Silvester-Krawalle - Giffey lädt zum Gipfel gegen Jugendgewalt
Auch Jugendliche waren an den Silvester-Krawallen in Berlin beteiligt. Die Regierende Bürgermeisterin will auf einem Jugendgipfel mit Experten am Mittwoch über Konsequenzen reden. Die Grünen legen derweil eigene Vorschläge auf den Tisch.
Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat für Mittwoch zu einem "Gipfel gegen Jugendgewalt" ins Rote Rathaus eingeladen.
Daran sollen gut zwei Dutzend Vertreter aus Politik, Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz sowie der Integrations- und Sozialarbeit teilnehmen. Nach Angaben der Senatskanzlei gehören dazu auch die jeweils zuständigen Senatsmitglieder und die Bürgermeister aus den besonders betroffenen Bezirken.
Zentrales Ziel der Veranstaltung ist der Austausch darüber, welche Maßnahmen nach den Silvester-Krawallen mit zahlreichen Angriffen, nicht zuletzt von Jugendlichen, aus Sicht der Teilnehmer notwendig sind.
Giffey: zusätzliche finanzielle Mittel nötig
Nach den Worten von Giffey soll die Veranstaltung der Beginn eines Prozesses sein, der dann während des ganzen Jahres ausgestaltet werden müsse. "Es ist klar, dass man mit einem Gipfel nicht alles löst, aber das war auch nie meine Absicht", sagte Giffey am Dienstag nach der Sitzung des Berliner Senats. Der Gipfel sei "keine Eintagsfliege, sondern der Beginn eines Prozesses, den wir auch über das ganze Jahr zu gestalten haben", ergänzte sie.
Giffey kündigte an, beim Gipfel über Jugendgewalt solle auch darüber gesprochen werden, mit welchen zusätzlichen finanziellen Mitteln Präventionsarbeit unterstützt werden müsse. Nach ihrer Einschätzung ist ein Betrag in mehrstelliger Millionenhöhe nötig.
Grüne legen Eckpunktepapier vor
Unmittelbar vor dem Gipfel im Roten Rathaus haben die Grünen am Mittwoch ein Eckpunktepapier zum Umgang mit Jugendgewalt vorgelegt. "Jugendliche brauchen Chancen und eine Perspektive auf eine gute Zukunft", heißt es in dem Papier, an dem unter anderem die Fraktionsvorsitzende Silke Gebel und die Bezirksbürgermeisterinnen von Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, Stefanie Remlinger und Clara Herrmann, mitgearbeitet haben.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Corona-Pandemie jüngere Menschen besonders getroffen habe, ist aus Sicht der Grünen ein "Jugendstärkungspaket für Berlin" erforderlich. "Es braucht keine Vorverurteilung aufgrund des Vornamens, keinen Pauschalverdacht aufgrund kultureller Zuschreibungen und keinen blinden Aktionismus", schreiben die Autorinnen. Kritisiert wird, dass zum Anti-Gewalt-Gipfel der Regierenden Bürgermeisterin die Jugendstadträte der Bezirke nicht eingeladen worden sind. "Sie sind aber diejenigen, die wissen, wo die Fehler liegen, die Maßnahmen umsetzen und dafür sorgen, dass sich substanziell etwas bewegt", sagte die Fraktionsvorsitzende Silke Gebel dem rbb.
Konkret fordern die Grünen, dass die Bezirke finanziell und personell besser ausgestattet werden, um Jugend- und Sozialarbeit leisten zu können. Nötig sei auch eine Zweckbindung der Mittel, damit sie nicht für andere Aufgaben verwendet werden. Deutlich stärker als bisher müssten die Akteure vor Ort eingebunden werden. Dazu zählten Familienberatungsstellen, Familienzentren, Schulsozialarbeiter:innen und das Quartiersmanagement (QM).
Stiftung fordert langfristig angelegte Lösungen gegen Jugendgewalt
Im Vorfeld des Treffens hat die Amadeu Antonio Stiftung auf langfristig angelegte Lösungen hingewiesen. Statt Aktionismus und neuer Parallelstrukturen brauche es einen Ausbau bestehender und erprobter Ansätze, etwa durch mehr Personal, Räumlichkeiten und Geld. Das teilte die Organisation, die sich unter anderem gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert, am Dienstag mit.
Kritisiert wurde zudem, dass Jugendgewalt und Migrationshintergrund in der medialen wie politischen Debatte über die Vorfälle schnell in einem Atemzug genannt würden. Die Ursachen für die Eskalationen seien allerdings nicht in Migrationsgeschichten zu suchen, sie lägen vielmehr in einem Mosaik aus erlernter Gewaltbereitschaft, gefühlter Perspektivlosigkeit, mangelnder Teilhabe, gefährlichen Männlichkeitsbildern und einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber dem Staat.
Ähnlich äußerte sich Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). Er sprach sich dafür aus, dass die soziale Arbeit mit Jugendlichen besser und langfristiger finanziert wird. Mit Blick auf das Treffen zur Jugendgewalt sagte Hikel auf Radioeins vom rbb, dort gebe es auch die Gelegenheit, die Beispiele gelungener Sozialarbeit zu benennen. Sollte sich die Runde darauf verständigen, solche Beispiele zu stärken, sei das positiv.
CDU kritisiert den Gipfel
Die CDU kritisierte den Gipfel gegen Jugendgewalt als "Ausdruck der Hilflosigkeit". "Ihr Gipfel soll Aktion suggerieren, um zu vernebeln, dass unter ihrer Führung Polizei und Justiz zunehmend an Handlungsfähigkeit verlieren", sagte Generalsekretär Mario Czaja dem RND in Richtung Giffey.
Ähnlich wie Czaja äußerte sich CDU-Parteichef Friedrich Merz. "Frau Giffey und die Berliner SPD hatten in den letzten Jahren genug Zeit, die Probleme anzupacken. Sie kennt doch das Chaos in der Stadt. Ein runder Tisch bringt da nichts", sagte er der "Rheinischen Post".
Wegen der Silvester-Krawalle waren in Berlin 145 Menschen mit insgesamt 18 verschiedenen Nationalitäten festgenommen worden, darunter zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene.
Sendung: rbb24 Abendschau, 11.01.2023, 19:30 Uhr