2.400 Ehrenamtliche gesucht - Wie man in Brandenburg Schöffe wird

Di 21.02.23 | 06:14 Uhr | Von Katrin Neumann
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Archivbild: Vor Gericht entscheiden Schöffen über Schuld und Strafe von Angeklagten mit. (Quelle: dpa/F. Gentsch)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 19.02.2023 | Katrin Neumann | Bild: dpa/F. Gentsch

In Brandenburg werden derzeit 2.400 Menschen gesucht, die Richterinnen und Richter ehrenamtlich bei der Urteilsfindung unterstützen. Wer dieses Amt übernehmen will, muss einige Voraussetzungen erfüllen. Gibt es nicht genug Freiwillige, kann man auch verpflichtet werden. Von Katrin Neumann

Im Dezember endet die laufende fünfjährige Amtszeit für ehrenamtliche Schöffinen und Schöffen in Brandenburg. Deshalb werden zum 1. Januar kommenden Jahres 2.400 Menschen gesucht, die an Amts- und Landgerichten als Laien über Urteile für Angeklagte mitentscheiden.

Wie wird man Schöffe?

Ehrenamtliche Schöffinnen und Schöffen in Brandenburg können sich freiwillig bewerben oder werden von ihren Kommunen angeschrieben und somit verpflichtet. Eine Quote, wieviele durch Eigeninitiative und wieviele durch Anordnung ins Schöffenamt kommen, gibt es nicht. Das entscheiden die Kommunen.

Laut dem Branderburger Justizministerium kommt es nur selten zu Engpässen bei der Neugewinnung von Schöffenpersonal. Das liege zum einen daran, dass sich viele Menschen für das Amt interessieren und sich selbst bewerben. Zum anderen passiere es nicht häufig, dass Bürgerinnen und Bürger angeschrieben werden und sich dann weigern würden.

Wer wird Schöffe?

Grundsätzlich kann jeder Brandenburger und jede Brandenburgerin zwischen 25 und 70 Jahren das Amt übernehmen.

Wichtig sei, so Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU), dass alle Bevölkerungsgruppen repräsentiert werden. So werden mögliche Schöffen auf Basis der im Einwohnermelderegister hinterlegten Daten, wie Geschlecht, Religion und Familienstand von den Kreisen und kreisfreien Städten ausgewählt. Zusammen mit den Freiwilligen soll die Bevölkerungsstruktur auf diese Weise widergespiegelt werden.

Sind Schöffinnen und Schöffen gleichberechtigt mit Berufsrichtern?

Jeweils zwei Schöffen, egal ob freiwillige oder verpflichtete, sitzen gleichberechtigt mit ein bis drei Berufsrichtern auf der Richterbank und entscheiden in den Beratungszimmern gemeinsam über ein Urteil für die Angeklagten.

Weil ehrenamtliche Schöffen in der Regel juristische Laien sind, absolvieren sie zu Beginn ihrer Amtszeit einen Einführungskurs und werden während ihrer Amtszeit von den Berufsrichtern über machbare Urteilsrahmen beraten. Es sei jedoch genau der Sinn von ehrenamtlichen Schöffen, dass sie Gerichtsverfahren aus Sicht der Bürger begleiten, um "Akzeptanz und Verständnis" für das Rechtswesen zu schaffen, sagt Hoffmann.

Was ist, wenn man kein Schöffe werden möchte oder kann?

Das Schöffenamt ist ein Pflichtehrenamt. Jeder deutsche Staatsbürger, der bei Amtsbeginn zwischen 25 und 70 Jahren alt und gesundheitlich in der Lage ist sowie seinen Wohnsitz in der jeweiligen Kommune hat, kann verpflichtet werden. Ablehnen geht nur bei persönlichen, beruflichen oder wirtschaftlichen Härtefällen. Wenn man also glaubhaft machen kann, dass die familiäre Fürsorge nicht geleistet werden kann oder sich die wirtschaftliche Situation durch Ausübung des Schöffenamtes erheblich verschlechtert, stimmen Kommunen der Ablehnung in der Regel zu.

Ohne weitere Begründung können Mitglieder der Bundes- oder Landesregierung, Notare, Rechtsanwälte sowie Polizisten und Ärzte das Schöffenamt ablehnen. Im Einwohnermeldeamt sind Berufe nicht erfasst, so dass theoretisch Menschen in allen Berufsgruppen aufgefordert werden können. Selbst hauptberufliche Richter. Es sei in jedem Fall notwendig, den Beruf an die Kommune als Ablehnungsgrund weiterzugeben, damit er dort vermerkt werden kann, so Norman Uhlmann vom Bundesverband ehrenamtlicher Richter und Richterinnen.

Allein die Tatsache, dass jemand keine Lust auf das Schöffenamt hat, gelte nicht als Ablehnungsgrund. Allerdings, betont Justizministerin Hoffmann, sei es "nicht sinnvoll, jemanden gegen seinen Willen zu verpflichten". Daher besteht im praktischen Verfahren ein gewisser Spielraum für Kommunen bei der Verpflichtung von Bürgern, solange insgesamt genügend Kandidaten zur Verfügung stehen.

Kann die fünfjährige Amtszeit verkürzt werden?

Amtierende Schöffen müssen von ihren Arbeitgebern für das Ehrenamt freigestellt werden. Durchschnittlich kommt es pro Schöffe zu ein bis drei Verhandlungstagen im Monat. Es dürfen nicht mehr als 24 Gerichtssitzungen im Jahr sein.

Angestellte unterliegen in den fünf Jahren einem Kündigungsschutz. Entstehen Schöffen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben Spesen und Verdienstausfall, werden diese Kosten erstattet.

Schöffen werden für eine Amtszeit von fünf Jahren vereidigt, das ist in einem Bundesgesetz festgelegt und kann nur aus triftigem Grund verkürzt werden. Zieht ein Schöffe beispielsweise aus der Kommune weg, erkrankt oder gerät in erschwerende Lebensumstände, kann das Amt niedergelegt werden. So kann auch die Pflege eines Angehörigen als triftiger Grund gelten, ebenso emotionale und psychische Ausnahmezustände. Die fünfjährige Laufzeit sei aber bewusst gewählt worden, erklärt Hoffmann. Eine ständiger Wechsel bei Schöffen vor allem bei längeren Verfahren soll verhindert werden. Außerdem erlangen so auch Schöffen mehr Erfahrung und Sicherheit bei der Urteilsfindung.

Schöffen in Berlin (Quelle: rbb24)
| Bild: rbb24

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 19.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Katrin Neumann

30 Kommentare

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  1. 30.

    Wossi, sehr gut erklärt.
    Schöffen helfen uns Berufsrichtern sehr. Sie bringen ihre Lebenserfahrung mit ein und ergänzen die juristische Beurteilung sinnvoll.

    Wir Juristen denken in Schemata. Jura besteht nun mal aus Schemata. Und zu diesen juristischen Schemata kommt die Lebenserfahrung der Schöffen dazu.

    In der geheimen Urteilsberatung wird den Schöffen die Rechtslage genau erklärt. Tatbestandsmerkmale werden erläutert und die Aussagen ect werden durch einen Berufsrichter nochmal zusammengefasst. Dann können die Schöffen noch Fragen stellen.
    Bei der Abstimmung hat jeder 1 gleichberechtigte Stimme. Um zu einem Urteil zu kommen ist die einfache Mehrheit erforderlich.

  2. 29.

    Schöffen haben nicht nur die Gesetze im Kopf. Deshalb sind diese neben den Richtern eine Stimme, die die Richter nicht haben dürfen. Zutiefst menschlich gerecht. Rechtsprechung ist ein Prozess der nie aufhört.
    „Repräsentation? Die Auswahl ist strukturell rassistisch.“ - Und das ist eine Frechheit. Fehlt nur noch das Sie hier behaupten „Ausländerfeindlichkeit darf an der Hautfarbe nicht halt machen“. Schräger geht es nun wirklich nicht. Wiedereinmal.

  3. 28.

    Schöffengerichte sind ein Relikt der Schwurgerichte. Partizipation wird heutzutage großgeschrieben, die symbolische Bedeutung der Repräsentation besonders betont. Aber gerade die vermeintlichen Partizipationsaspekte sind eine Farce, insbes. was Strafprozesse angeht und auch was die z.T. starken, bundesuneinheitlichen Einschränkungen, denen Schöffen - entgegen der Darstellungen hier - unterworfen sind. Auch gibt es keinerlei wissenschaftliche Evidenz zur Aufwertung eines auf diese Weise durch Redundanz arbeitenden Rechtswesen. Repräsentation? Die Auswahl ist strukturell rassistisch. Fakten, die sich nicht schönreden lassen.

    Ebenso unlogisch und der Psychologie widersprechend, wird eine Unabhängigkeit behauptet, die die Schöff*innen aber durch Verfahrensbeteiligung nicht mehr haben, sie sind systemisch gebunden. Ferner ist auch der Zwangskontext problematisch, da ein Zwang zum Schöff*innenamt einen massiven Grundrechtseingriff ohne verfassungskonforme Regelumg darstellt.

  4. 27.

    Auf der Seite der Arbeinehmer -und Versicherteninteressenvertretungen ist es der Fall.

    Ob es bei den Arbetgebern und Versicherungen als Gegenseite anders ist? Na ja, das ist deren ihr Problem.

  5. 26.

    Aber jetzt mal ehrlich - was machen Berliner Schauspieler oder Opernsänger, die mal zwei Monate in Stuttgart, dann drei Monate in Köln und anschließend vier Wochen in Wien auftreten, und zwar jeden Abend? Soll da die Vorstellung ausfallen, weil man sie unbedingt in Berlin als Schöffe braucht? Ich glaube, da geht die Lebenswirklichkeit doch deutlich an den Juristen vorbei, wenn die sich das so einfach vorstellen.

  6. 25.

    Genau. Gut abgeschrieben. Nur trifft es nicht auf die Schilderung von Sebastian zu

    Nicht der Gesetzestext zählt, sondern die Kommentare und die Rechtsprechung. Kleiner Tipp am Rande...

  7. 24.

    Mit welchen Mitteln wollen Sie sich wehren? Sie haben keine Mittel.

    Sie können ihren Wohnsitz aus Berlin woanders hin verlegen. Wenn Sie nicht mehr im Bezirk des LG Berlin wohnen, müssen Sie in Berlin nicht mehr als Schöffe tätig sein.

    Ich habe einen Schöffen, der als Vertreter durch Deutschland reist und trotzdem das Ehrenamt wahrnimmt

  8. 23.

    Den Einsatz auf bestimmte Wochentage zu beschränken, ist nicht möglich.

    Wer gewählt wurde, muss ran. Zu Jahresbeginn teilt man den Urlaub mit.

    Sich vor diesem Pflichtehrenamt zu drücken funktioniert kaum.

  9. 22.

    Bei längeren Verfahren werden zusätzliche Schöffen bestimmt.

    Wer die Altersgrenze nicht überschreitet, muss ggf ran. Ein normaler Bürger hat fast keinen Grund, dieses eine Pflichtehrenamt des Bundesbürgers abzulehnen.

  10. 21.

    An Arbeits - und Sozialgerichten sind auch Schöffen tätig, die nicht von Verbänden ect vorgeschlagen wurden.

    Ein Vorschlag bedeutet nicht, dass dieser Schöffe gewählt wird

  11. 20.

    Tja, bei Arbeits -und Sozialgerichten werden die Schöffen von den jeweiligen Interessenverbänden vorgeschlagen, und die wissen sehr wohl, wem sie für dieses Amt vorschlagen, es ist je Einer von jeder Seite.

  12. 19.

    Richter beißen nicht die Hand von der sie gefüttert werden ! Unser Rechtssystem ist genauso verlogen , wie in anderen Ländern !

  13. 18.

    Dann müsste man am Montag nach der Verhandlung womöglich noch 600 oder 700 Kilometer fahren, um am Dienstagmorgen irgendwo pünktlich zur Stelle zu sein. Und am Donnerstag müsste man bis zur Übermüdung auf der Autobahn bleiben, um rechtzeitig zur Verhandlung am Freitagmorgen wieder in Berlin zu sein. Was macht man, wenn sich der Einsatz am Donnerstag um Stunden nach hinten verlängert? Irgendwann muss man ja auch mal schlafen...

    Meiner Meinung nach ist so ein Amt nur etwas für Leute, die in Berlin arbeiten und sich jederzeit von irgendjemandem vertreten lassen können, wo also die Arbeit, die man verrichtet, nicht an die eigene Person gebunden ist.

  14. 17.

    Für die Berufsrichter gilt ja auch eine Altersgrenze. Und Verhandlungstage können schon ganz schön körperlich belastend sein. Und manche Verfahren am Landgericht ziehen sich über Monate und Jahre hin und ein längerer Ausfall eines Schöffen z.B. wegen Krankheit würde dazu führen, dass der ganze Prozess von vorn beginnen muss. Und das Risiko dazu steigt nun mal mit dem Alter.

  15. 16.

    Angesichts der Tatsache, dass AfD, NPD und weitere rechte Gruppierungen ihre Leute wiederholt dazu aufrufen, Schöffe zu werden, um mehr Einfluss für deren Sache nehmen zu können, hoffe ich, dass diesmal die Auswahl der Bewerber/innen etwas größer und in der politischen Ausrichtung breiter aufgestellt sein wird.
    Die Tatsache, dass zwei Schöffen einen Berufsrichter überstimmen können, lädt zur Unterwanderung geradezu ein.

  16. 15.

    Tja, es gibt in allen möglichen Bereichen Regelelungen auch zum Alter, es lohnt sich darüber nachzudenken, und für Sie, der gern Schöffe sein würde, dürfte sich der Sinn solcher Regelungen bald erschliessen.

  17. 14.

    Also ich könnte mir vorstellen, dass man zerschnittene Wochen organisatorisch verhindern kann, wieso soll das nicht gehen? Wenn man angibt, nur Montags und Freitags für das Amt zur Verfügung zu stehen?
    Ich kenne jedenfalls eine Schöffin am Sozialgericht, die ist sehr angetan von diesem Amt. Trotz Familienpflichten usw.

  18. 13.

    Warum darf ich, da über 70 Jahre alt, nicht Schöffe sein?.. finde ich diskriminierend. Möchte gern mitmachen.

  19. 12.

    Mein größtes Problem wäre nicht in erster Linie der Verdienstausfall, sondern der Umstand, dass ich deshalb fünf Jahre lang zehntausende Kilometer zusätzlich und überflüssigerweise (und klimaschädigend) auf der Autobahn abspulen müsste, wenn mir meine Wochen durch Gerichtstermine zerschnitten werden, meine Terminketten nicht mehr funktionieren und ich die verlorene Zeit niemals aufholen kann. Wenn mich so eine Einberufung treffen würde, dann würde ich mich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen wehren.

  20. 11.

    Ich habe tagtäglich mit Schöffen zutun und niemals haben ich oder meine Kollegen je solche Äußerungen gehört. Wer weiß, wen Sie kennen.

    Natürlich stehen Name und Vorname der Schöffen im Urteil. Sie waren ja auch an der Urteilsfindung beteiligt.

    Die Angst vor Übergriffen von rachsüchtigen Angeklagten ist unbegründet. Es hat noch nie einen dementsprechenden Vorfall gegeben.

    Selbständige bekommen ihren Verdienstausfall nach Nachweis ersetzt.

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