Antrag der Linken abgelehnt - Schulessen muss in Brandenburg weiterhin bezahlt werden
Ein kostenloses Mittagessen für alle in Kita, Hort und Schule: Ginge es nach der Linksfraktion im Landtag, sollte das in Brandenburg möglich sein. Doch der Antrag scheiterte. Mit der Begründung tat sich die Koalition schwer. Von Michael Schon
- Viele Eltern melden ihre Kinder vom Essen in Schule und Kita ab
- Die Linke scheitert mit einem Antrag auf kostenloses Kita- und Schulessen
- SPD, CDU und Grüne setzen stattdessen auf Kindergrundsicherung
Was Kathrin Dannenberg zu Beginn der Debatte schilderte, dürfte niemanden im Plenarsaal des Potsdamer Landtags kalt gelassen haben: Immer mehr Kinder würden in den Kitas von ihren Eltern vom gemeinsamen Essen abgemeldet, erzählte die bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion. Es klang verstörend: "Diese Kinder müssen beim Essen dabeisitzen und den anderen Kindern beim Essen zuschauen", sagte Dannenberg am Freitag im Parlament. Eine pädagogische und menschliche Katastrophe sei das. Hungernde Kinder - offenbar Alltag in Brandenburg im Jahr 2023.
Aus Sicht der Linken wäre das Problem einfach abzustellen: Das Mittagessen in Kita, Hort und Schule müsste kostenlos sein, finanziert vom Land, das die Einnahmeausfälle bei den Kita-, Hort- und Schulträgern pauschal ausgleicht. So forderte es die Fraktion.
Schulessen: Für manche Familien unerschwinglich
Damit soll die Landesregierung nach dem Willen der Linken eine Entwicklung ausgleichen, die sich mit dem Preisanstieg im vergangenen Herbst und Winter verschärft hat: Familien mit geringem Einkommen können ihren Alltag immer schwerer finanzieren. Nahrungsmittelpreise machen einen Großteil der Inflation aus, das trifft nach Einschätzung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor allem einkommensschwache Haushalte - und Familien mit vielen Kindern [boeckler.de].
Zwar haben Familien, die staatliche Hilfe wie Bürger- oder Wohngeld erhalten, einen Anspruch auf kostenloses Mittagessen in Kindergärten und Schulen. Allerdings sind für viele Betroffene die Hürden offenbar zu hoch.
Das zeigen Erfahrungen aus dem Potsdamer Stadtteil Am Schlaatz, einer Gegend, in der besonders viele Menschen wenig Geld zur Verfügung haben. In einem am Donnerstag veröffentlichten Brief mehrerer Potsdamer Sozialverbände an Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) werden Gründe dafür genannt: Familien müssten das kostenlose Mittagessen erst beantragen.
Manche scheiterten an sprachlichen Hürden oder seien beim Ausfüllen aus anderen Gründen auf die Hilfe von Sozialarbeitern angewiesen. Wenn sie das geschafft hätten, warteten sie oft bis zu einem halben Jahr auf den Bewilligungsbescheid. In dieser Zeit müssten sie die Kosten vorstrecken. Pro Kind könnten das in Potsdam bis zu 120 Euro sein.
Für Familien, die auf Transferleistungen angewiesen sind, ist das eine Ansage. Die Folge: An der Gesamtschule "Am Schilfhof" nehmen nach Angaben der Sozialverbände nur zehn Prozent der Jugendlichen das angebotene Mittagessen an. Die Bildungspolitikerin Dannenberg fasste es so zusammen: "Die gut gemeinten Entlastungsprogramme zeigen keine ausreichende Wirkung und kommen einfach nicht ausreichend bei den Familien an."
Linke fordert kostenloses Schulessen für alle
Deshalb zielte der Antrag der Linken darauf ab, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen - indem das Mittagessen in Schule und Kita für alle Kinder kostenlos wird. Umständliche Anträge und finanzielle Vorleistungen fielen so für alle Familien in Brandenburg weg. Auch müsse sich niemand mehr dafür schämen, um Geld für das Mittagessen seiner Kinder zu bitten, argumentiert die Linke.
Vom kostenlosen Essen würden aus Sicht der Linken und der Sozialverbände auch Familien profitieren, für die das Geld trotz Erwerbsarbeit nicht reicht. Bei einem Preis von 6,23 Euro für eine warme Mahlzeit an weiterführenden Schulen in Potsdam seien das nicht wenige, heißt es im Brief der Sozialverbände an den Oberbürgermeister. Genauere Zahlen zu Betroffenen aber nannten sie nicht.
SPD: Gratisverpflegung könne sich als "Zuschuss für überteuerte Caterer" herausstellen
Beim Ziel zeigten sich die Abgeordneten in der Landtagsdebatte einig: Kein Kind soll in Brandenburg hungern müssen. Dem Weg der Linken dorthin wollte allerdings nur die Fraktion von BVB/Freie Wähler folgen. Die Koalition aus SPD, CDU und Grünen begründete ihre Ablehnung mit unterschiedlichen Argumenten, ohne dabei einen schnellen Ausweg zu zeigen.
Die SPD-Bildungspolitikern Elske Hildebrandt verwies darauf, dass es bereits jetzt zahlreiche Maßnahmen zur finanziellen Entlastung gebe, zum Beispiel der Wegfall von Kitabeiträgen für Familien mit einem Haushaltsnettoeinkommen bis 35.000 Euro. "Es ist eine ganz unmittelbar erfahrbare Entlastung, gerade für Familien mit geringerem Einkommen", sagte Hildebrandt. Bei den Hilfsprogrammen gebe es ein "Umsetzungsproblem", gestand sie ein. Sie warnte davor, dass die Kosten für eine Gratisverpflegung sich als Zuschuss für überteuerte Caterer herausstellten und die Preise womöglich weiter in die Höhe trieben.
Kristy Augustin, bildungspolitische Sprecherin der CDU, verwies auf die geplante Kindergrundsicherung, die parteiübergreifend auf Bundesebene erarbeitet wird und Familien mehr Geld zur Verfügung stellen soll - was sich allerdings noch zieht. "Angesichts hungernder Kinder geht warten natürlich nicht. Aber diesem Aufschlag nicht vorzugreifen, finde ich wichtig", sagte Augustin.
Bildungsministerin verweist auf Zuständigkeit der Schulträger
Auch Grünen-Bildungspolitikerin Karla Kniestedt argumentierte mit einem "Ja, aber". "Sicher wäre das im Prinzip gut", sagte sie zu kostenlosem Schulessen. Allerdings müsse dies auch gesund, fair und regional sein. Außerdem finde sie den Gedanken merkwürdig, die Hürden bei der Beantragung von Hilfen mit Steuergeldern aus dem Weg zu räumen: "Dass wir diese Malaisen, die amtlich existieren, kompensieren sollen durch Geld, was jetzt ins System reingeht, das ist nicht die Lösung. Wir müssen dafür sorgen, dass alle diesen Anspruch auch bekommen", sagte Kniestedt.
Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) verwies darauf, dass ihr Haus für die Lösung des Problems nicht zuständig sei: "Beim Schulessen haben wir eine Zuständigkeit des Schulträgers", sagte sie - also meist die Kommunen. "Wir können da gar nicht einfach eingreifen."
Der Antrag der Linken wurde am Ende mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Auch die AfD votierte dagegen. Schnelle Unterstützung vom Land ist für die betroffenen Familien also erst einmal nicht in Sicht.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.03.2023, 19:30 Uhr