Auswahl und Auszeichnung - Wie wird man eigentlich Ehrenbürger von Berlin?

Do 27.02.25 | 09:14 Uhr | Von Juan F. Álvarez Moreno
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Friede Springer wird von Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, die Urkunde zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde von Berlin im Festsaal des Roten Rathauses überreicht am 26.02.2025. (Quelle: picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
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Friede Springer ist die neueste Berliner Ehrenbürgerin. Vor ihr erhielten mehr als 100 Menschen diese Auszeichnung, die ein paar Vorteile mit sich bringt. Mehrfach wurden Namen aus der Liste gestrichen – zuletzt der Mann, der Hitler zur Macht verhalf. Von Juan F. Álvarez Moreno

Die Verlegerin und Witwe von Axel Springer, Friede Springer, ist am Mittwoch im Roten Rathaus als Berliner Ehrenbürgerin ausgezeichnet worden. Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) begründete die Entscheidung mit dem unternehmerischen und gesellschaftlichen Engagement der 82-jährigen Milliardärin. Ihre Stiftung soll ein medizinisches Zentrum an der Charité mit bis zu 70 Millionen Euro fördern.

Springer ist die achte Frau auf einer Liste von nun 124 Persönlichkeiten, die die Hauptstadt als Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürger anerkennt.

Doch wie wird man eigentlich Ehrenbürger? Der Berliner Senat kann im Einvernehmen mit dem Abgeordnetenhaus Personen, "die sich um Berlin in hervorragender Weise verdient gemacht haben", die Ehrenbürgerwürde verleihen. Die geltenden Richtlinien dazu wurden 1953 beschlossen.

Springer darf sich einen Künstler für ihr Porträt aussuchen

In den vergangenen zwei Jahrhunderten wurden vor allem Politiker, Militärangehörige, Wissenschaftler, Künstler und Unternehmer zu Ehrenbürgern ernannt. Wenig überraschend: Die Liste besteht fast nur aus Männern. Ihre häufigsten Vornamen sind Heinrich, Friedrich, Otto, Karl und Ludwig. Zu den prominentesten Ehrenbürgern gehören unter anderem Willy Brandt, Otto von Bismarck, Alexander von Humboldt, der Zar Nikolaus I., Max Liebermann und Marlene Dietrich.

Ehrenbürger erhalten einige Privilegien, auf die sie jedoch keinen Rechtsanspruch haben. Dazu zählt ein Porträtgemälde eines Künstlers ihrer Wahl, das später in einer Galerie im Abgeordnetenhaus ausgestellt wird. Dort hängen inzwischen 57 solche Porträts. Darüber hinaus werden Ehrenbürger als Ehrengäste zu Veranstaltungen des Landes wie Feierlichkeiten und Empfängen eingeladen. Falls sie bedürftig werden, erhalten sie eine "Ehrenversorgung". Wenn sie sterben, übernimmt das Land die Kosten für ihr Begräbnis und sie erhalten eine Ehrengrabstelle auf einem Berliner Friedhof.

Berlins Ehrenbürgerinnen und Bürger

1813 bekam man kein Bürgergeld, man musste es zahlen

Erster Ehrenbürger Berlins wurde 1813 der Propst Conrad Ribbeck, der sich während der französischen Besatzung Berlins für die Bevölkerung eingesetzt hatte. Damals hatte die Auszeichnung noch eine andere Bedeutung als heute: Damit erhielt man kostenfrei das Bürgerrecht, das ansonsten an Besitz, Gewerbe und die Zahlung eines "Bürgergeldes" geknüpft war. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Berlin über 150.000 Bewohner, von denen kaum jeder Zehnte das Bürgerrecht besaß. Ab 1851 wurde erstmals ein Ehrenbürgerrecht an einen Berliner Bürger – den Bildhauer Daniel Christian Rauch – verliehen.

In der NS-Zeit wurde wenigen Menschen die Ehrenbürgerwürde verliehen. Dazu zählten Adolf Hitler und andere führende Nationalsozialisten wie Hermann Göring und Joseph Goebbels. Die Nazis entzogen dem sozialdemokratischen Politiker Hugo Heimann die Ehrenbürgerschaft, weil er Jude war. Heimann, der während der NS-Diktatur in die USA emigrierte, erhielt sie 1947 zurück. Ein Jahr später wurde sie den führenden Nazis aberkannt.

Ab 1948 gab es zwei Ehrenbürgerlisten, eine in West- und eine in Ost-Berlin. Auf die Ost-Berliner Liste schafften es führende DDR-Politiker wie Walter Ulbricht, Erich Honecker oder der ehemalige DDR-Präsident Wilhelm Pieck, aber auch zahlreiche Bürger der Sowjetunion. Dazu zählten die Unteroffiziere Michail Jegorow und Meliton Kantaria, die 1945 die Siegesflagge auf dem Reichstagsgebäude hissten. 1992 wurden beide Listen zusammengeführt. Nur acht Namen aus der Ost-Berliner Liste wurden übernommen.

Sehr wenige Frauen auf der Liste

Es dauerte ganze 144 Jahre, bis eine Frau Ehrenbürgerin Berlins wurde. Die Ehre erhielt 1957 die SPD-Politikerin Louise Schroeder, die zwischen 1947 und 1948 kommissarische Oberbürgermeisterin der Stadt war. Weitere Ehrenbürgerinnen wurden die Frauenrechtlerin und FDP-Politikerin Marie Elisabeth Lüders, die Schriftstellerinnen Nelly Sachs und Anna Seghers sowie die Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich aus Schöneberg. Vor Friede Springer wurde im Jahr 2018 der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer der Ehrenbürgerschaft verliehen.

Nach der Massen-Aberkennung nach der Wende ist die Liste der Ehrenbürger stets gewachsen. Nur einmal wurde sie seitdem kleiner: Vor fünf Jahren wurde der ehemalige Reichspräsident Paul von Hindenburg gestrichen. Am 30. Januar 2020, 87 Jahre nachdem er Hitler zum Reichskanzler ernannte, wurde ihm die Ehrenbürgschaft aberkannt. Die Debatte darüber zog sich in Berlin fast 30 Jahre hin – andere Städte entschieden sich viel früher dafür.

Klar ist: Die Verleihung der Ehrenwürde ist und war eine politische Entscheidung. Vorschläge für den 125. Platz auf Berlins ehrwürdigster Liste können das Abgeordnetenhaus, Senatsmitglieder, die Bezirksämter und die Bezirksverordnetenversammlungen einreichen. Dass diese Person Heinrich, Friedrich oder Otto heißt, ist heute unwahrscheinlicher als noch 1813.

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16 Kommentare

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  1. 16.

    Das hat die Geschichte so an sich.

    Warum arbeitest du dich an Hindenburg ab, hinterfragst jedoch nicht die Spanische und Argentinische Allee oder die Glinkastrasse oder oder oder...?

  2. 15.

    "..nach ihrem Willen geformt". Ja, ist mir in Kontakt mit Westlern immer wieder aufgefallen. Schimpfen wie die Rohrspatzen, aber immer wieder die Parteien wählen die uns die jetzige Misere eingebrockt haben. Da fehlt es an Glauben, das man etwas verändern kann. Der Ostler weiß das.

  3. 14.

    Es ist wie mit dem Bundesverdienstkreuz
    die Bedeutung tendiert gegen null, leider
    einfach ein Blick in die Liste werfen

  4. 13.

    „Würden Millionäre genau so Steuern zahlen wie der kleine Mann, müssten Krankhäuser und andere Einrichtungen nicht von Spenden abhängig sein“
    Das Einkommen ALLER unterliegt der Steuerprogression, die nicht über 50% liegen darf, damit das Geld im Lande bleibt. Das Kapital zu versteuern ist nicht möglich, weil das Eigentum nicht enteignet werden kann. Auch das kann flüchtig sein, wie ein scheues Reh. Also vermischen Sie diese Dinge nicht so, als wenn „Reiche“ keinen ausreichenden Beitrag leisten würden. Da sind gute Menschen darunter, die bessere Entscheidungen treffen als ein kompetenzloser zuteilender Sachbearbeiterstaat, wo Korruption mitgedacht werden müsste.

  5. 12.

    Wegner ist ein Heuchler wie kaum ein Zweiter. Unterwürfigkeit in der Politik ist ja business as usual, der Mann aber überschreitet Grenzen des guten Geschmacks.

  6. 11.

    Würden Millionäre genau so Steuern zahlen wie der kleine Mann, müssten Krankhäuser und andere Einrichtungen nicht von Spenden abhängig sein.
    Und weil dann 70 Millionen gespendet und öffentlich gemacht wird, erklärt uns die Politik warum diese Menschen Ehrenbürger werden. Diese Menschen haben ja noch nicht mal was davon, weil sie schon überall eingeladen werden und sich die bessere Pflege leisten können.
    Also wollen/sollen sie nur als die Gutmenschen dastehen und für die Nachwelt unvergesslich sein.
    Im UK stehen die Millionäre auf Sir/Lady.

  7. 10.

    Wie wird man Ehrenbürger! Indem man dem Vorstand Millionen Bonus gibt und den Angestellte Peanuts.
    Und klar, jemand der Geld hat und spenden tätigt und Unternehmer ist, wird so leicht nicht angegriffen, obwohl die Weste nicht immer weiß war. Aber leider kann man sich damit immer freikaufen, nicht wahr!
    Apropo Spenden, wie genau sind die Transparent und was haben bisher Spenden von ihr bewirkt?

  8. 8.

    Die Pressefreiheit ist es, die Springer mit Wucht immer wieder neu verteidigt hat. Ein Beispiel für missionarisch erzieherisch Daherkommende.

  9. 7.

    "Die Verlegerin und Witwe von Axel Springer, Friede Springer, ist am Mittwoch im Roten Rathaus als Berliner Ehrenbürgerin ausgezeichnet worden."

    .......für mich leider so gar nicht und ich finde diese Entscheidung falsch, sorry, aber das ist meine Meinung dazu.

  10. 6.

    Für mich nicht nachvollziehbar.
    Gerade ZeitungsverlegerInnen haben nach meinem Verständnis eine besondere gesellschaftliche Verantwortung. Bei der Springerpresse doch totale Fehlanzeige, allein das Personal in der Führungsebene der letzten Jahre.
    Wer entscheidet so eine Verleihung? Ist im Einvernehmen mit dem AGH eine Abstimmung mit Stimmabgabe? Da hätte ich mir bei der Überschrift mehr Informationen vom rbb gewünscht.
    Das ging doch sehr still über die Bühne. Korrumpiert eine klamme Stadt sich für 70 Millionen selber?
    Ach, Berlin!

  11. 5.

    Böse Zungen könnten sagen, dass sich Frau Springer auch nicht gerade um die Demokratie verdient gemacht hat.

  12. 4.

    Friede Springer, zusammen mit Liz Mohn, zwei der einflussreichsten Frauen Deutschlands, haben schon Millionen von Menschen nach ihrem Willen geformt...

  13. 3.

    Mir ist bis heute nicht klar, wofür Friede Springer die Ehrenbürgerwürde erhält. Sie steht wie ihr verdtorbener Mann für zwei Zeitungen, die aus meiner Sicht mit ihren Artikeln die Gesellschaft gespaltet haben und weiterhin spalten anstatt für argumentative Auseinandersetzung zu sorgen. Und dafür?

  14. 2.

    Friede Springer Ehrenbürgerin?
    Weil sie eine Stiftung gegründet hat, die Menschenleben rettet.
    Ihre Hetzblätter haben dahingegen wieviele Existenzen vernichtet?

  15. 1.

    Eine Schande, dass Hindenburg erst 2020 von der Liste der Ehrenbürger gestrichen wurde und der Hindenburgdamm nach wie vor nicht umbenannt worden ist. Und nein, er ist keine „umstrittene“ Persönlichkeit sondern ein klarer Feind von Demokratie und der Republik gewesen.