Meinung | Umfragehoch der AfD - Wie normal soll Brandenburg werden?
Die AfD erlebt ihr Allzeit-Hoch, aber die Programmatik der Rechts-Außen-Partei von einem "normalen" Deutschland scheint vielen unbekannt. Welche Normalität in Brandenburg Einzug hält, dafür haben all die anderen Parteien auch Verantwortung, meint Thomas Bittner.
Es war mal einfacher. Regierungskoalitionen waren Verbindungen von Partnern, die ein gemeinsames Projekt hatten. Rot verband sich mit Rot oder Grün, Schwarz mit Gelb. Linksliberal oder bürgerlich-liberal – das war die Auswahl. Als die Bindungskräfte der großen Parteien nachließen, mussten sich für eine Parlamentsmehrheit Kräfte zusammentun, die ideologisch nicht viel verband. Erst CDU mit SPD, später musste noch eine dritte Kraft dazu kommen. Und dass in Zeiten, da der Veränderungsdruck besonders hoch ist, die Probleme immer komplexer werden.
Von der Unsicherheit der Regierenden profitiert die AfD
Dreierkombinationen schaffen es bis zur Verkündung eines Koalitionsvertrags, sich mit einer gemeinsamen Überschrift an die Arbeit zu machen. Es sind Vernunftehen, keine Liebesheiraten. Im politischen Alltag dringen dann Streit und gegenseitige Blockaden nach außen. Das ist das Fatale.
In diesem Sommer stritt sich in Berlin die Ampel über das Heizungsgesetz, die Kindergrundsicherung oder das Wachstumschancengesetz. In Potsdams Kenia-Bündnis herrscht Uneinigkeit in der Koalition zur Forderung nach schärferen Grenzkontrollen, über die Kosten der Integration, das Tempo des Kohleausstiegs, zum Klimaplan oder zur Ernährungsstrategie.
Von den Unsicherheiten, die die Regierenden ausstrahlen, profitiert die Kraft, die gar keine Verantwortung trägt. Während die SPD mit 20 Prozent auf einem Allzeit-Umfragetief landet, erlebt die AfD mit 32 Prozent ihr Allzeithoch. Wäre das ein tatsächliches Wahlergebnis, könnte nur noch eine Viererkoalition gegen die AfD regieren. Mit erwartbaren Folgen: Die Uneinigkeit in der Regierung wäre größer denn je. Dass damit das Wahlvolk zufrieden wäre, kann man ausschließen. Ein Teufelskreis.
AfD-Agenda wird konsequent ignoriert
Das Personal der AfD scheint für deren Boom nicht das entscheidende Kriterium zu sein, denn selbst unter AfD-Anhängern sind nur neun Prozent mit der politischen Arbeit des Fraktionsvorsitzenden zufrieden. Auch die rechtsalternative Agenda scheinen viele Brandenburger nicht zu kennen. Dass viele derjenigen, die ihr Kreuz bei der AfD sehen, von der extrem neoliberalen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Rechtsaußen-Partei wohl kaum profitieren würden, wird ignoriert.
Das "normale" Deutschland, das die AfD selbstverharmlosend als Ziel erklärt, ist eine Illusion: Dass sich Migranten aus dem globalen Süden auf den Weg nach Europa machen, wird eine AfD nicht verhindern können. Dass die fossilen Energieträger endlich sind, kann eine AfD nicht rückgängig machen. Dass Minderheiten ihre Rechte einfordern, könnte die AfD nur mit Repression zurückdrängen. So ein Deutschland wäre alles andere als normal. Welche Normalität in Brandenburg Einzug hält, dafür haben all die anderen Parteien auch Verantwortung.
Sendung: rbb24, 14.09.2023, 13 Uhr