Brandenburg an der Havel - Um Blühwiesen wird erbittert gestritten

Do 28.09.23 | 18:07 Uhr | Von Claudia Baradoy
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Bodo Rudolph (NABU) (Quelle: rbb)
Video: Brandenburg Aktuell | 26.09.2023 | Claudia Baradoy | Bild: rbb

Blühwiesen anzulegen ist derzeit groß in Mode. Doch nicht überall lösen diese selten gemähten Flächen Begeisterung aus. In Brandenburg an der Havel etwa tun sich gerade manche sehr schwer damit. Von Claudia Baradoy

Vor dem Pauli-Kloster in Brandenburg an der Havel schießen Klee, Gras und Beifuß wild und hüfthoch ins Kraut. An manchen Stellen ist das Grün verdorrt und gelb. 2018 hatte die Stadt die Rasenfläche am Kloster, wie auch die östlich des Weinbergs und am Dom, schrittweise zu Wildblumen- beziehungsweise Kräuterwiesen umgestaltet – insektenfreundlich und ein Beitrag zum Programm "Brandenburg summt".

CDU kritisiert Wildwuchs

Das gefällt nicht allen – zum Beispiel nicht der CDU. Im Laufe der Jahre seien die Wiesen zu unansehnlichem Wildwuchs verkommen und deshalb einfach ein Ärgernis, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Jean Schaffer: "Wir befinden uns hier in der Innenstadt von Brandenburg an der Havel. Die soll schön sein." Für Schaffer sind die Wiesen ein Schandfleck.

"Das Problem ist einmal, dass es nicht schön aussieht, natürlich einige Hundebesitzer hier ihre Vierbeiner ihr Geschäft erledigen lassen und durch das hohe Gestrüpp die Kinder auch nicht zu sehen sind", argumentiert Schaffer.

Immerhin hat die Stadt die fragliche Blühwiese, die sich in unmittelbarer Nähe des Doms vor einer Grundschule befindet, kürzlich gemäht. Der hohe Bewuchs wurde gekürzt, so dass Autofahrer wieder eine gute Sicht haben. Denn hier überqueren oft Kinder die Straße.

60 Blühflächen in der Stadt

Außer der Fläche am Pauli-Kloster und dem Weinberg gibt es 60 weitere Blühflächen in der Stadt -zum Beispiel an den Domlinden, in Göttin, an der Ziesarer Landstraße, am Mühlendamm, am Grillendamm oder an der Näthewindebrücke.

Und wo die einen Unkraut sehen, sehen die anderen wertvolle Wildnis. Zum Beipiel Bodo Rudolph, der Vorsitzender des Nabu-Regionalverbandes Brandenburg/Havel. Für ihn muss es nicht der "englische Rasen" sein: "Dass nicht allen Menschen das gefällt, wie eine Blühwiese aussieht, gerade wenn sie sehr selten gemäht wird, das kann ich nachvollziehen. Aber wir müssen anfangen, unser ästhetisches Empfinden zu überprüfen."

Diese Flächen hätten nicht nur eine ökologische Funktion, sondern seien auch für die Menschen wichtig, weil sie für ein gutes Mikroklima in der Stadt sorgten und Feinstaub bänden, sagt Rudolph. "Solche Flächen müssen einfach auch gepflegt werden. Sonst blühen sie nicht. Wir sind also nicht gegen eine Mahd von Wiesen und Flächen. Wir sind dagegen, dass sie zu häufig und zu kurz gemäht werden. Man muss ein bisschen ökologisches Verständnis haben."

Nicht alle mögen Blühwiesen

Dieses ökologische Verständnis bringen nicht alle Anwohner auf. "Ich komme hier fast jeden Tag vorbei", sagt etwa Dieter Braun. "Als es immer gemäht wurde damals, sah es viel besser aus. Klar denken die wieder an die Bienen und alles Mögliche. Aber trotzdem, ich wäre dafür, dass gemäht wird."

Wenn es nach der CDU ginge, würde die Stadt aus dem Programm "Brandenburg summt" aussteigen – einen entsprechenden Antrag formulierte sie für die Stadtverordnetenversammlung.

600 Unterschriften für den Erhalt

Das löste Diskussionen unter den Stadtverordneten über den Umgang mit solchen Flächen aus. Schon vor der Stadtverordnetenversammlung zeichnete sich ab, dass die CDU mit ihrem Antrag, die Blühwiesen wieder in kurzgeschorene Rasenflächen zu verwandeln, nicht durchkommen würde. Die Grünen sammelten in einer Online-Petition fast 600 Unterschriften zu Erhalt der Blühwiesen.

Auch andere Stadtverordnete wollen nicht so rigoros alles kurzgemäht sehen. Natürlich wolle man ein gepflegtes Stadtbild. Doch auch der Ökologie müsse Rechnung getragen werden.

Die CDU ruderte daraufhin zurück und formulierte ihren Antrag um: Die Blühwiesen sollen sechsmal pro Vegetationsperiode gemäht werden, um den Wildwuchs einzudämmen. Dieser Antrag wurde am Mittwoch mehrheitlich angenommen – gegen den Widerstand der Grünen.

Grüne kritisieren Mahd

"Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", kritisiert die Fraktionsvorsitzende Martina Marx. "Das starre, sechsmalige Mähen bringt nichts und macht die Flächen kaputt. Man muss den Umständen entsprechend mähen."

Wie die Blühwiesen in Brandenburg letztlich gemäht werden, wird sich dann im nächsten Jahr zeigen – für dieses Jahr nähert sich die Vegetationsperiode ihrem Ende.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 26.09.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Claudia Baradoy

31 Kommentare

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  1. 31.

    Liebe Naturwiesenhasser, lernt es einfach mal: das sind keine _Un_kräuter, das sind _Bei_kräuter.
    Unkraut, alleine das Wort, klingt ja wie _Unter_mensch.
    Beikräuter!

    Bitte auch mal Rainald Grebe - Aufs Land anhören ;-)

  2. 30.

    Die Natur steht bzw. stand für das Leben.
    Die "deutsche Ordnung" steht für den Tod.
    "Zuerst stirbt die Natur, dann der Mensch."
    (Altes indianisches Sprichwort)

  3. 29.

    Wenn es mit der Wildblumenwiese nicht gleich klappt, können auch Nachtkerzen, Toppinambur, Königskerzen, Lavendel, ggf auch Ysop im Mix gesät/ gepflanzt werden. Die sind sehr trockenresistent, Insektenfreundlich und sehen gut aus...

  4. 28.

    Eine EX-Blühwiese in Cottbus, die Chronologie: Die ursprüngliche Rasenfläche wird als erstes abgetragen, dann erfolgt der Auftrag von neuem Mutterboden und das Einbringen der "Blüher", im nächsten Frühjar: große Freude, eine bunte Wiese, optisch ein Hingucker. Im Folgejahr: mhh, kaum etwas zu sehen von einer Blühwiese, offenbar hat sich der eine oder andere Hobbygärtner bedient an den Pflanzen und auch Blumenzwiebeln. So wurde aus einer für viel Geld angelegten Blühwiese wieder ein normaler Rasen, welcher in einem Anfall von Übermotivation bis zur Grasnarbe regelmäßig heruntergemäht wird, dass selbiger Null Chance hat, sich gegen Sonne und Austrocknung zu wehren. Schön braun bis grau gucken die dürren Halme aus der vertrockneten ehemaligen Blühwiese. Das schon krankhafte Mähen von Grünflächen in Cottbus ist nicht mehr nachzuvollziehen. Das sonore Brummen der Mäher und Trimmer ist allgegenwärtig von April bis Oktober. :-(

  5. 27.

    Es gibt Zeitpunkte, wo man schneiden und entnehmen und nachsähen muss. Faule Besitzer werden sich mit diesen Zeitpunkten nicht beschäftigen. Sie erfinden lieber die Moral neu? Verrückt, wenn dann die Fleißigen, hier im Forum beschimpft werden und sogar als „krank“ u.A. betitelt werden. Noch schlimmer: Das politisch festzumachen.... Obwohl? Wo versammeln sich die Fleißigen eher?

  6. 26.

    Blühwiesen erfreuen nur die faulen Besitzer und Zecken.
    Als bitte keine Hunde und Kinder darin rumtollen lassen!

  7. 23.

    "Der hohe Bewuchs wurde gekürzt, so dass Autofahrer wieder eine gute Sicht haben."
    genau, das ist das wichtigste ... Alles für den Autofahrer. Kranke Welt ...

  8. 22.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 28.09.2023 um 22:45

    Ja das stimmt. Aber man muss was machen. Es gibt auch Gewinner des Klimawandels: Löwenzahn, Ackerwinde, Berufkraut usw. Nur wer fleißig ist und weiß was man tut, sieht ein schönes Ergebnis.

  9. 21.

    "Experiment gescheitert", "Unkraut" etc. Der CDU-Vertreter hat offensichtlich keine Ahnung, wie Artenschutz und Förderung der Biodiversität funftioniert. Viele empfinden naturbelassene Flächen als "unordentlich", aber viele Insekten und Vögel brauchen und nutzen die abgeblühten und trockenen Stauden. Zum Ende der Vegetationsperiode oder zu Beginn der nächsten muss allerdings gemäht werden, damit die Pflanzenvielfalt erhalten bleibt. Können wir nicht auf bestimmten Flächen auch in den Ortschaften einfach mal etwas mehr Natzr zulassen? Oder im eigenen Garten?

  10. 19.

    Eine schöne bunte Wiese ist das, was die CDU gerne hätte, aber nicht unbedingt die Wildbienen und Schmetterlinge."

    Oder, um ein uraltes Zitat der Konservativen, leicht angepasst, zu erwähnen:

    Ich hab ja nix gegen Blühwiesen, nur gepflegt müssen sie sein.

  11. 18.

    Nein, eine Blühwiese macht weniger Arbeit als Rasen. Auch muss sie nicht nachgesagt werden wenn man gleich die Richtige nimmt und nicht vom Discounter. Ich finde Rasen häßlich und erfreue mich an wilden Wiesen. Sie sehen nicht immer so gut aus wenn es nicht regnet, a er sind trotz allem viel sinnvoller als Rasen. Aber das Umdenken findet leider noch nicht statt, das sehe ich auch bei meinen Kleingarten Nachbarn. Es wird immer noch jeder Schnipsel Wildkraut rausgerissen und die Erde der Korision

  12. 17.

    Eine schöne bunte Wiese ist das, was die CDU gerne hätte, aber nicht unbedingt die Wildbienen und Schmetterlinge. Es dauert leider jahre, bis man eine echte Wieldwiese geschaffen hat. Weil sich, eben nur durch 1 - 2 x Mahd nur die Samen durchsetzen, die genau zu diesem Standort passen. In einer Stadt mit den verschiedenen Vorstellungen der Menschen dürfte das eher schwierig sein.

  13. 16.

    Die Meinung der CDU lässt sich so zusammenfassen: Natur ist "unansehnlich", sieht "nicht schön" aus und ist deshalb einfach ein "Ärgernis".

    Die Band Deichkind hat die Ablehnung der Natur und die Ängste vor der Natur in der CDU gut zusammengefasst in dem Lied "In der Natur".

  14. 15.

    Wenn man eine Wiese gar nicht mäht, wachsen zuerst Sträucher und irgendwann Bäume.
    Man könnte statt Mähen auch Weidetiere, wie z.B. Schafe beschäftigen. Ziegen brauchen mehr Platz - die machen irgendwann alles platt.
    Bei uns kann ich jetzt über die Leute, die längs der B112 das Grün pflegen, gar nicht klagen. Die hatten diese Jahr echt ein „Händchen“ zwischen blühenden Pflanzen und Ordnung, die ja auch sein muss. Auch aus Imkersicht fand ich das gut gemacht.

  15. 14.

    Eine schöne und nützliche Blühwiese macht Arbeit. Viel Arbeit. Und kostet. Die Nachsaat jährlich ist wichtig. Es ist also nichts für „Faulis“ die meinen „die Natur macht das schon“. Finden sich die Fleißigen in den Städten mit angelegten Blühwiesen? Nicht eine Einzige konnte nach 3-5 Jahren vorgezeigt werden. Weil das Nichtstun auch hier Ergebnisse liefert, die zeigen was passiert wenn man mit dem „Mund etwas machen will“. Es wirkt wie eine moralische Rechtfertigung für „Faulis“.

  16. 13.

    Eine Wiese darf maximal zweimal jährlich gemäht werden, soll sie irgendeinen ökologischen Nutzen haben, besser nur einmal. Die CDU hat sich mit ihrer sechsmaligen Mahd also komplett durchgesetzt. Das ist künftig keine Wiese mehr sondern wir werden vertrocknende Vegetationsreste sehen. Aber immerhin schön übersichtlich.

  17. 12.

    Liebe CDU, macht als Kontrast eben eine Gartenzwergwiese auf raspelkurzem Rasen daneben, bezahlt einen Greenkeeper aus euren Spenden und erfreut euch an "totem" Grün - nicht vergessen, die Schildchen "Betreten verboten" aufstellen und tauft es "Spießers Green".

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