Partei in der Krise - Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch legt Amt nieder

Mi 16.08.23 | 16:35 Uhr
  135
Archivbild: Dietmar Bartsch im Portrait bei Ihrem Statement im Vorfeld der Fraktionssitzung Die Linke am 04.07.2023. (Quelle: dpa/Flashpic/Jens Krick)
Audio: rbb24 Inforadio | 16.08.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Flashpic/Jens Krick

Kurz nach Amira Mohamed Ali verlässt auch Dietmar Bartsch die politische Bühne: Sein Amt als Fraktionschef der Linken im Bundestag will er im September niederlegen. Damit spitzt sich die Existenzkrise der Partei zu.

Die Linke verliert ihren nächsten prominenten Vertreter: Der langjährige Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch gibt sein Amt ab. Er werde bei der Vorstandswahl am 4. September nicht erneut kandidieren, erklärte der 65-Jährige am Mittwoch in einem Schreiben an die Fraktion. Den Entschluss habe er vor langer Zeit gefasst, betonte Bartsch.

Vor einigen Tagen hatte bereits seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ihren Rückzug angekündigt. Hintergrund ist der Richtungsstreit um die Abgeordnete Sahra Wagenknecht.

Bartsch: Entscheidung liegt schon lange zurück

Wagenknecht trägt die politische Linie der Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan nicht mit und will bis zum Jahresende entscheiden, ob sie eine eigene Partei gründet. Falls es dazu kommt, droht der Linken und ihrer Bundestagsfraktion die Spaltung. Es wird erwartet, dass dann mehrere der 39 Abgeordneten die Linke zusammen mit Wagenknecht verlassen. Mit weniger als 37 Mandaten würde aber der Fraktionsstatus verloren gehen und damit Geld, Posten und Einfluss der kleinen Oppositionspartei.

Bartsch begründete seinen geplanten Rückzug aber nicht mit der aktuellen Krise, sondern schrieb an die Abgeordneten: "Meine Entscheidung, den Fraktionsvorsitz nach acht Jahren abzugeben, in denen ich die Fraktion zunächst mit Sahra Wagenknecht, dann mit Amira Mohamed Ali geleitet habe, ist lange vor der letzten Bundestagswahl gefallen. Meine Familie und engste politische Freunde kannten diese Entscheidung. Ja, viele haben mich in den vergangenen Tagen und Wochen heftig gedrängt, in dieser für die Partei nicht leichten Situation, noch einmal zu kandidieren. Letztlich bin ich bei meiner Entscheidung geblieben."

Walter zeigt sich überrascht

Der Brandenburger Landesvorsitzende der Linken, Sebastian Walter, sagte, mit Bartsch gehe der Bundestagsfraktion viel Erfahrung verloren. "Ich bin sehr überrascht über die Meldung, bedauere auch die Entscheidung von Herrn Bartsch, aber ich respektiere sie natürlich. Für eine personelle Neuausrichtung gibt es jetzt die Möglichkeit und ich glaube, das ist auch eine Chance, die er uns hier gibt und die muss man jetzt auch nutzen", sagte Walter.

Nur wegen dreier Direktmandate in Fraktionsstärke

Bei der vergangenen Bundestagswahl war die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und nur aufgrund dreier Direktmandate (zwei in Berlin, eines in Leipzig) in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen. Die Berliner Direktmandate errangen Gesine Lötzsch in Lichtenberg (seit 2002) und Gregor Gysi in Treptow–Köpenick (seit 2005).

Da die Wahl in Berlin chaotisch verlaufen war, droht in der dort eine Teil- oder vollständige Wiederholung. Sollten Gysi oder Lötzsch im Zuge desseni ihr Direktmandat verlieren, wäre auch der Fraktionsstatus der Linken im Bundestag in Gefahr. Der Vorgang liegt derzeit beim Bundesverfassungsgericht.

Nachfolge ist offen

Dietmar Bartsch ist seit 2015 Co-Vorsitzender der Linken-Bundestagsfraktion, zuerst zusammen mit Wagenknecht, zuletzt mit Mohamed Ali. Diese hatte ihren Rückzug mit Protest gegen den Umgang der Parteispitze mit Wagenknecht begründet. Bartsch hatte daraufhin seine Zukunft zunächst offen gelassen. Nun hat auch er sich festgelegt. Wer den beiden nachfolgen könnte, ist offen.

Mit Bartsch zieht sich einer der prominentesten Linken aus der ersten Reihe zurück. Der 65-Jährige stammt aus Mecklenburg-Vorpommern und bekleidet seit Jahrzehnten hohe Parteiämter. Lange war er Bundesgeschäftsführer der Vorgängerpartei PDS und der 2007 neu gegründeten Linken. 2009 managte er den Bundestagswahlkampf. 2012 kandidierte er als Parteichef, verfehlte aber die nötige Mehrheit. 2017 war Bartsch neben Wagenknecht Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, 2021 trat er mit Parteichefin Wissler an.

Insgesamt dreht sich der Streit in der Linken nicht nur um die Person Wagenknecht, sondern um die Frage, was moderne "linke" Politik ist. Die Parteispitze umwirbt die Klimabewegung und will radikalen Klimaschutz verbunden mit sozialem Ausgleich. Wagenknecht und ihre Unterstützer warnen vor zu großen Belastungen durch Klimaschutz. Sie wollen Migration begrenzen und trotz des Ukraine-Kriegs weiter billige Energieimporte aus Russland.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.08.2023, 13:00 Uhr

 

135 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 135.

    Ggf. Ergänzung zum Beitrag 134, mit der Bitte um Nachsicht für so viel Geschriebenes:

    Während die Partei Die Linke sichtbar und nicht zu leugnen leidet unter ihren Kontroversen, die ihre führenden Vertreter um einer persönlichen Rechthaberei willen führen, so scheint es bei der AfD fast schon Lebenselixier zu sein: ohne Verkrachtheit gegenüber nahezu Allem und Jedem, ohne solches lauthalses Knallen scheint das eigene Weltbild ins Wanken zu geraten.

    Der gegensätzlich verlaufende Zuspruch bei Umfragen hat m. E. auch diesen Hintergrund, neben vielem anderen.

  2. 134.

    @ Dagmar, Uwe ...

    In meinen Augen liegt das Defizit darin, gleichermaßen auf zwei verschiedenen Ebenen zu analysieren/ zu denken, ohne dabei schizophren zu werden.

    NSDAP und KPD lagen m. E. politisch und vom Menschenbild her so weit auseinander, wie es weiter nicht mehr ging. Im einen die rassistische Überhebung der einen über die anderen, im anderen der Versuch der Gleichheit aller Menschen.

    Und im anderen, der gewählten Form ihrer Organisation, glichen sie sich wie ein Ei dem anderen: Eine vollkommen starre Parteiorganisation, die Allmacht einer Zentrale, die Unterdrückung jeder missliebiger, abweichender Meinung.

    Die Starrheit des Parteiapparates ist heute der Rauflust, dem Krach bis zum Geht-nicht-Mehr oder dem Verratsgeschrei gewichen - innerhalb der Partei Die Linke wie auch bei der AfD. Insofern, mit Abstrichen, auch hier eine Gleichheit bei Ungleichheit, wie oben.

  3. 133.

    Überflüsig und spalterisch unterwegs zu sein, das ist ein Merkmal, dass nicht nur Parteien betrifft, in sofern hat es mit Hufeisentheorie rein gar nichts zu tun.
    Sie geben sich doch so allwissend, und dann so eine Bildungs-und Verständislücke, was für ein Manko.
    Tja, bei Ideologen nichts ungewöhnliches.

  4. 132.

    Wieder das gewohte Geschwurbel, es ist überflüssig , und um so länger es ist, um so ideologisch gefärbter kommt es da her.

  5. 131.

    Nicht wirklich ein Verlust.

  6. 127.

    AfD und Linke machen auf kommunaler Ebene schon gemeinsame Sache!

  7. 126.

    Wohl eher Blick ins Parteiprogramm: Abschaffung der Erbschaftsteuer, Senkung des Spitzensteuersatzes, keine steuerliche Entlastung von Familien, nichts für Rentner usw. Können Sie ja selbst nachlesen. Dazu der Wunsch der AfD-Sachsen, Transfergeldempfängern das Wahlrecht zu entziehen.

  8. 124.

    Sahra Wagenknecht, die für die Partei Die Linke immer und überall "unsichtbar" im Raum steht, hat in meinen Augen eine außerordentlich hohe analytische Gabe und psychologisch ist sie fast schon besessen von Rigidität und Rigorismus. Zu allen Zeiten gab es Anstöße, auch heftige, wo auf den Tisch gehauen werden musste; erschöpft sich ein Mensch darin, das "enfant terrible" zu spielen, ist daraus offenbar kein Entkommen mehr.

    Aus meiner Außensicht heraus glaube ich nicht, dass das für die Partei Die Linke lösbar ist.

    Einzelne Menschen mit dem Parteibuch Die Linke gelten völlig zu Recht als glaubwürdig. Dazu zählen für mich Bodo Ramelow in Thüringen und, mit etwas Abstrichen, in der Vergangenheit Klaus Lederer in Berlin. Die sind klug genug, sich mittels Partei nicht "verheizen" zu lassen.

  9. 123.

    Ich werde meinen Anteil dazu beigetragen das die linke auch hier nichts mehr zu sagen haben. Diese Partei ist so überflüssig

  10. 122.

    Kann Ihrem Kommentar bzw. dem Zusammenhang Wagenknecht/AfD nicht folgen ...

    @Eric+Sven schreibt: "Sollte es je eine "Wagenknecht-Partei" geben, ist die für mich wählbar."

    Und Sie antworten mit "Biografien" alter Herren, der nicht mehr existenten DDR, und jetzigen AfDlern?

  11. 121.

    "Sollte es je eine "Wagenknecht-Partei" geben, ist die für mich wählbar."

    Selbstverständlich ist die für sie wählbar, so wie auch Elsässer und Mahler für sie wählbar wäre.

    In der rechtsextremen AfD befinden sich mehr "Stasibüttel" wie in jeder anderen Partei. Und schon fällt ihr Lügengebilde wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

    Peter Drenske war von 1985 bis 1988 Mitglied der SED. 2014 trat er in die AfD ein und seit 2015 Mitglied im AfD-Kreisvorstand Elbe-Elster, seit 2018 ist er stellvertretender Kreisvorsitzer. Von 1979 bis 1982 war er beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“.

    Der Thüringer AfD-Landtagsabgeordnete Dieter Laudenbach wurde von der DDR-Staatssicherheit mit dem Decknamen "Klaus" als Spitzel geführt.

    Soll ich noch mehr Beispiele bringen?

  12. 120.

    "Die Gemeinsamkeit beider Extreme überflüssig und spalterisch zu sein, die hat mit Hufeisentheorie nichts zu tun, und diese Gemeinsamkeit ist auch in Fachkreisen unbestritten. "

    Da gibt es keine "Gemeinsamkeiten", auch wenn sie und ihresgleichen Die Linke unentwegt damit diffamieren wollen. Sie fallen hier ständig mit rechter bis rechtsextremer Rhetorik auf.

    In Fachkreisen ist es unbestritten, dass es keine Gemeinsamkeiten gibt. "Die von Jesse mitentwickelte Extremismustheorie sowie der Totalitarismusbegriff stehen in Konkurrenz zur Faschismustheorie und werden von verschiedener Seite abgelehnt. So kritisiert beispielsweise der Politologe Richard Stöss, dass eine Gleichsetzung von Linksextremismus und Rechtsextremismus durch den Begriff „Totalitarismus“ sich nicht für eine differenzierende Analyse eigne. Es bestünden gravierende Unterschiede zwischen beiden Phänomenen, insbesondere die originär anti-demokratische Haltung rechter Ideologien werde verschleiert."

  13. 119.

    "verlässt auch die politische Bühne" - seltsames Politikverständnis beim rbb - alle gennanten Personen sind nach wie vor Mitglieder eine Parlaments, also der Bühne wo der politische Wille in Gesetzen niedergeschrieben wird.

  14. 118.

    "Sollte es je eine "Wagenknecht-Partei" geben, ist die für mich wählbar."

    Selbstverständlich ist die für sie wählbar, so wie auch Elsässer und Mahler für sie wählbar wäre.

    In der rechtsextremen AfD befinden sich mehr "Stasibüttel" wie in jeder anderen Partei. Und schon fällt ihr Lügengebilde wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

    Peter Drenske war von 1985 bis 1988 Mitglied der SED. 2014 trat er in die AfD ein und seit 2015 Mitglied im AfD-Kreisvorstand Elbe-Elster, seit 2018 ist er stellvertretender Kreisvorsitzer. Von 1979 bis 1982 war er beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“.

    Der Thüringer AfD-Landtagsabgeordnete Dieter Laudenbach wurde von der DDR-Staatssicherheit mit dem Decknamen "Klaus" als Spitzel geführt.

    Soll ich noch mehr Beispiele bringen?

  15. 117.

    "Lasst den armen Mann doch in den wohlverdienten Ruhestand gehen.2
    Das sehe ich genauso. Er ist 65 Jahre jung und möchte vielleicht seinen Ruhestand genießen. Es sei ihm gegönnt!
    Alles Gute

  16. 116.

    Jeder der jetzt abspringt macht das Richtige, denn so wie die Partei aufgestellt ist und sich in der Öffentlichkeit präsentiert hat sie kaum eine Chance. Die haben sich mit ihren Themen so festgefahren, das braucht niemand. Selbst der Parteiname ist verbrannt und bringt denen die eisern festhalten wenig. Handeln, in dem die, die neue Ideen haben der Partei einen neuen Namen geben und der Sahra Wagenknecht zuvor kommen und dann noch einmal mit neuen Gesichtern in den neuen Bundesländern anfangen, und nicht wieder ein Bündnis mit irgend einer anderen Partei eingehen.

Nächster Artikel