Wildnisgebiet bei Luckenwalde erweitert - Hier darf Brandenburg unberührt bleiben
Was passiert eigentlich, wenn der Mensch die Natur komplett in Ruhe und sich selbst überlässt? Das können Wildnisgebiete zeigen. Bei Luckenwalde gibt es nun 600 Hektar mehr davon auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Heidehof.
Noch wachsen auf den neuen Flächen des Wildnisgebiets Heidehof bei Luckenwalde (Teltow-Fläming) vor allem Kiefern. Doch in den kommenden Jahren soll durch vorsichtigen Waldumbau die Monokultur verschwinden. Danach – in spätestens zehn Jahren – wird die Fläche frei von menschlichem Einfluss sein und sich selbst weiterentwickeln können.
10,5 Millionen Euro hat die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg dafür aus dem Wildnisfonds des Bundesumweltministeriums erhalten. Damit kaufte sie 600 Hektar auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Heidehof von privaten Waldbesitzern und konnte das bereits bestehende Wildnisgebiet auf insgesamt 3.400 Hektar erweitern. Schon seit einigen Monaten darf das Gebiet nicht mehr bejagt werden und auch die forstwirtschaftliche Nutzung ist nun ausgeschlossen.
"Wir greifen überall ein als Menschen und nur, wenn wir der Natur auch großflächig Raum geben, sich selbst zu organisieren und sich ungestört zu entwickeln, kann Klimaanpassung funktionieren", sagte der Stiftungs-Geschäftsführer Andreas Meißner bei einer Begehung dem rbb.
Wildnisgebiet soll zugänglich für Besucher bleiben
Das natürliche System Wildnis dabei zu beobachten, wie es sich selbst neu ausrichtet, sollen auch Besucher können. Zwar sind nun keine Eingriffe in die Natur mehr vorgesehen, erlebbar bleiben soll sie dennoch, so Meißner: mit Wanderwegen, Veranstaltungen und Führungen.
Das Bundesamt für Naturschutz definiert Wildnisgebiete als "ausreichend große, weitgehend unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete, die dazu dienen, einen vom Menschen unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse dauerhaft zu gewährleisten."
Von solchen Naturräumen gibt es in Deutschland und weiten Teilen Mitteleuropas heutzutage fast keine mehr, die der ursprünglichen Wildnis entsprechen.
Brandenburg muss noch 30.000 Hektar Wildnis ausweisen
Mit einem Bundesgesetz hat Deutschland es sich zur Aufgabe gemacht, zwei Prozent seiner Gesamtfläche zu Wildnisgebieten zu erklären. Die zugehörige "Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt" hat die Bundesregierung schon 2007 beschlossen. Das gesteckte Ziel sollte eigentlich im Jahr 2020 erreicht sein, wurde jedoch verfehlt. Aktuell sind 0,7 Prozent der Fläche als Wildnis deklariert.
In Brandenburg entspricht das Zwei-Prozent-Ziel etwa 60.000 Hektar. Die Hälfte davon, also ein Prozent der Landesfläche, ist bereits Wildnis. 30.000 weitere Hektar fehlen also noch.
Trotzdem ist das Bundesland schon weit, findet Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis90/Grüne). "Wir haben bisher das Ziel noch nicht erreicht, aber Brandenburg ist Vorreiter", sagte sie dem rbb.
Flächen wie Heidehof seien wichtig, damit sich biologische Vielfalt entwickeln könne und in solchen Landschaften "auch Kohlenstoff CO2 eingespeichert werden und der Wasserhaushalt stabilisiert werden kann", sagte Lemke.
Widerstand gegen Wildnisgebiet im Spreewald
"Auch wenn sich das Ergebnis teilweise erst den nachfolgenden Generationen zeigen wird, müssen wir jetzt damit anfangen, denn sonst ist der Verlust der Artenvielfalt nicht aufzuhalten", sagte Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis90/Grüne).
Um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, seien Flächen im Landeswald identifiziert worden, die zu Naturwaldentwicklungsflächen werden können. Große Potentiale für die Wildnisentwicklung biete zudem die Bergbaufolgelandschaft.
Doch es gibt auch Gegenwind. So waren Flächen im Spreewald vom Land als Wildnisgebiete vorgesehen. Dagegen gab es Widerstand aus Tourismus und Forstwirtschaft, eine Bürgerinitiative hatte sich gebildet, das Ansinnen wird vorerst nicht umgesetzt.
Wildkatze könnte sich in dem Gebiet niederlassen
Das nun erfolgreich vergrößerte Areal im Landkreis Teltow-Fläming liegt im Naturschutzgebiet Heidehof-Golmberg und beherbergt viele seltene Tierarten wie Ziegenmelker und Hirschkäfer, Nachtschwalbe, Wolf und Becherflechte, Heidelerche und Sumpfohreule. Auch die seit dem vergangenen Jahr im benachbarten Wildnisgebiet Jüterbog nachgewiesene Wildkatze könnte sich hier perspektivisch gut niederlassen.
Die zwei neu erworbenen Flächen sind frei von Straßen und Bebauung und nur von wenigen Forstwegen durchzogen. Stattdessen gibt es Kiefernwälder, steppenähnliche Landschaften mit Heide, Sanddünen, Trockenrasen und junge Birkenbestände.
Die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg besitzt und verwaltet insgesamt über 14.350 Hektar Fläche auf den ehemaligen Truppenübungsplätzen Heidehof, Jüterbog (Teltow-Fläming) und Lieberose (Dahme-Spreewald) und Tangersdorf (Uckermark). Sie wurde im Jahr 2000 gegründet und ist nach eigenen Angaben eine der größten privaten Eigentümerinnen von Wildnisgebieten in Deutschland.
Förderungen aus dem "Wildnisfonds" bis Ende 2030 möglich
Das Förderprogramm "Wildnisfonds" wurde 2019 vom Bundesumweltministerium ins Leben gerufen. Im Jahr 2023 wurden daraus sieben Projekte mit einer Gesamtgröße von 1.051 Hektar mit mehr als 18 Millionen Euro gefördert. Davon entfallen allein rund 17,3 Millionen Euro auf Projekte in Brandenburg, wo vier der sieben geförderten Flächen liegen.
Eine Förderung über den "Wildnisfonds" ist noch bis zum 31.12.2030 möglich. Stiftungen und Naturschutzorganisationen können damit Wald-, Moor-, oder Auenflächen kaufen, die mindestens 500 Hektar groß sind und sich wild entwickeln sollen ohne Nutzung durch Menschen.
Mit Material von Alexander Goligowski
Sendung: Antenne Brandenburg, 22.05.2024, 6:30 Uhr