Türkei-Wahl - Erdogan in Berlin nur knapp vor Kilicdaroglu - Konsulat öffnet ab Samstag für Stichwahl
Erdogan und Kilicdaroglu müssen in der Türkei zur Stichwahl antreten. In Berlin lagen zwischen den Kandidaten wohl nur wenige Stimmen. Die in Berlin lebenden Türken können ab Samstag wieder an die Wahlurne.
Die Präsidentenwahl in der Türkei geht in die zweite Runde. Am 28. Mai treten in der ersten Stichwahl in der Geschichte des Landes Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu gegeneinander an. Im ersten Durchgang am vergangenen Sonntag hatte keiner der beiden die nötige Mehrheit erhalten. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 89 Prozent.
Stimmabgabe in Berlin von Samstag bis Mittwoch
Die 60,7 Millionen Wähler im Inland können daher in zwei Wochen erneut ihre Stimme abgeben. Auch die 3,4 Millionen Wahlberechtigten im Ausland - darunter 1,4 Millionen in Deutschland - können erneut an die Urne treten.
In Berlin sind wieder etwa 101.000 Menschen mit türkischem Pass stimmberechtigt. Sie können ab dem kommenden Samstag bis Mittwoch - wie im ersten Durchgang auch - im türkischen Konsulat in der Heerstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf ihre Stimme abgeben. Auch die 5.300 Stimmberechtigten aus Brandenburg müssen dort wählen. Das Konsulat wird an allen fünf Tagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet sein.
Im ersten Wahldurchgang lag Erdogan in der Türkei am Ende laut Wahlkommission mit 49,5 Prozent der Stimmen vor Kilicdaroglu, der 44,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinte.
In Berlin kam Erdogan nach Daten der türkischen Zeitung Yeni Safak [yenisafak.com], die der Regierungspartei AKP nahesteht, auf 49,2 Prozent, Kilicdaroglu auf 48,8 Prozent. "Nur 226 Stimmen" lagen zwischen Amtsinhaber und Herausforderer, sagte Kenan Kolat von der oppositionellen CHP in Berlin.
65,4 Prozent der Stimmen in Deutschland für Erdogan
In allen anderen deutschen Städten gewann klar der 69 Jahre alte Präsident - in Essen mit 77,6 Prozent, in Stuttgart mit 69,5 Prozent und in München mit 62,2 Prozent. In ganz Deutschland stimmten 65,4 Prozent für Erdogan. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,3 Prozent.
In Frankreich stimmten 64,2 Prozent für Erdogan, in Belgien sogar 72,3 Prozent.
Dass Erdogan von im Ausland lebenden Türken mehr Stimmen bekommen hat, habe psychologische Gründe, erklärte Kolat am Dienstagmorgen im rbb24 Inforadio: Er nutze den Umstand, dass es beispielsweise in Deutschland Türkei- und Islamfeindlichkeit gebe. Er verkaufe sich als "Vater aller Türken" im Ausland und gebe den Menschen eine Art Nestwärme.
Auch durch die Schaffung des Amts für Auslandstürken habe er gepunktet. So seien einige Probleme gelöst worden. Die Anhängerschaft Erdogans sei rational aber nicht zu erklären, sagte Kolat.
Berlin sei im Vergleich zu anderen Städten ein Leuchtturm der Opposition: "Wir haben hier einen größeren Anteil an Aleviten und kurdischen Menschen als in anderen Bundesländern, die traditionell links wählen", so Kolat weiter.
Wie entscheiden sich die Wähler von Sinan Ogan?
Die meisten Experten sind der Ansicht, dass es für Kilicdaroglu und sein Oppositionsbündnis schwierig wird, den Vorsprung Erdogans in den beiden Wochen bis zur Stichwahl aufzuholen. Entscheidend wird unter anderem sein, wie sich die Wähler vom drittplatzierten Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-AllianzOgan entscheiden, der nicht in die Stichwahl zieht.
Auch der im Berliner Exil lebende türkische Journalist und Oppositionelle Can Dündar sieht bei der Stichwahl kaum Chancen für einen Sieg des Oppositionsführers Kilicdaroglu. Er erwarte keinen Sieg der Opposition in der zweiten Wahlrunde, "da Erdogan die Mehrheit nur sehr knapp verfehlt hat und der mögliche Königsmacher Sinan Ogan der Regierung näher steht als der Opposition", sagte Dündar der Nachrichtenagentur AFP.
Zudem sei die Enttäuschung bei den Wählern, die am Sonntag für den Sozialdemokraten Kilicdaroglu gestimmt haben, so groß, "dass es schwierig werden könnte, sie zu einem erneuten Urnengang zu bewegen", ergänzte Dündar.
Der Wahlausgang überraschte Dündar, der in der Türkei unter anderem wegen angeblicher Spionage zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt worden war, nicht: "Wir wussten, dass es nicht leicht werden würde, da der Wahlkampf unfair war und komplett von der Regierung kontrolliert wurde", sagte der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet".
Erdogan in der Türkei seit 20 Jahren an der Macht
Erdogan ist in der Türkei seit 20 Jahren an der Macht. Sollte er die Stichwahl gewinnen, wird er das Land weitere fünf Jahre regieren. Bei der letzten Wahl 2018 hatte Erdogan auf Anhieb mit 52,6 Prozent der Stimmen gesiegt. Schon damals schnitt er bei den Deutsch-Türken überdurchschnittlich gut ab, holte etwa 420.000 Stimmen (64,8 Prozent, Wahlbeteiligung: 48 Prozent). In Berlin votierten vor fünf Jahren 52 Prozent für Erdogan, der Rest wählte die Gegenkandidaten der Opposition.
Auf Youtube: Wahlen in der Türkei: Holt Erdogan in Berlin wieder die meisten Stimmen?
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.05.2023, 19:30 Uhr