Prozess gegen 28-Jährige - Festnahmen, Böllerwürfe und Rangeleien bei Pro-Palästina-Demo vor Berliner Gericht
Am Donnerstag sollte der Prozess gegen eine 28-Jährige pro-palästinensische Aktivistin vor dem Berliner Kriminalgericht beginnen. Unterstützer demonstrierten vor dem Gericht in Moabit - und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Vor dem Berliner Kriminalgericht in Moabit ist es am Donnerstag bei einer pro-palästinensischen Demonstration zu Tumulten und Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben zwölf Menschen vorrübergehend fest. Darunter war auch die 28-Jährige, gegen die es am Donnerstag eigentlich zum Prozess kommen sollte.
Insgesamt 13 Strafverfahren seien im Anschluss an die Demo eingeleitet worden, so die Polizei, unter anderem wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen und wegen des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.
Polizei löste Demo nach knapp anderthalb Stunden auf
Bis zu 100 Demonstranten versammelten sich nach Schätzungen der Polizei am Vormittag vor dem Gericht. Lautstark und aggressiv skandierten sie unter anderem die umstrittene Parole "From the river to the sea, palestine wil be free" (Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein). Mehrfach gab es laute Detonationen von Böllern, die in Richtung der Polizei geworfen wurden.
Die Versammlung mit dem Thema "Solidarität mit unserer Genossin in der heutigen Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten" war ursprünglich von 10 bis 16 Uhr angemeldet, wurde aber bereits nach knapp anderthalb Stunden, um 11:15 Uhr von der Polizei für beendet erklärt. Unter anderem sollen laut Polizei "volksverhetzende Parolen" gerufen worden sein. Der Veranstaltungsleiter habe nicht wie vorgegeben die versammlungsrechtlichen Beschränkungen auf arabisch verlesen und sich zudem geweigert, auf Personen einzuwirken, die die volksverhetzenden Parolen gerufen hatten, hieß es.
Polizei in der Überzahl
Die Polizei war mit einem größeren Aufgebot vertreten. Nach eigenen Angaben seien 150 Beamte im Einsatz gewesen - damit mehr als die Demonstranten.
Die Demonstrantrierenden versuchten teils, Festnahmen zu blockieren, dabei gab es Rangeleien mit Polizisten. Einsatzkräfte gingen dabei vereinzelt auch rabiat gegen Teilnehmer vor. Die Polizei selbst teilte mit, die Demonstranten hätten sich nach Auflösung der Versammlung geweigert zu gehen und auch ausgesprochene Platzverweise ignoriert. Diese seien deshalb durch "Schieben und Drücken" durchgesetzt worden. Ein Polizist soll bei dem Einsatz verletzt worden sein, allerdings nicht schwer, er konnte weiter arbeiten.
Prozess wegen vieler Anträge der Verteidigung vertagt
Der eigentliche Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten gegen die 28-jährige Frau war überraschend noch vor Beginn vertagt worden. Grund waren etwa ein Dutzend Anträge, die die Verteidigung ankündigte. Darauf war der Richter offensichtlich nicht vorbereitet. Die für die Verhandlung geplante Zeit hätte aus seiner Sicht nicht ausgereicht, wie eine Gerichtssprecherin erklärte. Der Prozess wurde laut Verteidigung auf den 11. November verlegt. Nachdem die Verhandlung verschoben worden war, trat die 28-Jährige vor die Demonstranten - und skandierte gemeinsam mit ihnen lautstark die Parole, für die sie angeklagt ist.
Die 28-Jährige soll bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin im März "From the River to the Sea" skandiert haben. Die Anklage lautet auf Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen. Das Gericht hatte zunächst im Strafbefehlsverfahren eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verhängt. Da die Frau dagegen Einspruch einlegte, soll es zur mündlichen Verhandlung kommen.
Gerichte bewerten die Parole unterschiedlich
Aus Sicht der Verteidigung erfolgte die Anklage gegen die 28-Jährige zu Unrecht. Ihre Mandantin stelle das Geschehen selbst nicht infrage, sagte Rechtsanwältin Nadija Samour. Die Parole sei jedoch nicht strafbar, sondern durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Mit ihren Beweisanträgen will die Verteidigung unter anderem die Herkunft der Parole erläutern.
Die Gerichte gehen bundesweit bislang unterschiedlich mit der Bewertung der Parole um. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es bislang nicht. Das Landgericht Mannheim hat kürzlich entscheiden, dass die Parole straflos bleibt.
22-Jährige wegen gleicher Parole zu Geldstrafe verurteilt
In Berlin hat das Amtsgericht Tiergarten vor rund zwei Wochen eine 22-Jährige wegen Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von 600 Euro (40 Tagessätze zu je 15 Euro) verurteilt. Sie hatte die Parole bei einer pro-palästinensischen Demonstration wenige Tage nach dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 angestimmt. Die Parole war laut Urteil im Kontext mit dem Terrorangriff zu sehen. Der Ausruf könne in diesem Zusammenhang nur als Leugnung des Existenzrechts Israels und als Befürwortung des Angriffs verstanden werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 22.08.2024, 19:30 Uhr