemeinsam Projekte planen und sind natürlich viel enger in den gesamten Musikschulbetrieb eingeplant." Die Schule wäre dann in der Lage, "eine viel, viel bessere Qualität zu liefern", so Zach.

Finanzielle Frage - auch für die Eltern

Dass nicht mehr Lehrer festangestellt werden, ist laut dem Schulleiter eine Geldfrage. Viele Kommunen könnten es aus eigener Finanzkraft nicht schaffen, alle Lehrer fest anzustellen. "Man muss beachten, dass die Eltern auf der anderen Seite den Unterricht auch bezahlen können müssen", so Zach.

Zuletzt haben viele Musikschulen ihre Honorare etwas angehoben, auch die in Guben. Freie Mitarbeiter bekommen dort seitdem 36 Euro pro 45-minütiger Einzel-Unterrichtsstunde. "Ich glaube, da liegen wir, ohne dass ich es genau nachgeprüft habe, in Brandenburg ganz weit vorn", so Zach.

Musikschulverband: Land ist in Pflicht

Zach würde sich für alle Kollegen eine Festanstellung wünschen. "Das ist aber nur mit einer adäquaten finanziellen Beteiligung des Landes möglich", so der Musikschulleiter. In Guben sei das Engagement der Kommune groß, ihr Anteil liege bei über 50 Prozent. Das Land gibt Geld für die Personalkosten dazu, dieser Anteil liege zwischen zehn und 13 Prozent. "Eigentlich liegt er sogar noch viel niedriger, bei unter zehn Prozent, wenn man betrachtet, dass auch ein Musikschulgebäude Kosten verursacht und unterhalten werden muss. Das ist noch gar nicht mit eingerechnet."

Auch Winnetou Sosa, der Geschäftsführer vom Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg, sieht das Land in der Pflicht, den Trägern der Musikschulen mehr Geld dazuzugeben. Er fordert einen eigenen Fonds, damit Musikschulpädagogen beim Gehalt auf dem gleichen Niveau landen wie Grundschulpädagogen.

Mehr Hilfe vom Land scheint laut Kulturministerium in Sicht zu sein. "Wir streben im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen an, dass sich das Land durch eine Erhöhung der gesetzlichen Musikschulförderung an den Mehraufwendungen der Träger für höhere Vergütungen und die Umwandlung von Beschäftigungsverhältnissen auf Honorarbasis in abhängige Beschäftigungsverhältnisse angemessen beteiligt", heißt es in der Antwort an den rbb.

"Das ist etwas fürs Leben"

Mehr Gehalt wünscht sich auch Musikschullehrer Felix Naglatzki, damit er sein Einkommen nicht noch durch Konzertauftritte an Wochenenden aufbessern muss. Der Wechsel zu einer Grundschule komme für ihn aber nicht infrage, sagt er. Er mache den Job "mit Herz und Seele", habe Spaß und bekomme viel von den Kindern zurück. "Und wenn man das erste Mal mit ihnen auf der Bühne steht… was von Eltern wiederkommt und die Kinder sind voller Stolz... das ist einfach etwas fürs Leben."

Der 35-Jährige will den Job bis zum Lebensende machen, sagt er. Und schiebt hinterher "Vorausgesetzt, es gibt dann irgendwann mal ein bisschen mehr Geld."

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.04.2024, 15:40 Uhr

9 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 9.

    Nein, Herr Kollege, das was Sie erwähnen ist zwar richtig, doch kennen Sie die Situation der anderen Seite? Waren Sie schon einmal Freiberufler über Monate und Jahre? Sie würden anders reden. Ich kenne beide Seiten und mache den Job mit Herz und Seele, engagiere mich sehr als fest angestellter Lehrer und habe die Sicherheit bei Krankheit, bekomme bezahlten Urlaub und ein 13. Monatsgehalt und bin sehr dankbar dafür! Das, und eine gesicherte, gute Rente, vielleicht sogar Beamtenstatus, haben Freiberufler nicht! Auch bei materiellen Werten sind Sie ganz vorne, Freiberufler nicht! Sie sollten mehr Ehrfurcht und Achtung vor anderen Menschen und deren Arbeit haben! Mit freundlichen Grüßen Ingo Einicke

  2. 8.

    Der Lehrer an einer Schule muss für sein Geld wesentlich mehr arbeiten als ein Musikschullehrer. Da sind zum Beispiel Elterngespräche zu führen und Klassenarbeiten und Tests zu korrigieren. Deshalb ist das höhere Gehalt des Grundschullehrers angemessen.

  3. 7.

    Es wird Zeit das solch ein wertvoller Musikunterricht an Schulen fest angeboten wird. So viele Studien die belegen wie wichtig es ist, statt dessen wird gestrichen in der Schule. Dann würden alle ein anständiges Gehalt bekommen und auch Kinder deren Eltern nicht viel Geld haben kämen in den Genuss ein Instrument zu lernen. Ohne ein Papierkrieg zu führen um ihn zu beantragen. Das Musikschulenprinzip ist Ausbeutung der Lehrer ohne Perspektive!

  4. 6.

    Wenn an staatlichen Schulen Musiklehrer fehlen, ist der Unterricht für viele Schüler nicht gewährleistet. Die sitzen ja bekanntlich vormittags in der Schule.
    Ich sehe hier den Vorschlag von@1 interstellar nicht als die übelste Idee an und glaube, es wird möglich sein, nach dem regulären Unterricht in den Räumen
    der Schule eine AG Musik anzubieten oder eben den Musikraum für außerschulischen Musikunterricht zur Verfügung zu stellen. Wenn der Musiklehrer einverstanden ist, das gemeinsame Musizieren gefördert wird und ein Unterricht im Quartett die Eltern finanziell entlastet und dem Lehrer trotzdem was bringt, warum nicht?! Das gab es schon vor 25 Jahren an den Schulen in Brandenburg.

  5. 5.

    Ich kann nur sagen, in den privaten Musikschulen (eine nochmal andere Situation) in Berlin-Pankow bekommen wir, Lehrkräfte, für 45 Min. Unterricht zwischen 21 und 25 Euro.

  6. 4.

    Bei der Vergütung für 45 min pro Unterrichtsstunde ist auch einbezogen, dass zusätzlich der Unterricht vorbereitet, Gespräche mit Eltern geführt, Instrumente geübt, Abrechnungen gemacht,... werden müssen: also 36 Euro für 90, 120 min!

  7. 3.

    Das zuständige Ministerium weiß nicht, wie viel Musikschullehrkräfte als Quereinsteiger an allgemeinbildenden Schulen unterrichten?
    Was ist denn da los?

  8. 2.

    36,- € für 45 Min. Arbeit? Dafür steht ein HSK-Installateur nicht mal auf.

  9. 1.

    Vielleicht auch 4 Schülerinnen in einer Stunde unterrichten und auf das gemeinsame Musizieren hinarbeiten und die Kosten für die Eltern etwas senken?

Nächster Artikel