Volleyball-Bundesliga - Netzhoppers stehen nach Insolvenz zwischen Abschied und Neuanfang
Kürzlich stellten die Netzhoppers einen Insolvenzantrag. Und doch bedeutet das noch nicht das Aus für Bundesliga-Volleyball in Brandenburg. Welche Optionen haben die Netzhoppers jetzt und wie kann es doch noch weitergehen? Von Lynn Kraemer
Die Meldung kam überraschend und dann auch wieder nicht: Die Energiequelle Netzhoppers KW-Bestensee stehen vor dem Aus. Seit Februar konnte der Brandenburger Volleyball-Bundesligist keine Spielergehälter mehr auszahlen. Mitte April stellte die Ballsport-Liga GmbH, in welche die Profiabteilung ausgegliedert ist, einen Insolvenzantrag. Am 26. April machte der Klub die Entscheidung öffentlich.
"Wir waren immer ein Verein, der sich dadurch ausgezeichnet hat, dass er es immer irgendwie hingekriegt hat", sagt der langjährige Netzhoppers-Spieler Dirk Westphal: "Dann geht man davon aus, dass es irgendwie so weitergeht. Aber scheinbar waren wir an dem Punkt, wo es das eine Mal zu viel war."
Westphal hatte in seiner letzten aktiven Saison immer mehr Aufgaben als Sportdirektor des Vereins übernommen. Zusammen mit Cheftrainer Tomasz Wasilkowski war er eigentlich mit der Kaderplanung beschäftigt, als er vom Insolvenzantrag erfuhr: "Wir wussten natürlich mit den ausbleibenden Gehältern, dass da gerade etwas nicht ganz so rund läuft und wir fürs nächste Jahr für die Kaderplanung deutlich weniger Budget haben." Trotzdem sei er von der Nachricht überrascht worden.
Mit Ansage ins Aus?
Die Saison war für die Mannschaft da schon vorbei. Nach einem überraschenden dritten Platz beim Bounce House Cup, dem Vorbereitungsturnier der Liga, lief in der Hauptrunde wenig zusammen. Als Tabellensiebter mit nur drei Siegen ging es in die Zwischenrunde, wo sich die Netzhoppers zwar behaupten, aber auch nicht verbessern konnten. Im Playoff-Viertelfinale war dann nach zwei erwartbaren 1:3-Niederlagen gegen Lüneburg Schluss.
Abseits des Feldes kämpfte die Geschäftsstelle. Die Zuschauerzahlen in der eigentlich zu kleinen Landkost-Arena in Bestensee (Dahme-Spreewald) blieben überschaubar und eine moderne Halle ohne Investor nicht finanzierbar. Auf die Corona-Pandemie folgte die Inflation und die Belastung ließ nicht nach.
"Durch die staatlichen Unterstützungsprogramme sind die Klubs durch diese Krise, wenn sie vorher schon labil standen, durchgekommen. Und jetzt haben wir unter auch wieder schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen diese Unterstützungsmaßnahmen nicht mehr", sagt Daniel Sattler, Geschäftsführer der Volleyball Bundesliga (VBL). Mit dem Ausfall des erkrankten Präsidenten Edmund Ahlers fehlte den Netzhoppers zudem der Ansprechpartner für Sponsoren und andere Unterstützer. Die finanzielle Situation spitzte sich zu.
Volleyball-Bundesliga zwischen Wachstum und Zerfall
"Es ist gerade ein bisschen Ausnahmezustand. Wir probieren es mit beiden Händen zu greifen und das Beste daraus zu machen", sagt Westphal. Denn der Insolvenzantrag ist nicht gleichbedeutend mit dem Aus für die Netzhoppers. Die Lizenz wird ihnen nicht automatisch entzogen oder für die neue Saison nicht erteilt.
"Jeder Standort ist für uns wichtig, so ein Traditionsstandort alle mal. Wir haben in der 1. Liga der Männer mehrere freie Plätze. Umso wichtiger ist es, dass wir alle Klubs hier an Bord halten", so VBL-Geschäftsführer Daniel Sattler, der das Lizensierungsverfahren betreut.
Die Netzhoppers könnten davon profitieren, dass die Liga die Lizenzauflagen senkt. Um die oberste Spielklasse wieder aufzufüllen, sollen zur Saison 2023/24 bis zu vier Klubs aufsteigen [br.de]. Mit aktuell nur neun Mannschaften, wobei der VCO Berlin ein Sonderspielrecht hat, sind drei Plätze nicht besetzt.
Nun müssen Teams beispielsweise den bisherigen Mindestetat von 200.000 Euro nicht mehr aufbringen und auch die Halle muss weniger Anforderungen erfüllen. "Gut ist - wenn man in der schwierigen Situation überhaupt noch davon sprechen darf - dass die Netzhoppers überhaupt die Hauptrunde und die Playoffs gespielt haben", sagt Sattler. Die Liga achte bei der Lizensierung vor allem darauf, dass die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs für die ganze Saison sichergestellt werden könne.
Standort mit Potenzial
Trotz des drohenden Netzhoppers-Aus' würde die Liga durch das Aufsteigerprogramm nicht noch weiter schrumpfen. Allerdings könnte sich ein Ungleichgewicht entwickeln: "Mit der Neukonzipierung der Liga sollte ein Konkurrenzkampf in der unteren Tabellenhälfte stattfinden. Wir haben die letzten zwei Jahre das Bindeglied zwischen Mittelfeld und unterer Tabellenhälfte gebildet", so Dirk Westphal. Das würde dann fehlen.
Auch die anderen Klubs hoffen, dass keine Lücke entsteht. "Es ist sehr bedauerlich. Aus der Sicht der BR Volleys wäre ein guter Nachbar, mit dem wir sehr gut und eng zusammengearbeitet haben, nicht mehr dabei", sagt Kaweh Niroomand, Manager des erfolgreichen Hauptstadtklubs. Er betont aber auch, dass sich die Bundesligisten professionalisieren müssen: "Das ist ein kleines mittelständisches Unternehmen. Das kann man mit Ehrenamtlichkeit mehr oder weniger nicht führen."
Für die Netzhoppers und andere kleine Standorte sieht Niroomand aber auch Potenzial: "Gerade in den kleineren Städten hat man die Chance, sich zu entfalten." Die Brandenburger können vom wirtschaftlichen Wachstum der Region profitieren. "Drumherum ist, was Sport und die Bundesliga-Ebene angeht, nichts. Aber das ist eine Region in Deutschland, die sich industriell beispielhaft entwickelt", so Niroomand.
Optionen reichen vom Standort-Aus bis zum "weißen Ritter"
Bis zum Dienstag, 2. Mai müssen sich die Verantwortlichen der Netzhoppers entscheiden, ob sie eine Lizenz für die 1. oder 2. Liga beantragen und weiter für den Standort kämpfen. "Aktuell steht alles auf dem Prüfstand", so Westphal. Ein Teil des Klubs sammle die Scherben auf und beschäftige sich mit dem Insolvenzabwicklungsprozess, der andere Teil schaue in die Zukunft. "Wenn man der ganzen Situation am Ende etwas Positives abgewinnt, dann ist so viel am Boden, dass man Sachen neu machen und neu denken kann", sagt Westphal. Er habe viele Wege aufgezeigt, wie der professionelle Volleyball erhalten werden könnte: "Ich hoffe, dass uns Leute diesen Vorschuss, das Vertrauen schenken, ohne jetzt schon ein fertiges Produkt zu sehen. Aber dafür würde ich antreten und mich auch einsetzen." Man brauche dringen Leute die sich engagieren und den sogenannten "weißen Ritter" geben.
Sollten die Brandenburger am Dienstag den Lizenzantrag einreichen, gewinnen sie Zeit. Denn dann haben sie zwei Wochen, um ihren Grundhaushalt zu präsentieren und können, wenn der nicht für einen Erstligabetrieb reichen sollte, ihren Antrag bis zum Monatsende auf die 2. Liga abstufen. Sollten sie Ende Juni, wenn weitere Teile des Haushalts stehen müssen, den nicht vorlegen können, ist das das Aus. Auch eine Abstufung in die 2. Liga ist dann nicht mehr möglich.
Wollen die Netzhoppers am Spitzensport festhalten, müssen sie in der Bevölkerung, Politik und der Wirtschaft für sich werben. Ob Westphals "weißer Ritter" in einem Tesla vorfährt oder sich mehrere regionale Unternehmen finden, die das Unterfangen gemeinsam unterstützen, ist noch offen. "Am Ende muss die Region auch zeigen, wie sehr sie die Netzhoppers haben möchte, wie sehr sie Profisport haben möchte." Denn alleine wird es nicht gehen.
Sendung: rbb24, 01.05.2023, 18 Uhr