Verkehrsstreit in Berlin - So soll das Taxi-Chaos am Hauptbahnhof kurzfristig gelöst werden

Do 01.02.24 | 07:37 Uhr
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Symbolbild: Taxen stehen in Berlin vor dem Hauptbahnhof und warten auf Fahrgäste. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Video: rbb24 Abendschau | 31.01.2024 | Dorit Knieling, Viktoria Kleber | Bild: dpa/Paul Zinken

Seit es an der Nordseite des Berliner Hauptbahnhofs keinen Taxistand mehr gibt, blockieren wartende Taxis oftmals die Busspur und behindern Linienbusse. Im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses streiten die Interessengruppen offen. Von Sabine Müller

Mittwochmittag, eine typische Szene an der Invalidenstraße nördlich des Hauptbahnhofs. Ein Linienbus, unterwegs Richtung Osten, versucht lautstark, sich den Weg zu seiner Haltestelle freizuhupen. Auf der Busspur stehen mehrere Taxis. Seitdem der frühere Wartebereich auf dem Bahnhofsvorplatz, dem südlichen Teil des Europaplatzes, im vergangenen Herbst ersatzlos gestrichen wurde, kommt es hier regelmäßig zu Konflikten.

Die Stimmung bei den Taxifahrern ist aufgeladen. "Hier ist überall gesperrt, überall Schikane", schimpft einer. "Wir brauchen diesen Platz unbedingt", sagt ein anderer und blickt auf den Bahnhofsvorplatz, wo bis zum vergangenen Herbst mehrere Taxihalteplätze ausgewiesen waren.

Jetzt ist der Bereich mit Pollern abgesperrt. Weil der Europaplatz umgestaltet werden soll – unter anderem mit Bäumen, Sitzgelegenheiten und einer Jelbi-Station – dürfen Taxis eigentlich nur noch den südlichen Bahnhofsvorplatz oder die Tiefgarage anfahren. Doch viele Fahrer ignorieren das, fühlen sich zu Unrecht verdrängt und verteidigen das Warten auf der Busspur. "Immer ist der Taxifahrer der Böse", heißt es.

Große Einigkeit, dass es so nicht bleiben kann

Viel Unverständnis über die aktuelle Situation gibt es aber auch im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses, sowohl bei den Abgeordneten selbst als auch bei den Gästen, die am Mittwochnachmittag zur Anhörung eingeladen sind.

"Angefressen und erschüttert" sei er, sagt Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD. "Hier handelt es sich um eine Fehlplanung." Kristian Ronneburg (Linke) beklagt "Chaos für Fahrgäste, Taxifahrer, BVG und den Berliner Hauptbahnhof" und fordert, die Abschaffung des Taxihalteplatzes müsse rückgängig gemacht werden.

Unterstützung dafür kommt unter anderem von Lutz Kaden, der für die Industrie- und Handelskammer spricht. Kaden nennt die Möglichkeit, auch an der Nordseite in ein Taxi zu steigen, ein "entscheidendes Element" für eine gute Verkehrsanbindung des Hauptbahnhofs und damit für den Wirtschaftsstandort. Michael Klewer von der AG Hauptbahnhof, einem Zusammenschluss von Taxiunternehmen und Taxifahrern, sekundiert: "Taxifahrer stellen sich dorthin, wo der Bedarf ist, und der ist am Europaplatz." Dort müsse es wieder Taxiplätze geben.

Unzufrieden mit der jetzigen Lage ist auch die BVG. Ihr Vertreter Ralf Geisler spricht über die Gefahrenlage an der Haltestelle für insgesamt drei Buslinien. Er zeigt Bilder von zugeparkten Busspuren, berichtet von Beinahe-Unfällen und tatsächlichen Zusammenstößen und Busfahrern, die angepöbelt werden. "Wir können zurzeit nicht gewährleisten, was uns am wichtigsten ist", sagt Geisler, "nämlich die Sicherheit von Fahrgästen, Fahrpersonal und Fahrzeugen." Außerdem verursache die "unbefriedigende" Verkehrssituation längere Haltezeiten.

Streit über Lösungsvorschläge

Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) zeigt Verständnis für die Kritik, diagnostiziert einen "unhaltbaren Zustand" am Hauptbahnhof. Deshalb sei in der vergangenen Woche eine Task Force eingerichtet worden, um die Situation kurzfristig aufzulösen.

Geplant ist nun, dass die Verkehrsverwaltung, die für Berlins Hauptstraßen wie die Invalidenstraße zuständig ist, zeitnah anordnet, dass auf der Busspur hinter der Haltestelle vier bis fünf Taxikurzhalteplätze eingerichtet werden. Die Polizei soll überwachen, dass die Fahrzeuge dann tatsächlich auch nur noch dort halten. Eine Dauerlösung solle das nicht sein, betont die Verkehrssenatorin, nur ein "Luftverschnaufer".

Kurzfristlösungen, die Wochen brauchen

In der Task Force sitzen neben Verkehrs- und Stadtentwicklungsverwaltung auch der Bezirk Mitte und die BVG, aber beide zeigen sich nicht zufrieden mit der angedachten Lösung. BVG-Vertreter Ralf Geisler beklagt, Busse hätten dann kaum noch Platz, sich wieder in den fließenden Verkehr einzufädeln. Die BVG habe in der Task Force eigene Vorschläge gemacht und "Zweifel am Erfolg" des Lösungsvorschlags des Senats geäußert, trotzdem solle dieser umgesetzt werden, bemerkt Geisler hörbar angesäuert.

Daniel Kyek vom Straßen- und Grünflächenamt Mitte erwartet von der Kurzfristlösung der Verkehrssenatorin "kein durchschlagendes Ergebnis". Außerdem geht ihm die Entschärfung des Gefahrenschwerpunkts nicht schnell genug. "Auch Kurzfrist-Maßnahmen werden Wochen brauchen, wir haben aber keine Wochen Zeit", so Kyek. Deshalb setze der Bezirk als Sofortlösung darauf, dass Polizei und Ordnungsamt die Einhaltung der neuen Regeln schärfer überwachen.

Dies ist nicht das einzige Mal, dass Bezirk und Verkehrsverwaltung in dieser Ausschusssitzung verbal aneinandergeraten, wenn es um Fragen von Zuständigkeit und Entscheidungsverantwortung geht. Angesichts der heftigen Kritik an der Abschaffung des Taxistands an der Nordseite des Bahnhofs verweist Kyek darauf, diese Entscheidung sei von den zuständigen Behörden gemeinsam getroffen worden und auch von der Taxi-Innung habe es Zustimmung gegeben. Dies hatte ein Vertreter der SPD-geführten Stadtentwicklungsverwaltung ebenfalls demonstrativ betont.

Verkehrssenatorin will Pläne durchziehen

Auf Forderungen nicht nur der Linken, sondern auch aus CDU und AfD, am besten erstmal zur vorherigen Lösung mit einem Taxistand auf dem Europaplatz zurückzukehren, geht Verkehrssenatorin Manja Schreiner nicht ein. Sie will die angedachte Kurzfristlösung vorantreiben. Bis Freitag gebe es noch Gespräche mit dem Bezirk Mitte und der Polizei, sagt Schreiner, dann könne es schnell eine Anordnung ihrer Verwaltung für vier bis fünf Taxiwarteplätze hinter der Bushaltestelle geben.

Während ausgewertet wird, wie gut diese Variante funktioniert, soll parallel nach einer langfristigen Lösung gesucht werden. Für sie gebe es dabei "keine Denkverbote", betont Schreiner. Konkreter wird sie selbst nicht, ihre Staatssekretärin Claudia Elif Stutz spricht aber von einem Prüfauftrag für einen dauerhaften Taxi-Halt an der Nordseite des Bahnhofs und nennt als Ziel eine "ausgewogene, für alle zufriedenstellende Situation".

Einen Zeithorizont für die langfristige Lösung nennt Schreiner nicht. Geplant war aber, die Neugestaltung des Europaplatzes bis Ende kommenden Jahres abzuschließen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 31.1.2024, 19.30 Uhr

46 Kommentare

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  1. 46.

    Bushaltestelle bedeutet Haltestelle für BUSSE, Fahrsienste und Taxen haben an einer BUShaltestelle HalteVERBOT.

  2. 45.

    Mit den Jelbi Stationen sind jetzt aber endlich die Fußwege rings um den Hbf von den nervigen Rollern frei.
    Die Dinger standen vorher überall und werden offensichtlich sehr rege zum Erreichen des Bahnhofs genutzt.

  3. 44.

    Wo bleibt ein Fahrradparkhaus?
    Wieso geht es hier um Kompetenzstreitigkeiten? Hiermuss eine Lösung von Allen her. Kann doch nicht so schwer sein, mannomann. Macht mal hinne.

  4. 43.

    So schafft man das Unternehmen TAXI ab. Taxifahrer werden abgedrängt weniger Plätze,schlechte Auffindbarkeit für Touristen sowie weite Wege . Wie soll man so Geld verdienen?
    Soetwas plant man nur in Berlin. Andere Hauptstädte da wird von Anfang an mit Öffis und Taxis geplant und bei Eröffnung des Bahnhof ist alles fertig. Hier nur immer Provisorium.

  5. 42.

    In Berlin sagt der Einheimische Strassenbahn oder ,,Bimmel"...
    ,,Tram" ist zugereist...

  6. 41.

    Also wie die Bauern?! Dann ist das doch kein Problem. Subventionen scheinen die Deutschen zu mögen. Löhne erhöhen mögen die Deutschen meist nicht, weil dann laut vielen Kommentaren hier, alles teurer wird. Also machen doch die Fahrer nix falsch. Sie arbeiten. Sie sind billig. Wir freuen uns alle über super billige Fahrer.

  7. 40.

    Im Grunde rächt sich jetzt, dass am Berliner Hauptbahnhof, was das Umfeld angeht, nie über den Status eines Provisioriums hinausgekommen worden ist: Ungestalte(te) Asphaltflächen beiderseits des Bahnhofs, sowohl am so bez. Washingtonplatz als auch am so bez. Europaplatz. Urbanen Platzacharakter hat nichts davon. Das hängt offenbar damit zusammen, dass die Bauerei noch nicht an ihr Ende gekommen ist.

    Allerdings, dies sage ich als Potsdamer, ist es am Potsdamer Hauptbahnhof ist auch nicht besser, nur eben, dass die Betreffenden ehrlicherweise von der namentlichen Platzbezeichnung abgesehen haben. Immerhin: Es steht in Aussicht, dass mittel- und langfristig endlich eine Lösung kommt, die dem Begriff Platz näherkommt, was allerdings kurzfristig nicht hilft. ;-

  8. 39.

    Mein Bruder fährt für Uber. Von daher kann ich sagen das es bei Uber gleichviel Schwarzfahrer gibt wie bei Taxi. Sozial-und Rentenversicherung hat er auch. Unglaublich diese falschen Vorurteile über Uber.

  9. 37.

    Einen Taxistand und freie Busspuren ist das mindeste, was es direkt am Hauptbahnhof einer Metropole geben muß. Und Fahrradständer für Fahrgäste von S- und U-Bahn auch - Standplätze füe E-Scooter allerdings nicht. Wer mit E-Roller fahren kann und kein Reisegepäck hat, kann 100 m laufen!
    Frau Schreiner sollte mal im Selbstversuch testen, wie derzeit die Situation für alle Betroffenen aussieht. Wer nie mit ÖPNV oder ner Fernbahn fahren muss, sollte mal die Praxis erleben.

  10. 36.

    Auch nachdem ich den Artikel noch einmal gelesen habe, erschließt sich mir nicht, welchen praktischen Nutzen sich die Verkehrsverwaltung durch die Verbannung der Taxis vom Bahnhofsvorplatz erhofft hat. Die Bedürfnisse der Reisenden können es ja wohl nicht gewesen sein, denn wenn man mit Gepäck an- oder abreist ist man froh, wenn der Taxistand möglichst nah und leicht zu erreichen ist. Und der Bedarf für Taxistände an beiden Ausgängen des Bahnhofs scheint ja auch groß genug zu sein. Daher verstehe ich auch nicht, warum diese augenscheinlich falsche Entscheidung, im Interesse der Reisenden nicht rückgängig gemacht wird und warum man nach zeitraubenden neuen Lösungen suchen muss. Zumal der gegenwärtige Zustand nicht ungefährlich für alle Verkehrsteilnehmer ist und eine schnelle Lösung her muss.

  11. 35.

    Der Hauptbahnhof in Berlin hat aber nun mal baubedingt zwei gleichwertige Hauptein- bzw. -ausgänge. Es ist ein Armutszeugnis, dass nicht auf beiden Seiten ein Taxistand zur Verfügung steht und ortsfremden Reisenden so zugemutet wird, um den ganzen Bau herum zu suchen, wo denn nun die Taxis abfahren. Das kann man an einem kleinen, übersichtlichen Bahnhof ja alles so machen, aber doch nicht an solch einem Großstadtbahnhof. Für mich ist das Kleinkariertheit und einer Metropole wie Berlin nicht würdig. Reisende, die Taxis nutzen, haben oft auch reichlich Gepäck dabei, weswegen sie eben nicht Bus oder Tram nutzen wollen oder können. Und dann mutet man ihnen zu, je nachdem auf welchem Gleis oder Gleisabschnitt sie ankommen, erst mal durch den ganzen Bahnhof zu irren. Die Wege sind ohnehin schon lang und unübersichtlich genug.

  12. 34.

    "Wer fährt heute noch Taxi?"
    Ich zum Beispiel. Es scheint auch noch ein paar andere Leute zu geben. :-)
    Klappt wunderbar, kann ich nur empfehlen. :-)))

  13. 33.

    Vielleicht können die Polizei bzw Ordnungshüter einfach dafür sorgen dass nicht falsch geparkt wird

  14. 32.

    "Roller sind nur ein kleiner Teil des vielfältigen Jelbi-Angebots. Also wenn man keine Ahnung hat dann einfach mal F.. halten."

    Ich danke sehr für den freundlichen Ratschlag.
    Der Jelbi-Webseite entnehme ich: Man kann bei Jelbi "Autos, Räder oder Roller mieten, die Fahrzeuge wieder abgeben oder aufladen und ein Taxi rufen."
    Verzeihung, dass ich dieses Wahnsinnsangebot unzulässig als Rollerstellplatz verkürzt habe. Es ist ja doch viel, viel mehr - ich hatte leider überhaupt keine Ahnung!!!
    Sogar Räder kann ich dort mieten - und sie sogar wieder dort abgeben - und mir sogar ein Taxi rufen!
    Wow...... :-)))

  15. 31.

    Frau Schreiner sollte mal für Messkontrollen vor’m HBF und gerne auch andernorts sorgen.
    Wenn man alle Taxis mit nicht funktionierenden oder gar ausgebauten Dieselpartikelfiltern raus zöge löste sich das Platzproblem von ganz allein. Aber so isses halt in Berlin - der Kontrolldruck tendiert gegen Null.

  16. 30.

    Und was ist mit mobilitätseingeschränkten Personen? Machen Sie doch einmal einen Selbstversuch. Binden Sie sich an jedes Bein rund 2 KG und versuchen Sie dann mit dem Rollator die von ihnen beschriebene Wegstrecke zu gehen!

  17. 29.

    Und damit schlecht für mobilitätseingeschränkte Personen zu erreichen, da der Mobilservice der DB seinen Servicepoint am Europaplatz hat!

  18. 28.

    fragen Sie doch einmal den nächsten Uberfahrer nach seiner Sozialversicherung, der Rentenversicherung und dem Verdienst! Die meisten sind Freiberufler, die unterhalb des Bürgergelde liegen und somit Aufstocken. Sie zahlen also direkt über Ihre steuern und Abgaben noch den Fehlbetrag und subventionieren somit Uber und Co.
    Die Linken würden sagen: "kapitalistischer Ausbeuter"

  19. 27.

    Und wie sollen mobiltätseingeschänkte Personen dort hingelangen? Können Sie mir das verraten? Dieser Personenkreis braucht ein Ein- und Aussteigepunkt für Taxis direkt in der Nähe des Mobilitätspunktes der DB und der liegt nun einmal in der Nähe des Einganges Europaplatz!

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