Verbeamtung angestellter Lehrer - So sollen Lehrkräfte wieder nach Berlin gelockt werden

Do 09.02.23 | 20:19 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Eine Lehrerin steht im Klassenzimmer einer Grundschule vor ihren Schülerinnen und Schülern. (Quelle: imago-images/Sven Simon)
Audio: rbb24 Inforadio | 09.02.2023 | Kirsten Buchmann | Bild: imago-images/Sven Simon

Berlin braucht Lehrer. Um attraktiv für sie zu sein, verbeamtet das Land nach langer Zeit wieder. Für neue Lehrkräfte geht das seit letztem Jahr, nun wird die Verbeamtung auch für viele bisher angestellte Lehrer möglich. Doch viele bleiben außen vor. Von Kirsten Buchmann

Nach fast zwei Jahrzehnten Pause will Berlin angestellte Lehrerinnen und Lehrer wieder verbeamten. 2004 war die damalige rot-rote Koalition aus der Lehrkräfteverbeamtung ausgestiegen – in Zeiten knapper Kassen. Verbeamtete Lehrer seien wegen der späteren Pensionslasten teurer als angestellte Pädagogen, so das Argument.

Die Erwartung Berlins lautete damals, auch andere Bundesländer würden von der Lehrerverbeamtung abrücken. Als schließlich jedoch Sachsen 2019 wieder zur Verbeamtung zurückkehrte, stand Berlin als einziges Bundesland da, das seine Lehrkräfte nicht verbeamtete.

Online-Anmeldung

Das Anmelde-Verfahren zur Lehrer-Verbeamtung in Berlin startet nächste Woche. Wer bisher als angestellte Lehrkraft unterrichtet und die Voraussetzungen erfüllt, kann ab kommendem Mittwoch einen Online-Antrag stellen. Das hat die Senatsbildungsverwaltung bekannt gegeben. Das Abgeordnetenhaus hat vorübergehend die Altersgrenze angehoben. Danach ist eine Verbeamtung bis zum Vortag des 52. Geburtstages möglich. Darüber hinaus können ausnahmsweise auch diejenigen Lehrkräfte verbeamtet werden, die im laufenden Schuljahr 52 Jahre alt werden.

Bessere Bedingungen anderswo

Bundesländer wie Hessen oder Brandenburg lockten mit der Verbeamtung und warben Lehrkräfte aus Berlin ab. Pro Jahr kehrten 500 bis 700 von ihnen der Hauptstadt den Rücken – was die Diskussionen um die Verbeamtung auch in Berlin anheizte.

Angesichts des Lehrerbedarfs an den Schulen erklärte Bildungssenatorin Sandra Scheeres 2019, die Verbeamtung werde "ergebnisoffen" geprüft. Die damalige Bildungsexpertin der oppositionellen CDU-Fraktion, Hildegard Bentele, fand: "Berlin kann es sich nicht leisten, auch nur einen einzigen ausgebildeten Lehrer ziehen zu lassen."

Ein langes Hick-Hack

Die Probleme spitzten sich zu: Eine gewaltige Pensionierungswelle, aber zu wenige Lehramtsabsolventen an den Hochschulen, das führte zu einem Lehrermangel in Berlin. So bildeten fertig ausgebildete Pädagogen unter den im Sommer 2019 neu Eingestellten die Minderheit. Rund zwei Drittel waren dagegen Quer- und Seiteneinsteiger. Vor diesem Hintergrund sprach sich der SPD-Landesparteitag im Oktober 2019 für die Rückkehr zur Lehrerverbeamtung aus. Denn nur so könne Berlin Lehrer an sich binden. Befürworter in der Partei hatten zudem schon länger argumentiert, dass Schluss sein müsse mit der Ungleichheit für Lehrerinnen und Lehrer etwa bei der Altersversorgung oder bei der Fortsetzung der Zahlung im Krankheitsfall.

Was folgte, war ein langes Hick-Hack. In ihrem Wahlprogramm 2021 pochte die Linke darauf, nicht zu verbeamten, denn die Verbeamtung sei "nicht geeignet, den Lehrermangel zu beheben". Schulleiterverbände dagegen schlugen Alarm: Ohne die Verbeamtung sei es schwer, ausgebildete Lehrkräfte zu finden.

Nach der Abgeordnetenhaus-Wahl 2021 einigten sich SPD, Grüne und Linke in ihrem Koalitionsvertrag, Lehrkräfte wieder zu verbeamten.

Ausdruck der Wertschätzung

Neu eingestellte Lehrerinnen und Lehrer können sich seit dem Sommer vergangenen Jahres wieder verbeamten lassen. Mit dem Parlamentsbeschluss vom Donnerstag gilt das auch für bisher angestellte Lehrkräfte bis zu ihrem 52. Lebensjahr. Lehrkräfte, die in diesem Schuljahr 52 werden, fallen ebenso unter die Regelung.

Die Bildungsverwaltung geht davon aus, dass rund 16.000 bisher angestellte Lehrkräfte verbeamtet werden können. Einer von ihnen ist der 33-jährige Frederik Botthof. Dass Berlin ihn und viele andere angestellten Lehrkräfte verbeamten will, freut den Musik-, Ethik- und Philosophielehrer: "Für mich ist das große Thema Sicherheit wichtig, also die Jobsicherheit, natürlich auch die Pension, vor allem aber der Aspekt, wenn man eine Familie gründen will." Zugleich empfindet er die Verbeamtung als Ausdruck von Wertschätzung für Lehrkräfte, "dass sie vielleicht in der Gesellschaft wieder als ein bisschen wichtiger angesehen werden." Mit Wehmut denke er zugleich auch an die, die nicht Beamte werden.

Kollegen, die jahrelang alles gegeben haben, werden jetzt als B-Ware gelabelt.

Ilka Steinert von "Fairbeamtung 52+"

Streit um Kompensation für Angestellte

Denn rund 5.000 Berliner Lehrkräfte erfüllen die Voraussetzungen für eine Verbeamtung nicht – weil sie die Altersgrenze überschritten haben oder auch den Gesundheitstest nicht bestehen. Zu alt ist auch Ilka Steinert. Seit mehr als 16 Jahren unterrichtet sie Englisch und Deutsch an einem Oberstufenzentrum, und zwar leidenschaftlich gerne, wie sie sagt. "Gleichzeitig werde ich mich wahrscheinlich oft daran erinnern, dass andere für den gleichen Job wesentlich bessere Konditionen haben." Als bitter und demotivierend empfindet die Lehrerin das für sich und andere ihrer Altersgruppe: "Der Appell an die Politik: sich in unsere Lage zu versetzen, wie sich das anfühlt für Kollegen, die jahrelang alles gegeben haben, jetzt so als B-Ware gelabelt zu werden."

Sie engagiert sich deshalb in der Initiative "Fairbeamtung 52+". Ilka Steinert findet, die Politik müsse die Unterschiede besser ausgleichen. Statt der vom Land beschlossenen 300 Euro müsse es 900 Euro im Monat als Kompensation für angestellte Lehrkräfte geben. Das fordert auch nach wie vor die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Sie pocht darauf, falls es nach der Wiederholungswahl zu einer Neuauflage der rot-grün-roten Koalition kommt, die Kompensationshöhe nachzuverhandeln.

Mit Spannung wird insgesamt erwartet, wie viele Lehrerinnen und Lehrer die heutige Parlamentsentscheidung zum Bleiben bewegt oder nach Berlin zieht. Aktuell sind an Berliner Schulen rund 1.000 Lehrerstellen nicht besetzt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 09.02.2023, 18:30 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

29 Kommentare

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  1. 29.

    Ich kann nur Jeden empfehlen, der hier meint der Lehrer Beruf ist das Paradies, sich doch für dieses Paradies zu bewerben. Der Senat nimmt alles was nicht bei drei auf dem Baum ist. Die Chancen stehen also gut für den Eintritt ins Paradies. (Satire aus). Ich bin kein Lehrer, aber mit einer Lehrerin seit über 30 Jahren verheiratet. Was ist von einem Arbeitgeber zu erwarten, der seine Angestellten bei öffentlichen Auftritten als "Trottel" oder "faule Säcke" bezeichnet.

  2. 28.

    Die Anstrengung des Berufes können sich viele nicht vorstellen, weil in kaum einem anderen Arbeitsbereich so viele Menschen aus so verschiedenen sozialen HIntergründen so intensiv und lange miteinander agieren, wie in Berliner Schulklassen (ausgenommen evtl. Privatschulen oder dergleichen).
    Polizeibeamte haben evtl. einen groben Einblick in die Vielfalt der sozialen Schichten in dieser Stadt - sie haben sich aber nicht mehrere Stunden wöchentlich mit dieser geballten VIelfalt in einem Raum auseinanderzusetzen.

    Es ist eine Schande, dass dieser wichtige, wichtigste Grundstein zur Bildung von Gesellschaft und sozialem Miteinander derart zusammengespart wird.
    Die Lernrückstände in Berlin sind schockierend - derweil streicht der Senat Förderprogramme wie "Stark trotz Corona" oder die Ferienschulen. Die Eltern scheint es nicht zu interessieren.
    Traurig, so argumentieren zu müssen: Wer, glauben Sie, soll später Ihre Renten erwirtschaften? Bei den Lernständen?

  3. 27.

    Ach, die Lehrer in Deutschland werden angeblich verheizt, und das soll ein Fakt sein, dem nicht widersprechen werden darf?
    Unter Arbeitskräfte verheizen, da stellt man sich, sofern bei klarem Verstand, was ganz anderes vor.

    Lehrer, das ist ein uralter Beruf, und in unseren Breitengraden haben wir Alle unsere Erfahrungen mit der Lehrerschaft gemacht, ergo man muss selbst kein Lehrer sein um einer extremen Meinung zu widersprechen.

  4. 26.

    ich habe eine 60-Stunde-Woche. Ich habe keinen Feierabend oder ein Wochenende ohne ne Menge für die Schule machen zu müssen.
    Und ich habe früher in anderen Berufen gearbeitet. Kann also gut Vergleiche ziehen.
    Man merkt Sie haben null Ahnung vom Lehrerberuf!
    Ich "wünsche" Berlin, dass möglichst viele Lehrer:innen abhauen.
    Dann könnt ihr zusehen...

  5. 25.

    Oh man Dagmar, schlimm so eine Einstellung. Bitte unterrichten Sie demnächst mal in einer Berliner Schule. Am besten mal ein ganzes Schuljahr. Danach werden Sie geleutert sein und Sie werden Ihre Kommentare/Aussagen die Sie hier gemacht haben noch verteufeln und alle angegriffenen Personen in Ihrem Kommentar für die Zukunft nur das Beste wünschen und Ihnen Respekt zollen.

  6. 24.

    Der eine polemisiert, der andere beleidigt. Was ist schlimmer ?

  7. 23.

    Ihre Polemik ist unerträglich und grenzt an Hetze!

    Vielleicht sollten Sie weniger in Kommentarspalten Unwahrheiten verbreiten und dafür mehr an die frische Luft, das soll ja heilsam sein!

  8. 22.

    Sind Sie wirklich der Meinung, dass in der Hierarchie der Arbeitsbelastung und der Bildungsanstrengungen, die Grundschullehrer über den anderen Lehrern weiterführender Schulen usw. stehen? Oder kommen Sie zu diesem Schluss, weil die Wertschätzung gering ist? Da können Ihre Kollegen auch "ein Lied von singen"...
    Was Sie bemängeln, ist in allen Branchen anzutreffen. Auch Ihre Wahrnehmung...

  9. 21.

    Sind Sie wirklich der Meinung, dass in der Hierarchie der Arbeitsbelastung und der Bildungsanstrengungen, die Grundschullehrer über den anderen Lehrern weiterführender Schulen usw. stehen? Oder kommen Sie zu diesem Schluss, weil die Wertschätzung gering ist? Da können Ihre Kollegen auch "ein Lied von singen"...
    Was Sie bemängeln, ist in allen Branchen anzutreffen. Auch Ihre Wahrnehmung...

  10. 20.

    Haben sich bei der Lehrerschaft etwa so viele Überstunden angesammelt wie bei der Polizei?
    Davon wurde noch nicht berichtet, also in wie fern werden die Lehrer verheizt?

    Das unterichten, die eigentliche Aufgabe des Lehrres kann es nicht sein, wenn die Klasse anstatt 28 nun 32 Schüler hat, damit sollte ein ausgebildeter Lehrer kein Problem haben, und der geringe zeitliche Mehraufwand für Korrekturen kann es auch nicht sein.

  11. 19.

    Wo habe ich geschrieben, dass der Lehrereruf beliebt sei? Mein Beitrag resultiert aus jahrelanger Erfahrung, die ich belegen kann und tagtäglich erlebe. Sie kommen, kommen nicht klar, nehmen Rat nicht an, versagen, sind wenig resilient und wissen sehr wohl, dass sie entweder noch viel arbeiten müssen, um wirklich Lehrer zu sein oder, dass sie sich bei der Berufswahl vertan haben. Das betrifft nicht alle, aber durchaus die Mehrheit. Da lockt die Verbeamtung. Ich habe mehr als 5 junge Kollegen in einer Schule mit 42 Lehrern, die mehr als 8 mal im Jahr zwischen einer und drei Wochen am Stück arbeitsunfähig sind. Dazu regelmäßig Karenztage. Bei ca. 160 Schultagen im Jahr, arbeiten die jungen Kollegen häufig nur an ca. 80 Schultagen, also 50 Prozent, bestehen aber auf einen Vollzeitvertrag und zügige Verbeamtung. Häufig sind es die älteren, erfahrenen Lehrer, die das ausgleichen müssen.

  12. 18.

    Sie machen eine Nebensache, eines US-Trends der Generation Z „Quiet Quitting“, zum Hauptthema, der mit dem Artikel nichts zu tun hat. Berlin will zu Lasten anderer anlocken. Das wird nicht klappen. Die Arbeitsbedingungen sind zu schlecht. Und eine Landesverbeamtung kommt dem modernen "Sklavenhaltertum" gleich.

    In einem haben Sie recht: Die Lehrer gendern nicht, weil die offizielle richtige Lehrmeinung niemanden ausschließt und im Plural alle angesprochen sind. Logisch und einfach. Kinderleicht.

  13. 17.

    Kein Widerspruch: Brandenburg gehört zum Sendebereich des rbb und hat reihenweise verbeamtete Lehrer, alte die meist regelmäßig arbeiten und junge, die Karenzzeiten, Ferien ind Krankschreiben zuweilen durch Unterrichten unterbrechen, mit Ausnahmen natürlich.

  14. 16.

    Glauben Sie mir, auch bei gegenderten jungen Lehrern, liegt die Ausfallquote nicht daran. Es sind Unvermögen und Motivationsarmut, gepaart mit Verantwortungslosigkeit. Ich erlebe es tagtäglich.

  15. 15.

    Ja genau, Onkel Uhu. Wegen der großartigen Work-Life-Balance ist der Lehrerberuf ja auch so beliebt und die Bundesländer können sich vor Bewerbern kaum retten. Oder etwa doch nicht?

  16. 14.

    Ich bezweifle, dass die Verbeamtung den Mangel löst. Wenn man mit Lehrkräften redet ist weniger das Gehalt das Problem als die Arbeitsbedingungen (Stunden, Klassengröße, Bürokratie, schlechte Gebäude…). Die lassen sich natürlich schwieriger lösen also wird Geld rauf geworfen und verbeamtet…

  17. 12.

    Die Verbeamtung wird Realität schaffen, die uns als Land schwer belastet. Es stimmt bestimmt, dass es viele Menschen gibt, die Lehrer:innen werden wollen, weil sie dann B. sind, aber sind das auch diejenigen, die wir auf die Kids los lassen wollen? Und mit dem Umstieg lasten wir die Pension den zukünftigen Generationen ab 2049 an, bis dahin ists nur billiger, wenn wir nicht wie bisher verheizt werden und Krankengeld ohne Ende brauchen. Der Ausgleich für Angestellte von 300€ ist ein Witz!

  18. 11.

    Jetzt sollte man vielleicht noch erwähnen, dass die Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg trotzdem bei gleicher Besoldungsstufe (A13) 200 Euro netto MEHR verdienen (beim Berufseinstieg). Bei Erfahrungsstufe 8 sind es immerhin nur noch ca. 80 Euro Unterschied.
    Mit anderen Worten: Brandenburg, was ja nun von Berlin aus um die Ecke liegt, bleibt attraktiver.

  19. 10.

    Wenn ich mir die Schulen in Berlin ansehe, wundere ich mich nicht das Lehrer lieber woanders hingehen. Das betrifft Gebäude und Schüler.

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