Älter als die Microsoft-Sanduhr - Ein Faxencheck

Sa 08.06.24 | 17:01 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
  35
Ein Faxgerät (Quelle: dpa/Kai-Uwe Wärner)
Bild: dpa/Kai-Uwe Wärner

Das Fax hat ausgedient - könnte man denken. Der Bundestag will seine Fax-Geräte abschaffen. Berlin "verzichtet auf eine landesweite Vorgabe", wohl aus gutem Grund. Schließlich piept und rattert es in Berlins Amtsstuben, was das Fax hergibt. Von Stefan Ruwoldt

Dieser Text über das langsame Sterben des Fax' könnte einfach nur aus Überschriften bestehen. Aus holprigen Wortspielen. Es gibt keinen Nachrichtkern. Dieser Text hier hat nur weiter offene Fragen: Warum gibt es das Fax noch? Sind Faxgeräte überhaupt noch erlaubt? Was war zuerst da - das Faxgerät oder das Rad? Wer hier weiterlesen will, sollte wissen: Wir haben auf diese Fragen keine Antworten gefunden.

"Sicherstellung der zeitnahen Zustellung" begründet das Krankenhaus des Maßregelvollzugs Berlin die Nutzung des Fax

Bevor wir aufzählen, warum das Fax noch lebt - vor allem in den Berliner Behörden -, zitieren wir noch schnell ein paar alternative Überschriften, die wir nicht genommen haben, andere Medien aber schon: "Keine Faxe(n) machen" (LinkedIn). "Faxen verboten" (www.daproserv.com). "Verwaltung hat die Faxen dicke" (Tagesspiegel) oder ganz groß: "Schluss mit den Faxen" (Frankenpost).

Was aber steht jetzt da oben in der Überschrift? - Genau: "Ein Faxencheck" - die hatte noch nie einer. Berlin will moderner und schneller werden, genauer: noch moderner und noch schneller. Die Stadt hat dafür ihre Verwaltung auf den Prüfstand gestellt. Gerätemäßig. Das war vor gut einem Jahr, also 2023. Und Berlin stellte dabei fest, dass zu viele Faxgeräte der Verwaltung einen modrigen Duft verleihen. Mehr als ein Jahr ist vergangen, wo also steht Berlin heute faxmäßig? Vorweggenommen: Es hat sich noch nicht viel verändert.

189 von 731 Verwaltungsdienstleistungen können ausschließlich (!) per Fax ergehen

Der Anlass dieses besonderen Gerätechecks des Senats - damals neu im Amt mit großem Besen in der den schwarz-roten Händen) war eine kleine Anfrage der FDP. Nach 17 Tagen Zählung veröffentlichte die Digitalisierungssenatsverwaltung, die außerdem noch für Sport und Inneres zuständig ist, ihre Bilanz.

Die Behörde hatte sich für die Antwort an die FDP auf den Weg durch ihre Büros, Flure und Kammern gemacht und auch die Bezirksgebäude gefilzt und alles zusammengezählt. Das Ergebnis trug dann die ziemlich gewollt symbolische Überschrift: "Faxe dicke!", also ohne "n" am Ende von "Faxe", wohl weil in den Berliner Verwaltungsbüros immer noch gerne viel, piepend oder geräuschlos gefaxt wird.

Die Zählung ergab, ausgewertet auf 83 DIN-A4-Seiten, dass 189 von 731 Verwaltungsdienstleistungen ausschließlich (!) per Fax ergehen können. 5.333 Faxgeräte standen 2023 noch in den Berliner Verwaltungen, 3.263 davon in den Senatsverwaltungen. Und viele der darauf verschickten Faxe werden wohl vor allem intern genutzt, wie es in der Antwort hieß.

Besonders schön: Die Behörden lieferten auch gleich Begründungen für die Nutzung des Faxes. Nachzulesen hier, ab Seite 38 und vielen, vielen folgenden [pardok.parlament-berlin.de].

Ein tragbares Faxgerät (Quelle: dpa/Holger Hollemann)

"Schnelle Kommunikation" lobt die Jugendarrestanstalt Brandenburg

Denn abgefragt wurde dabei auch, warum und wofür die Faxe verschickt werden. Die Antwort etwa des Bezirksamts Mitte lautete, dass das Fax "Grundlage für die Kommunikation mit anderen Berliner Verwaltungen" sei. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz erklärte, dass das Katastrophenschutzgesetz vorschreibe, dass mit dem Fax eine "Rückfallebene im Notfall" vorliege. Das Fax als Möglichkeit, dass da noch was Handfestes übrig ist - im Notfall.

Diese Selbstversicherung der Behörden, mit der Faxübermittlung auf einem guten und sicheren Weg zu sein, begann in den 1990er Jahren. Der Kommunikationshistoriker Frank Gnegel, Sammlungsleiter des Museums für Kommunikation Frankfurt am Main, erklärt, dass in Deutschland das Fax nur sehr sehr langsam eingeführt wurde, etwa zwischen 1974 bis 1976. Nur wenige Geräten wurden damals bundesweit gezählt. Dann 1978 seien es etwa 1.000 gewesen und Ende der 80er dann immerhin 100.000. "Hochgeschnellt ist die Zahl fünfzehn Jahre später: Zur Mitte der 90er gab es dann in Deutschland eine Million Geräte. "In den 2000ern aber wurde das Fax schon vom Computer überholt und die Faxnutzung ging zurück, wie Gnegel erklärt.

Für "Eilige Bearbeitung" nutzt das Berliner Kammergericht das Fax

Der Grund für die Einführung sei einfach gewesen, sagt Gnegel: "Beschleunigung. Ganz einfach. Also genau so, wie bei vielen Erfindungen. Vorher gab es da ja nur den Brief." Das Telegram war auf wenige Zeichen und Wörter reduziert, teuer und kompliziert, Fernschreiber in der Verbreitung begrenzt und teuer wegen der notwendigen eigenen Leitungen. "Das Fax aber war eine klare Weiterentwicklung des Telefons: Überall, wo eine Telefonleitung war, war nun Faxen möglich." Nach ein paar Augenblicken hatten Versender und Empfänger, wenn alles gut ging, das gleiche Dokument in den Händen - Original und Kopie. Eine hohe Ehre für das Fax. Aber halt nur damals, in den 90ern und 2000ern.

Allerdings waren Qualitätseinbußen auch ein Nachteil gegenüber dem Brief. Die Schnelligkeit hatte ihren Preis. Das Fax wurde zur Krücke für den Brief. "Bei Gerichten gilt das Fax dann - und nun schon seit Jahrzehnten - als Schriftstück und als 'fristwahrend eingegangen' mit einem gültigen Zeitaufdruck", so Gnegel. Sicher, also mit Eingangsbestätigung und mittlerweile auch verschlüsselt, geht die Kommunikation eigentlich auch bereits per Mail. "Aber weil es da in der Startphase Probleme gab, blieben manche Behörden beim Fax", so Gnegel. Bis heute.

"Es gilt als sicheres Kommunikationsmittel" sagen die Ordnungsbehörden der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales

Schneller, papierlos und leichter abspeicherbar geht seit Jahrzehnten bereits die E-Mail-Kommuniktion, also warum dauert die Umstellung von Fax auf die E-Mail so langsam? - "Das ist keine Faxbesonderheit", sagt Gnegel. Sicherheit, Bearbeitungseffizienz und billigerer Versand seien Behördenargumente, die auch für das Fax gegenüber dem Brief vor rund 30 Jahren galten. Wichtig sei doch: Was will man mit einer Abschaffung oder der Ablösung durch etwas anderes erreichen, fragt Gnegel und liefert die Begründung der Behörden für die Faxabschaffung: "Man will keine analogen Nachrichten mehr empfangen." Doch das stimme so nicht, widerspricht Gnegel. "Brief ist auch analog, muss aufgerissen, sortiert und abgeheftet werden." Den Brief aber abzuschaffen - das traue sich niemand, so Gnegel. "Diese jetzt forcierte Faxabschaffung ist nicht inklusiv. Denn mit der Faxabschaffung werden wie beim Brief Leute von der Kommunikation ausgeschlossen."

Gnegel fragt: "Was stört am Fax? - Wer noch ein Fax-Gerät hat wie eben fast alle Behörden, kann doch die wenigen Faxe auch verarbeiten - das stört nicht mehr als etwa die Verarbeitung von Briefen. Die Geräte sind da, ein bisschen Strom und Tinte, sonst keine Kosten." Laut Gnegel gehe es hier um etwas anderes: "Die Arbeit wird auf den Versender übertragen. Die Schreiben sollen so schneller kanalisiert werden, die Angaben darin strukturiert und leichter zu verarbeiten." Behördenarbeit, die der Versender übernehmen soll, nicht mehr der Empfänger. "Effizienzgewinne hat hier nur der Empfänger, also die Behörden."

"Ausfall der IT bzw. der Mail-Funktionalität" führt das Berliner Kammergericht ins Feld

Gnegels Rat an die Behörden und damit auch an die Faxjäger der Berliner Verwaltung lautet "Im Grunde könnte man einfach darauf vertrauen, dass das Fax ausstirbt. Auch Fernschreiber sind längst verschwunden. Das Vertrauen auf das Fax und seine Nutzung sind ein Generationenproblem. Meine jugendliche Tochter kennt kein Fax. Sie ist digital unterwegs. Die Fans des Fax sitzen überwiegend in der Generation 50 plus."

Und der Kommunikationsexperte stellt auch das Geldargument infrage: Die Kosten für Faxgeräte seien nicht so hoch. "Man kann technisch sehr leicht Faxe schon nach Eingang mit Geräten digitalisieren, ohne dass man Papier anfassen muss." Bei der Stadt Frankfurt am Main etwa hieß es, dass die Verwaltung dort ihre Faxbestückung von 2.000 auf 700 reduziert." Die Frage aber sei doch: "Wo stehen die Geräte, faxen sich die Mitarbeiter vielleicht auch einfach gegenseitig Dokumente? Für Schlagzeilen sorgte ja, dass das Robert-Koch-Institut in der Corona-Zeit für die Sammlung der Infektions-, Erkrankungs- und Hospitalisierungsstatistiken Faxe mit Zahlen bekam. Aber die Alternativen wären ähnlich aufwändig gewesen, etwa mit diversen Schnittstellen für IT-Systeme, mit der Software, die dann bei allen gleich sein muss." Das ist reichlich rhetorisch, so Gnegel über die Fax-Jäger. "Die anderen sind die rückschrittlichen, wir die modernen, digitalen. Aber hier gibt es neue Hürden und Fehlerquellen: die der IT."

"Bewährte Abläufe" hebt das Bezirksamt Treptow-Köpenick hervor

Welcher Weg für die schriftliche Kommunikation sich als der praktikabelste für alle durchsetzt, sei nur schwer zu sagen, erklärt Gnegel: "Wahrscheinlich verschwindet das Fax von allein, wenn also eine gewisse Schwelle der Nichtnutzung überschritten ist.

Der Bundestag arbeitet daran, die Bayerische Staatsregierung auch. So werden es immer weniger und am Ende gehen die übrigen Geräte kaputt, und das war es dann.

Die aktuelle Antwort auf die Anfrage beim Senat, wie weit die Entfaxung der Verwaltung läuft, lautete jetzt im Frühjahr 2024, ein Jahr nach der großen Zählung: Neue Zahlen seien nicht erhoben worden. "Diese könnten nur mit erheblichem Aufwand ermittelt werden", antwortete die Berliner Senatskanzlei und ergänzte: "Der Einsatz von Faxgeräten im Allgemeinen wird durch keine landesweite Vorgabe geregelt." Der Bundestag schafft bis 30. Juni das Fax ab. Berlin aber hat noch lange nicht ausgefaxt.

*...das Fax (all das Begründungen der Berliner Behörden für die weitere Nutzung des Fax)

Sendung:

Beitrag von Stefan Ruwoldt

35 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 35.

    Ich bin weiterhin ein großer Bürofax-fan. Dokument wird von mir erstellt, über den Drucker gefaxt, die Empfängerseite hat sofort ein unterzeichnetes Dokument im PC. Ohne gen ganzen Weiterleitungs- und cc an everyone-mist der dann unter zich anderen e-mails landet und übersehen wird.

  2. 34.

    Ach was, Sie wohnen da, wo andere Urlaub machen?
    Ich wusste es doch - Majorka!
    Sie Glückliche!

  3. 33.

    Ach was, Sie wohnen da, wo andere Urlaub machen?
    Ich wusste es doch - Majorka!
    Sie Glückliche!

  4. 32.

    Genauso mach ich das auch. Ich wohne in einer Gegend, wo andere Urlaub machen!)))
    Im Ausland hab ich schon viele Länder gesehen, das brauch nicht mehr…

  5. 31.

    Na bitte! Sie sagens selbst: ,, nahezu“ digital fälschungsicher. Das Fax hingegen ist absolut fälschungssicher! 1:0 für mich.

  6. 30.

    ...und nicht vergessen: in Urlaub nur noch zu Fuß... Oder evtl. mitm Fahrrad...

  7. 29.

    Ihre Antwort hat nichts mit meiner Antwort in Sachen YouTube… zu tun.
    Ich vermute jetzt mal das ihnen die diversen technischen Möglichkeiten nicht bekannt sind, die eine Verfälschung von digitalen „Unterlagen“ nahezu unmöglich machen.
    Sie sollten auch mal erwähnen, welche Unterlagen an welcher Stelle verfälscht werden, was ein Fax so unschlagbar sicher macht.

  8. 27.

    In Berliner Amtsstuben hat das FAX klar die Nase vorn. Das liegt auch daran das unsere Bediensteten Emails ausdrucken. Das ist beim Fax ja nicht notwendig.

  9. 26.

    Ergänzend zum Faxgerät bezahle ich künftig nur noch mit Bargeld und höre Musik analog. Zurück zum überwachungsfreien Leben!

  10. 23.

    Faxgeräte kann man manipulieren? Ja, aber es nutzt nichts. Es gibt zwei Belege, die des Senders und Empfängers. Beides muss übereinstimmen. Ist das nicht der Fall, ist es ganz einfach die Manipulation festzustellen. Auch von wem.
    Zweifellos hat die sofortige Zustellung, von Gerät zu Gerät ohne Server, zeitliche Vorteile. Moderne Drucker haben diese Faxfunktion. Auch direkt digital verbunden mit dem PC. So hat das Fax eine digitale Zukunft.

  11. 22.

    Faxgeräte kann man manipulieren? Ja, aber es nutzt nichts. Es gibt zwei Belege, die des Senders und Empfängers. Beides muss übereinstimmen. Ist das nicht der Fall, ist es ganz einfach die Manipulation festzustellen. Auch von wem.
    Zweifellos hat die sofortige Zustellung, von Gerät zu Gerät ohne Server, zeitliche Vorteile. Moderne Drucker haben diese Faxfunktion. Auch direkt digital verbunden mit dem PC. So hat das Fax eine digitale Zukunft.

  12. 21.

    Genau das ist das Problem.
    Mit jederneuen Technik wird Bewährtes mit stabiler Funktion dem Technikgott geopfert. Wie oft steht alles still weil nur noch eine Basis vorhanden ist.
    Schön wenn ein Angriff auf die Infrastruktur ein Staat total lahmlegen kann. Blind auf das Internet vertrauensvoll blicken hat natürlich Folgen.

  13. 20.

    Eigentlich sind Faxe so einfach zu digitalisieren. Das verstehe ich nicht.
    Berlin halt :)

  14. 19.

    Das Faxe vielerorts online per PC empfangen werden und online gespeichert werden ohne Papieraufwand sollte hier auch erwähnt sein. Das ist in vielen Verwaltungen üblich. Das heißt das Fax braucht gar nicht abgeschafft werden um Papier einzusparen. Und vieles kommt in Papierform und kann per Fax schnell versendet werden. Mit dem Fax ist flexible und alternative, sichere Übertragung weiter möglich.

  15. 18.

    Lassen wir mal den Umstand beiseite, dass YouTube Und TikTok Videos zum Inhalt haben, womit Faxe so ihre Schwierigkeiten haben.
    Es wäre mir neu, dass Inhalte dieser Plattformen verändert (manipuliert) worden sind.
    Postet man dort ein Video mit Fake Inhalt, wäre dies nicht manipuliert…. Wäre halt nur eine Falschmeldung… den gleichen (Information) kann ich auch auf einen Zettel schreiben und durch die Welt faxen… aber vielleicht erinnern sie sich noch an die tollen Werbefaxe die man bekommen hat…. Ist etwas her…
    Sie haben sich da wohl etwas verrannt mit ihrem Beitrag ?!

  16. 17.

    Danke Christin. Der erste lebenswerte Beitrag hier und leider genau der Grund fürs aussterben hier in unseren modernen Netzen. Wegfall der DRAHTgebundenen Kommunikationsnetze,..
    Wäre vielleicht nicht die schlechteste Idee einen altes drahtnetz mit normalen Telefonen und. Ja auch Faxgeräten noch als Rückfallebene zu erhalten.... War nicht schlecht damals Zweifel ????
    Dann schaut mal Richtung Ahrtal was damals beim Hochwasser noch funktionierte....
    Kleiner tip. Der moderne schit von den ganzen kiddys jedenfalls nicht.... Blackout...

  17. 16.

    Schon mal gehört und gelesen?
    Dem Bundestag wurde die IT unterminiert...
    Komisch, man konnte aber weiterhin noch telefonieren und faxen.

Nächster Artikel