Brandenburg an der Havel - Um Blühwiesen wird erbittert gestritten
Blühwiesen anzulegen ist derzeit groß in Mode. Doch nicht überall lösen diese selten gemähten Flächen Begeisterung aus. In Brandenburg an der Havel etwa tun sich gerade manche sehr schwer damit. Von Claudia Baradoy
Vor dem Pauli-Kloster in Brandenburg an der Havel schießen Klee, Gras und Beifuß wild und hüfthoch ins Kraut. An manchen Stellen ist das Grün verdorrt und gelb. 2018 hatte die Stadt die Rasenfläche am Kloster, wie auch die östlich des Weinbergs und am Dom, schrittweise zu Wildblumen- beziehungsweise Kräuterwiesen umgestaltet – insektenfreundlich und ein Beitrag zum Programm "Brandenburg summt".
CDU kritisiert Wildwuchs
Das gefällt nicht allen – zum Beispiel nicht der CDU. Im Laufe der Jahre seien die Wiesen zu unansehnlichem Wildwuchs verkommen und deshalb einfach ein Ärgernis, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Jean Schaffer: "Wir befinden uns hier in der Innenstadt von Brandenburg an der Havel. Die soll schön sein." Für Schaffer sind die Wiesen ein Schandfleck.
"Das Problem ist einmal, dass es nicht schön aussieht, natürlich einige Hundebesitzer hier ihre Vierbeiner ihr Geschäft erledigen lassen und durch das hohe Gestrüpp die Kinder auch nicht zu sehen sind", argumentiert Schaffer.
Immerhin hat die Stadt die fragliche Blühwiese, die sich in unmittelbarer Nähe des Doms vor einer Grundschule befindet, kürzlich gemäht. Der hohe Bewuchs wurde gekürzt, so dass Autofahrer wieder eine gute Sicht haben. Denn hier überqueren oft Kinder die Straße.
60 Blühflächen in der Stadt
Außer der Fläche am Pauli-Kloster und dem Weinberg gibt es 60 weitere Blühflächen in der Stadt -zum Beispiel an den Domlinden, in Göttin, an der Ziesarer Landstraße, am Mühlendamm, am Grillendamm oder an der Näthewindebrücke.
Und wo die einen Unkraut sehen, sehen die anderen wertvolle Wildnis. Zum Beipiel Bodo Rudolph, der Vorsitzender des Nabu-Regionalverbandes Brandenburg/Havel. Für ihn muss es nicht der "englische Rasen" sein: "Dass nicht allen Menschen das gefällt, wie eine Blühwiese aussieht, gerade wenn sie sehr selten gemäht wird, das kann ich nachvollziehen. Aber wir müssen anfangen, unser ästhetisches Empfinden zu überprüfen."
Diese Flächen hätten nicht nur eine ökologische Funktion, sondern seien auch für die Menschen wichtig, weil sie für ein gutes Mikroklima in der Stadt sorgten und Feinstaub bänden, sagt Rudolph. "Solche Flächen müssen einfach auch gepflegt werden. Sonst blühen sie nicht. Wir sind also nicht gegen eine Mahd von Wiesen und Flächen. Wir sind dagegen, dass sie zu häufig und zu kurz gemäht werden. Man muss ein bisschen ökologisches Verständnis haben."
Nicht alle mögen Blühwiesen
Dieses ökologische Verständnis bringen nicht alle Anwohner auf. "Ich komme hier fast jeden Tag vorbei", sagt etwa Dieter Braun. "Als es immer gemäht wurde damals, sah es viel besser aus. Klar denken die wieder an die Bienen und alles Mögliche. Aber trotzdem, ich wäre dafür, dass gemäht wird."
Wenn es nach der CDU ginge, würde die Stadt aus dem Programm "Brandenburg summt" aussteigen – einen entsprechenden Antrag formulierte sie für die Stadtverordnetenversammlung.
600 Unterschriften für den Erhalt
Das löste Diskussionen unter den Stadtverordneten über den Umgang mit solchen Flächen aus. Schon vor der Stadtverordnetenversammlung zeichnete sich ab, dass die CDU mit ihrem Antrag, die Blühwiesen wieder in kurzgeschorene Rasenflächen zu verwandeln, nicht durchkommen würde. Die Grünen sammelten in einer Online-Petition fast 600 Unterschriften zu Erhalt der Blühwiesen.
Auch andere Stadtverordnete wollen nicht so rigoros alles kurzgemäht sehen. Natürlich wolle man ein gepflegtes Stadtbild. Doch auch der Ökologie müsse Rechnung getragen werden.
Die CDU ruderte daraufhin zurück und formulierte ihren Antrag um: Die Blühwiesen sollen sechsmal pro Vegetationsperiode gemäht werden, um den Wildwuchs einzudämmen. Dieser Antrag wurde am Mittwoch mehrheitlich angenommen – gegen den Widerstand der Grünen.
Grüne kritisieren Mahd
"Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", kritisiert die Fraktionsvorsitzende Martina Marx. "Das starre, sechsmalige Mähen bringt nichts und macht die Flächen kaputt. Man muss den Umständen entsprechend mähen."
Wie die Blühwiesen in Brandenburg letztlich gemäht werden, wird sich dann im nächsten Jahr zeigen – für dieses Jahr nähert sich die Vegetationsperiode ihrem Ende.
Sendung: Brandenburg Aktuell, 26.09.2023, 19:30 Uhr