10,20 Euro pro Jahr - Warum Anwohnerparken in Berlin trotz Sparzwangs so günstig bleibt

Mo 25.11.24 | 10:37 Uhr | Von Sebastian Schneider
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Eine Anwohnerparkvignette in einem Auto in Berlin-Mitte am 20.01.2022 (Quelle: imago images/Stefan Zeitz).
Bild: imago images/Stefan Zeitz

Die Parkausweise für Anwohner kosten Berlin mehr, als sie einbringen. Der Senat beschloss trotz Kürzungen in anderen Verkehrsbereichen, dass es bei 10,20 Euro Gebühr pro Jahr bleibt. Die CDU will erstmal ein neues Konzept erarbeiten. Von Sebastian Schneider

- Anwohnerparken kostet in Berlin 20,40 Euro Gebühr für zwei Jahre, im Vergleich zu den anderen größten deutschen Städten ist das mit Abstand am niedrigsten

- Berlin nimmt weniger Geld damit ein, als die Vignetten an Verwaltungsaufwand kosten

- SPD kritisiert, dass der Senat die Gebühren trotz Spardrucks nicht erhöht, CDU argumentiert, das hätte nicht viel gebracht, das System müsse erst deutlich vereinfacht werden

Von "schmerzhaften Einschnitten" spricht der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), als er die Sparpläne des schwarz-roten Senats vergangene Woche vorstellt. Drei Milliarden Euro muss der Senat aus CDU und SPD sparen, die Ressorts Kultur, Umwelt und Verkehr trifft es deutlich mehr als andere. Das umstrittene 29-Euro-Ticket fällt weg, das Sozialticket kostet bald 19 statt neun Euro im Monat. Was die Einschnitte ansonsten angeht: Neben dem ÖPNV spart die Regierung auffällig am Fahrrad- und Fußverkehr. Die Gebühren für Anwohnerparkausweise rührt der Senat dagegen nicht an - es bleibt bei umgerechnet 10,20 Euro pro Jahr. Eine moderate Erhöhung auf 30 Euro pro Jahr hätte nur einen einstelligen Millionenbetrag erbracht, verteidigte der CDU-Fraktionschef Dirk Stettner die Entscheidung.

Wer in Berlin an einer Parkzone wohnt, zahlt für seinen Parkausweis weiterhin knapp 2,8 Cent am Tag. Das ist weniger als der Verwaltungsaufwand, den die Bezirke alleine beim Bearbeiten der Anträge und Ausstellen der Parkausweise haben. Damit es überhaupt kostendeckend wäre, würde so ein Ticket laut Verkehrsexperten nicht 10,20 sondern mehr als 30 Euro pro Jahr kosten müssen. 208.000 dieser Parkvignetten sind in Berlin im Umlauf, teilte die Senatsverwaltung auf Anfrage mit, sie gelten jeweils zwei Jahre lang. Das macht umgerechnet 4,2 Millionen Euro Gebühren.

Was unter anderem einen einstelligen Millionenbetrag bringt

Das Anwohnerparken hat also bei weitem nicht das Potential, Berlins Finanzprobleme zu lösen. Aber, um bei Fraktionschef Stettner zu bleiben, hier ein paar Beispiele aus dem Verkehrsressort, die ebenfalls einen einstelligen Millionenbetrag erbracht haben: Zwei Straßenbahnlinien werden nicht verlängert: 5 Millionen Euro. Von den 7,5 Millionen Euro für Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs werden drei Millionen gestrichen, das betrifft zum Beispiel die Sanierung von Radwegen. Den Zuschuss für das städtische Leihfahrradsystem streicht Berlin komplett, als eine der wenigen Hauptstädte Europas: 1,5 Millionen Euro macht das.

Überwachung des Straßenverkehrs: Für den Kauf von stationären und mobilen Blitzern sowie für die Ausstattung der Fahrradstaffel und der Fahrradstreifen der Polizei werden 600.000 von ursprünglich 1,85 Millionen Euro gestrichen. Das bedeutet konkret, dass automatische Verkehrsüberwachungskameras und drei mobile Blitzeranlagen nicht gekauft werden. Bei den Lärmschutzmaßnahmen an Straßen und Schienen fallen vier von 6,25 Millionen weg, der Posten für Verkehrssicherheit für Fußgänger wird halbiert. Davon finanziert das Land Berlin zum Beispiel Zebrastreifen und Mittelinseln.

Ein Teil dieses Geldes wurde ohnehin nicht abgerufen, argumentiert die CDU. Komplizierte bürokratische Vorgaben und Personalmangel führen dazu, dass Berlin eingeplantes Steuergeld verfallen lässt - das müssen sich auch vorherige Landes- und Bezirksverwaltungen vorwerfen lassen.

SPD schlug 120 Euro pro Jahr vor

CDU und SPD müssen nun sparen, weil Berlin zuletzt noch deutlicher über seine Verhältnisse gelebt hat als zuvor - auch unter Schwarz-Rot, denn der amtierende Senat hatte im Juli 2023 das vergleichsweise üppige Budget beschlossen, an das er nun wieder herangeht. Kai Wegner hatte es damals als "Chancen- und Zukunftshaushalt" bezeichnet.

Die Erhöhung der Parkgebühren war bei den Kürzungsdebatten nun bis kurz vor Schluss im Gespräch, die SPD, aber auch der Regierungschef Wegner waren dafür. In den finalen Tabellen aber tauchte der Posten nicht mehr auf. "Diese Entscheidung ist enttäuschend. Wir hatten einen Vorschlag gemacht, der 25 Millionen Euro mehr eingebracht hätte: Zehn Euro im Monat, also 120 Euro im Jahr, das halten wir für angemessen. Man muss sich vor Augen halten: Erst ab Einnahmen von acht Millionen Euro wären die Anwohnerparkausweise überhaupt kostendeckend", sagt Tino Schopf, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Das Geld solle man dann zweckgebunden in den ÖPNV, Fuß- und Radverkehr stecken. So macht es beispielsweise Wien, dort kosten Vignetten ebenfalls 120 Euro im Jahr.

Laut aktuellen Zahlen des Senats gibt es innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings, wo der absolute Großteil der bewirtschafteten Parkzonen liegt, 230.000 Parkplätze - etwas mehr als die Hälfte davon sind Anwohnerparkplätze, mit einer Vignette darf man dort also ohne zusätzliche Kosten parken. Schwerbehinderte Menschen und bestimmte Mitarbeiter der Polizei, Feuerwehr und im Gesundheitsbereich im Schichtdienst müssen nichts bezahlen. Die Gebühren sind berlinweit in jeder der 85 Parkzonen gleich. Für die umgerechnet 10,20 Euro im Jahr könnte man sich beispielsweise eine Tageskarte in BVG oder S-Bahn im Tarifbereich AB leisten, für BC würde es dagegen nicht ganz reichen. Würde man sein Auto am Gendarmenmarkt abstellen, dürfte man dort für das Geld gut zweieinhalb Stunden parken. Seit 2008 wurde die Gebühr für die Vignetten nicht verändert.

Vergleich mit den größten anderen deutschen Städten

In den neun anderen größten deutschen Städten liegen die Gebühren fürs Anwohnerparken mindestens doppelt so hoch. Die nächsthöheren Gebühren hat Düsseldorf, hier sind es 50 Euro für zwei Jahre. In München zahlt man für diesen Zeitraum 60, in Hamburg 130, in Köln 200 Euro. Ganz vorne liegt Frankfurt am Main mit 240 Euro. In anderen europäischen Metropolen ist es noch deutlich mehr.

Würde man die Berliner Einnahmen mit diesen Gebührenhöhen mal hochrechnen: Das Niveau von Hamburg würde in zwei Jahren 27 Millionen Euro bedeuten, beim Niveau der drittgrößten deutschen Stadt München wäre es noch 12,5 Millionen Euro.

CDU-Verkehrsverwaltung schlug Erhöhung selbst vor

Anfang dieses Jahres schlug auch die CDU-geführte Verkehrsverwaltung unter der Senatorin Manja Schreiner eine Erhöhung der Anwohnerparkgebühren vor: 60 Euro für ein Jahr, 100 Euro für zwei Jahre - mit diversen Rabatten wäre man auf etwa die Hälfte gekommen. "Die Gestaltung des Preises stimme ich aktuell unter anderem mit den Koalitionsfraktionen ab. Der Vorschlag ist in diesem Sinne eine Diskussionsgrundlage", sagte Schreiner im Februar. Diese Grundlage entfachte selbst innerhalb ihrer Fraktion viel mehr Diskussionen als erwartet, sagen CDU-Politiker. Es gab kein Ergebnis - das Papier verschwand in der Versenkung, Schreiner trat im April wegen Plagiatsvorwürfen zurück.

Ihre Nachfolgerin Ute Bonde brachte im Juni öffentlich höhere Parkgebühren ins Spiel, um neue Finanzierungsquellen für den Nahverkehr zu erschließen - so, wie der Senat nun nach der Bekanntgabe seiner Spar-Entscheidungen bekannt gab, solche "alternativen Finanzierungsmodelle" suchen zu wollen. Doch die CDU-Fraktion machte Bonde deutlich, dass sie nichts von dieser Idee hielt.

Symbolbild: Parkende Autos, aufgenommen am 03.08.2017 von einem der Hochhäuser auf der Fischerinsel in Berlin-Mitte. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)Seit diesem Jahr erst weiß die Berliner Verkehrsverwaltung überhaupt, wieviel Abstellfläche es in Berliner Straßen für die etwa 1,24 Millionen hier gemeldeten Pkw gibt: Es sind gut 30.000 mehr Parkplätze als Autos.

99 Seiten nur für die Ausnahmeregeln

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Johannes Kraft argumentiert: Auch eine Erhöhung der Gebühren hätte nur einen kleinen Beitrag ausgemacht, der auch nicht sofort wirksam geworden wäre. Das System der Parkvignetten in Berlin sei ineffizient, eine Erhöhung würde also gewissermaßen weiteres Geld verbrennen.

"Ein Beispiel: Die zahlreichen Ausnahmeregeln der Parkraumbewirtschaftung sind ein bürokratisches Monster. Dafür sind 167 Mitarbeiter in der Verwaltung gebunden - nur um die Berechtigungen zu prüfen und die Parkausweise auszugeben", sagt Kraft. Inzwischen gebe es 99 dichtbedruckte Din-A-4-Seiten nur für die sogenannten Ausnahmebestände, also beispielsweise für bestimmte Mitarbeiter im Schichtdienst der Polizei, Feuerwehr und Justiz. Das Ganze koste mehr als 12 Millionen Euro pro Jahr.

Stattdessen plädiert Kraft dafür, das System zu vereinfachen. Erinnerungen an die "Flat Tax" und die Steuererklärung auf einem Bierdeckel werden wach [dw.com]. Die Idee: "Jeder der in Berlin ein Auto hat, kann sich für bestimmte Zonen einen Parkausweis kaufen - zum Beispiel für das Zuhause, den Arbeitsort, den Ort des Hobbys, wie einen Sportplatz", sagt der CDU-Politiker. "Anwohner bekommen einen Rabatt, dafür werden alle anderen Ausnahmezustände abgeschafft. Das ist gerechter."

Erhöhung soll bis 2026 beschlossen sein

Seit März habe er an dem Konzept gesessen, unterstützt von einer Teilzeitmitarbeiterin. Bereits im Juni erzählte Kraft dem "Tagesspiegel" von der Idee. Aufgegriffen hat der Senat sie offensichtlich nicht, die letzten Monate war öffentlich keine Rede davon. Erst durch die Bekanntgabe der Sparmaßnahmen am vergangenen Dienstag kam das Thema wieder hervor: Der Fraktionsvorsitzende Stettner sagte nach Kritik an den Kürzungen, man arbeite an einem neuen Konzept für Parkgebühren. Tags darauf lenkte auch der Regierende Bürgermeister die Aufmerksamkeit darauf.

"Ob wir jetzt drei oder sechs Monate später dran sind, finde ich nicht dramatisch, denn wichtig ist, dass wir ein gutes und tragfähiges Konzept haben", sagt Johannes Kraft. Anfang des neuen Jahres solle die Arbeit an dem Papier starten. Dass Berliner spätestens 2026 deutlich mehr für ihren Parkausweis pro Jahr zahlen als für eine Tageskarte der BVG, ist also wahrscheinlich.

Sendung: Radioeins, 26.11.2024, 5 Uhr

Beitrag von Sebastian Schneider

Kommentar

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76 Kommentare

  1. 76.

    Völlig irre. Ab 8-12 Millionen Euro wird das ganz kostendeckend, also inklusive der Ausnahmetatbestände und wegen der Ausnahmetatbestände lehnt man dann eine Erhöhung auf 10 Euro pro Monat ab? Wenn die Zahl der Anwohnerparkausweise konstant bleibt und auch die Kosten konstant bleiben, dann können zusätzliche Einnahmen nur bedeuten, dass man dann mal einen „Gewinn“ macht. Und dann dürfen Politiker ernsthaft über den Haushalt abstimmen? Einfach nur irre…

  2. 75.

    Ein Unding, dass private Autos im öffentlichen Verkehrsraum völlig oder beinahe gratis abgestellt werden dürfen. Wer würde sich Möbel kaufen ohne dafür eine Wohnung zu haben? Ein dem Fahrzeug zugeordneter Stellplatz sollte Voraussetzung für die Zulassung jedes Autos werden. Ohne erlischt die Betriebserlaubnis.

  3. 74.

    "..., ohne dass man 800m oder mehr laufen muss."

    Wenn ich mal überlege wieviele ÖPNV Nutzer 800m oder mehr laufen müssen tun sie mir unendlich leid.

    Es muß endlich Schluß sein mit dem Pampern verwöhnter Autofahrer!

  4. 72.

    10,20€ ? In Berlin. Krass!
    In Frankfurt (Oder) 30 €.
    In Gelsenkirchen als ärmste deutsche Großstadt zahlt ihr 20,40€ Anwohner parken.

    Berlin mit 10,20€ find ich im Verhältnis zu den Arbeitsplatz Möglichkeiten etwas zu "billig", dann kannst es auch gleich sein lassen,
    wenn nicht Mal der Mindestlohn je Stunde abgedeckt wäre, und die Angestellten bekommen 50% mehr als Mindestlohn, teure Spielerei.

  5. 71.

    Angemessen wären 500 im Jahr für einen PKW und 1000 für größere Autos.

  6. 68.

    Was sie hier von sich geben ist Unfug. Mit den gängigen Carsharingunternehmen benötigen Sie in Berlin weder Anwohnervignette noch Parkschein. Erst informieren, dann kommentieren. Danke.

  7. 67.

    Muss man die Logik des Senats verstehen? Wahrscheinlich nicht. Für mich ist dieser Pille-Palle-Jahresbeitrag nicht nachvollziehbar. Unser Parkplatz unter freiem Himmel kostet uns monatlich 75€ (Wohngebiet einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft)und ist immer noch günstiger als die Tickets der Parkraumbewirtschaftung. Anwohnervignetten könnten und SOLLTEN! deshalb ebenfalls mind. 50€/ Monat kosten(1,66€/Tag). Der Senat scheint es doch nicht soo nötig zu haben, wenn für einen Parkausweis NUR 10,20 € für´s Jahr erhoben werden.
    Da ist also noch ganz viel Luft nach oben. Stadessen wird lieber bei Bildung und Kultur gespart. Dieser Senat ist das Letzte!

  8. 65.

    Stimmt, es ist nur eine Abgabe der Autofahrer. Damit hat man keinen Anspruch auf seinen eigenen Auto-Parkplatz. Fairer wäre es, wenn man gleich noch einen festen Standort als seinen Parkplatz zugeteilt bekommen würde.

  9. 62.

    sie können auch zum Drahtesel greifen oder zu Fuß gehen. Fußverkehr ist aktuell ganz schwer im kommen!

  10. 61.

    Sie reden wie ein Blinder über Farben, Entschuldigung. Die Kfz-Versicherung wird zum Januar 2025 erneut erhöht, Werkstattbesuche werden auch nicht günstiger. Sie müssen da schon fair in der Diskussion bleiben...

  11. 60.

    Es ist richtig und wichtig, dass wir Autofahrer hier nicht weiter belastet werden. Das Auto gehört zum Leben einfach dazu. Man könnte jedoch gern flächendeckend in ganz Berlin Parkraumbewirtschaftung einführen. Jedoch muss dann das System komplett neu gedacht werden als digitale Variante.

  12. 59.

    Also die 300 Mille Einsparungen sollendoch eigentlich beim Landeshaushalt gemacht werden, der sich ja auch eigentlich aus Steuereinnahmen zusammensetzt, auch vom Bund.
    Und da die Vignetten ja keine Steuereinnahmen sind, wie kann man da dann überhaupt auf den Gedanken kommen die für die Beabsichtigten Einsparungen in Betracht zu ziehen?

  13. 58.

    Bürgern die sich kein Auto leisten können wird ständig die Kosten für den ÖPNV erhöht, aber Autobesitzer bekommen weiter Subventionen von allen. Was ist daran fair?

  14. 57.

    Und können sie den Garagenplatz nur nutzen wenn dort nicht gerade jemand anderes parkt ?
    Achja und die SUV… die Plattform ist die gleicht wie bei einem normalen PKW… Kombis sind meist länger oder soll der Parkplatz nach Höhe des Autos berechnet werden ?
    Also warum sollten SUV mehr zahlen ?
    Aber es geht wohl nur um die Bezeichnung SUV…. und schon hat man ein Feindbild.

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