Neuer BSW-Landesverband Berlin - Wenn die Mitte da sein soll, wo man selber steht

So 14.07.24 | 08:23 Uhr
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Sahra Wagenknecht (Bild: dpa-news/Bernd von Jutrzcenka)
Audio: rbb24 Inforadio | 14.07.2024 | Mathias Wetzl | Bild: dpa-news/Bernd von Jutrzcenka

Nach der erfolgreichen Europawahl baut das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) weiter Strukturen auf. Nun wird in Berlin der Landesverband gegründet. Die Personalien sind vorab schon geklärt – das kommunalpolitische Programm aber nicht. Von Sebastian Schöbel

Um gute Stimmung muss sich Alexander King, der designierte erste Vorsitzende des Berliner BSW-Landesverbandes vor dessen Gründung schon mal nicht kümmern: Gemessen an den jüngsten Wahl- und Umfrageergebnissen startet das Bündnis Sahra Wagenknecht mit einem bemerkenswerten Vertrauensvorschuss. Bei den Europawahlen ging es aus dem Stand auf 8,7 Prozent, in Brandenburg sogar auf 13,8 Prozent, und im aktuellen BrandenburgTrend landet die Partei sogar bei 16 Prozent. Die Stimmung wird also gut sein, wenn am Sonntag der Berliner BSW-Landesverband gegründet wird.

Dabei ist das BSW programmatisch bislang noch relativ dünn aufgestellt, vor allem jenseits der großen Bundes- und Weltpolitik. Das gerade einmal 4-seitige Grundsatzprogramm der Bundespartei werde man dennoch erstmal übernehmen, ohne eigene Berliner Schwerpunkte, sagte King nun dem rbb. Ein Programm über die Themen Berlins komme später. "Dafür lassen wir uns Zeit."

Alexander Kig (Bild: dpa-news/Jörg Carstensen)
Designierter Berliner BSW-Chef: Alexander King. Im Bild zu sehen: Eine seiner Reden im Berliner Abgeordnetenhaus als Linke-Abgeordneter. | Bild: dpa-news/Jörg Carstensen

Das Spitzen-Duo steht vorab fest

Erstmal soll am Sonntag das Führungspersonal gewählt werden. Die Frage des Landesvorsitzes ist allerdings schon im Vorfeld beantwortet worden: Neben King, ehemals Mitglied der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, soll Josephine Thyrêt, die Betriebsratschefin des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes, das BSW in Berlin führen. Gegenkandidaten gibt es keine. Geräuschlos wird wohl auch die Wahl der weiteren Vorstandsmitglieder ablaufen: So wie schon beim Gründungsparteitag des BSW im Januar ist mit innerparteilichem Streit oder Widerspruch nicht zu rechnen. Und falls doch, wird es hinter verschlossenen Türen passieren: Die Öffentlichkeit ist weitgehend ausgeschlossen. "Die neuen Mitglieder sollen nicht eingeschüchtert werden", sagt King.

Rund 80 Mitglieder hat das BSW inzwischen nach eigener Aussage in Berlin. Kamen die ersten Neumitglieder noch hauptsächlich von den Linken, seien es inzwischen auch viele ehemalige Sozialdemokraten, Christdemokraten und FDP-Mitglieder. "Die meisten waren vorher sogar in gar keiner Partei", sagt King. In der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung konnte die BSW ihre erste und bislang einzige kommunalpolitische Fraktion in Berlin bilden. Man wolle sich als Vertreter der "normalen, arbeitenden Leute" etablieren, als neue Kraft "in der Mitte der Gesellschaft", erklärt King. "Wir machen ein Angebot für die, die bislang zu kurz kommen."

Das BSW schwächt vor allem die Linken

Welche Leerstelle in der politischen Landschaft das BSW besetzt, ließ sich gut bei den Europawahlen beobachten. Die Theorie, dass Wagenknechts Bündnis die rechtspopulistische AfD klein halten könne, wurde widerlegt: In Berlin zum Beispiel war das BSW überall dort besonders stark, wo auch die AfD ihre besten Ergebnisse holte: in den Ost-Bezirken der Stadt. Stattdessen schwächte die neue Partei vor allem das linke Lager - und da besonders Die Linke. Die verlor in ihren alten Hochburgen Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick zum Teil dramatisch an Zuspruch.

Die Zuschreibung "links-konservativ" macht sich King durchaus zu eigen: kompromissloser Pazifismus gepaart mit restriktiver Migrationspolitik, Wirtschaftsnähe und Ablehnung von allem, was "woke" ist, etwa "Gendersprache". "Unsere Wähler sind eher nicht interessiert an progressiver Politik", so King. Verweise auf Ähnlichkeiten mit der AfD-Rhetorik weist er allerdings vehement zurück: Mit den Rechtspopulisten schließe das BSW jede Zusammenarbeit aus.

Mit den Grünen allerdings auch. Deren Verkehrspolitik, etwa verkehrsberuhigte Kiezblocks und Radwege in Berlin, kritisiert King als "ideologisch", um "gentrifizierte Kieze noch schöner zu machen". Das ist inhaltlich nicht weit weg von der CDU.

Verhältnis zu Russland bleibt Kern des BSW

Zentrales Thema aber bleibt die Außenpolitik, vor allem die Frage von Krieg und Frieden. Die Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza zum Beispiel habe dem BSW viel Zuspruch von Menschen mit Migrationshintergrund eingebracht, so King. Von der Haltung der Bundesregierung aber unterscheidet sich seine Partei da kaum.

Anders sieht es beim Krieg in der Ukraine aus. "Russland ist im Unrecht", beeilt sich King zu betonen, um dann allerdings hinterherzuschieben, dass das Leid nur ein Ende habe, wenn man mit dem Kreml über Frieden verhandle. Die Frage, warum die Ukrainer und der Westen der russischen Aggression nachgeben und auf das Recht der territorialen Unversehrtheit verzichten sollen, beantwortet King mit Pragmatismus: "Frieden ist oft ungerecht. Wie viele Menschen sollen noch sterben, um dieses Recht durchzusetzen?"

Aus dem Stand koalitionsfähig?

In einem Gastbeitrag in der "Berliner Zeitung" schlug King zuletzt auch noch andere, schärfere Töne an. Da warf er der NATO vor, Deutschland einem "Krieg mit Russland immer näher" zu bringen. Und das BSW sei die Kassandra, deren Warnungen mit "Denkverboten" zum Schweigen gebracht werden sollten. Behauptungen, die so auch schon die AfD aufgestellt hat - und die angesichts der Chronologie des russischen Angriffskrieges und der medialen Präsenz der BSW-Gründerin durchaus hinterfragt werden können.

Kommunalpolitisch lösen lassen sich solche Probleme freilich nicht - Stimmen gewinnen aber schon. Und so schickt sich das BSW durchaus an, die politische Landschaft durcheinanderzuwirbeln, auch in Berlin. Wie sehr, lässt sich gerade in Brandenburg sehen: Dort hat der amtierende Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD gerade erklärt, dass nichts gegen eine Koalition mit dem BSW stehe.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.07.2024, 15:00 Uhr

102 Kommentare

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  1. 102.

    Wie man an den "" sehen kann stammt der "Unsinn" nicht von mir. Und wie gesagt, "putinfreundlich" ist stark untertrieben.

    Putin hätte die UA auch überfallen wenn die NATO eine Appeasement-Politik betrieben hätte. Es hat sein Land für seine Oligarchie ausgeplündert und was hilft bekanntlich am besten wenn man von inneren Problemen ablenken will?

    Genau, Wagenburgmentalität und ein äußerer Feind. Putin will sein Grossrussisches Reich. Seit 2014 eben mit Krieg.

  2. 101.

    Was haben sie davon wenn die " Linke sich zerlegt hat"? Sie hätten eine Partei weniger die sich für Demoktratie und gegen Rechtsextremismus einsetzt.

    Oder ist es genau das worüber sie sich so freuen? Und von "Realitätsnähe" ist das BSW weiter entfernt als alle anderen Parteien.

  3. 100.

    "Richtig! BSW ist eine kommunistische und Putinfreundliche Partei. "

    Schon irre wie man sich mit solchem Unsinn im Besitz eines überprüfbar richtigen politischen Begriffs glauben kann.

    Beides ist Unsinn.
    Wagenknecht argumentiert nur mit der Tatsache, die sich der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus AfD aus ganz anderen (taktischen) Gründen zur Beute macht: Die Eskalation im Verhältnis zu Russland war absehbar. Ist im übrigen von seriöser, ganz unkommunistischer, ganz putinunfreundlicher wissenschaftlicher Expertise seit Jahrzehnten beschrieben. So funktioniert nunmal die geostrategische, geopolitische, geoökonomische, geomilitärische Alltagspolitik. Das ist selbstverständlich ein Unglück. Aber Russland gibt nicht einfach sein Pearl Harbour am Schwarzen Meer her. Wenn man das will, gibt es Krieg. Braucht man keinen Hauptschulabschluss für. Wusste die NATO. Macht(e) sie selbst auch nicht anders.

  4. 99.

    Wie verblendet muss man sein, zu glauben, dass sich der russische Diktator auf diplomatische Lösungen einlässt? Das ist ein größenwahnsinniger Narzist, der, wenn überhaupt, erst Ruhe gibt, wenn er die Ukraine besiegt und erobert hat, und es gibt absolut keine Garantie, dass er diese Strategie nicht ein zweites Mal anwendet! Was ist mit Estland, Lettland, Litauen, Polen und ...?
    Russland gewinnt immer - im Vaterländischen Krieg, im Großen Vaterländischen Krieg und in der Vorstellung dieses Wahnsinnigen auch in Zukunft.

  5. 98.

    Sie haben Null Ahnung, was die Linke macht! Gehen Sie auf das BT-Portal und lesen Sie nach, wieviele und welche Anträge der Links-Fraktion von den anderen Fraktionen abgebügelt wurden, bevor Sie derart falsche Behauptungen in den Raum stellen.

  6. 97.

    "Das Problem, die Leute wissen nicht mehr, wem sie überhaupt och glauben sollen. "

    Das sieht die Mehrheit der Wähler aber anders. Es sind die Ewiggestrigen, die immer Unzufriedenen die man mit den immer gleichen Phrasen einfangen kann.

    Ein gewisser Bodensatz ist für die Demokratie verloren, egal ob man rechtsextrem wählt oder "Hauptsache dagegen!". Man sollte das nicht überbewerten, diese Wähler tun ohnehin nichts für die Gesellschaft.

  7. 96.

    Ich finde es gut, dass die Linke sich zerlegt hat. Schon alleine dafür Danke an Wagenknecht. Zum BSW… es bleibt bei einer grundsätzlichen linken Ausrichtung, nur mit etwas mehr Realitätsnähe. Nicht meine Richtung, aber besser als die Linke. In der innenpolitischen Ausrichtung könnte es auch mit CDU und SPD passen.

  8. 95.
    Antwort auf [Andreas] vom 14.07.2024 um 15:24

    "Richtig! BSW ist eine kommunistische und Putinfreundliche Partei. "

    Putinfreundlich ist stark untertrieben und kommunistisch? Das BSW IST Wagenknecht und die ist ein Wendehals wie er im Buche steht. Wahrscheinlich weiß nicht mal Wagenknecht wofür sie steht.

    Bislang hört man nur hohle Phrasen und keine praktikablen Lösungen, das hat man mit der rechtsextremen AfD gemeinsam.

  9. 94.

    Das Problem, die Leute wissen nicht mehr, wem sie überhaupt och glauben sollen. „Man glaubt dem Rundfunk in Teilen der Bevölkerung nicht mehr und uns Politikern auch nicht“ sagt MP Haseloff, AfD kommt nicht infrage und da wird halt die Wagenknecht-Partei aus lauter Verzweiflung gewählt.

  10. 93.

    Ich sag nur Macron…. Egal wie die Partei inzwischen heißt, sie war auf macron zugeschnitten. Und das BSW hat schon noch andere Schwergewichte. Siehe EU Kandidat usw

  11. 92.

    Aha. In Xhain liefert DIE LINKE oder auch nur irgendwas mit "links" sogenannte "Steilvorlagen"

    Für was denn bitte?
    Sie scheinen Ihre Theorien und Begriffe über politischen Prozess, Kräfteverhältnisse, Ursachen-Wirkungen schon so sehr für allgemeinverbindlich und Gemeingut zu halten,
    dass Sie nicht einmal mehr erklären müssen, was Sie eigentlich konkret meinen und was Ihr Meinen dann für konkrete Folgen im alltagspolitischen Raum hat.

    Wovon also reden Sie? Dass Ihnen eine redliche Linke nicht erzählt, Drogenkonsum könne man einzäunen und dann ist die Sache für 1-2 Millionen erledigt? Verkehrsberuhigung die der konservativ Wählende in Wannsee und Konradshöhe für selbstverständlich und nicht Bullerbü und Ideologie nimmt?

    Sprechen Sie, wovon reden Sie?

  12. 91.

    Der Artikel ist von 2020, wir haben aber mittlerweile 2024. Wagenknecht ist die Mitte zwischen den beiden Enden des Hufeisens und bedient sich linker wie rechter Populismen. Dazu kommem falsche Dilemmata und eine Videoschnitttechnik wie dereinst im Schwarzen Kanal.

  13. 90.

    Merkwürdigerweise konnte uns noch kein BSW Fan sagen WARUM das BSW so toll und wählbar ist. Man wiederholt einfach nur die einstudierten Sprüche ohne konkreten Inhalt.

    Hohle Phrasen verfangen halt immer bei einem gewissen Teil der Wähler, hauptsächlich im Osten der Republik.

  14. 89.

    Fast in jeder Partei findet sich etwas, was ich gut finde. Im Grunde wähle ich die Partei, die mi4 persönlich am wenigsten schaden könnte. Nur doof, wenn die dann koaliert und dadurch wieder Kröten geschluckt werden müssen. Eine Rosinenpickerei wäre toll ;-))

  15. 88.

    Die sog. "Hufeisentheorie " ist völliger Quatsch, schon mehrmal widerlegt und wird von Rechtsextremisten benutzt um Rechtsextremismus zu verharmlosen.

    https://www.n-tv.de/politik/Extremismus-links-ist-nicht-gleich-rechts-article21584203.html

  16. 87.

    >“ Nur dass der Fanclub BSW keine "linke" Partei ist.“
    Ich weß gar nicht, ob das im traditionellen Sinne überhaupt ne Partei ist oder als solche gesehen werden kann. Oder dann doch mehr eine One Woman Show nach dem Motto „Ich unter meiner Leitung“ ? Bin ja mal gespannt, wie sie mit Kritik in und aus den eigenen Reihen dann umgeht. Was bisher von ihrem Charakter durchgedrungen ist, wirds wohl nicht so demokratisch werden.

  17. 86.

    Glückwunsch an Sahra Wagenknecht. Das BSW, dass einzig wählbare. Ich freue mich schon auf den 1.und 26. September. Man muss kein Prophet sein. Das Wahlergebnis wir grandios. Noch trauen sich die anderen Parteien nicht ihr wahres Gesicht bezüglich des BSW zu zeigen. Hinter den Kulissen hat der Run bereits begonnen. Der CDU in Thüringen folgte die SPD in Brandenburg. Man könne sich vorstellen mit dem BSW zusammen zu arbeiten, hieß es von beiden Parteien. Sahra Wagenknecht darf bitten. Mal sehen wer sie bestens hinbekommt, die tiefste Verbeugung. Applaus für dieses Meisterstück in so kurzer Zeit. Nochmals, Glückwunsch.

  18. 85.

    Der BSW ist der Beweis, dass die Hufeisentheorie richtig ist. Wagenknecht bedient sich mit ihrem Populismus finanziell erfolgreich an beiden Enden.

  19. 84.

    Warum findet der Altstalinisten Fanclub gerade im Osten soviel Zuspruch? Wer "Hauptsache dagegen!" skandiert bekommt auf Anhieb 15 % Wählerstimmen. Da kann man auch ein Duracell Häschen auf die Bühne stellen.

    Und ich werde meinen bitterbösen Sarkasmus das nächste Mal extra für sie kennzeichnen, versprochen.

  20. 83.

    "Blöd nur, dass Parolen eben keine richtige Politik sind." Sehe ich auch so.

    Nur dass der Fanclub BSW keine "linke" Partei ist.

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