Berliner Fanmeile beim EM-Start - Künstlicher Rasen, echte Gefühle

Sa 15.06.24 | 08:57 Uhr | Von Lynn Kraemer
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Deutschland-Fans feiern beim Public Viewing in der Fanzone am Brandenburger Tor beim Eröffnungsspiel der Fußball-EM das erste Tor für Deutschland. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: Rbb24 | 15.06.2024 | Philipp Höppner und Victor Marquadt | Bild: dpa/Christoph Soeder

Die Menge hüpft kurz vor 23 Uhr den Rasen platt: Zehntausende Fußball-Fans haben auf der Berliner Fanmeile das Eröffnungsspiel der EM verfolgt. Beim 5:1-Sieg der deutschen Mannschaft gegen Schottland gibt es kein Halten mehr. Von Lynn Kraemer

Noch vier Stunden bis zum Anpfiff, der Ball rollt: Der Kunstrasen auf der Fanmeile ist eine Einladung, die von den Berliner Fußball-Fans nicht ausgeschlagen werden kann. Wenn schon Decken verboten sind, lassen sich am Freitagabend gute Plätze für das Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft auch wunderbar mit einem Passspiel im ausgedehnten Kreis reservieren.

Vor allem junge Menschen haben sich vor dem XXL-Fußballtor und der Leinwand am Brandenburger Tor versammelt. Der Stick mit der Fanschminke wird bereitwillig geteilt. Vape-Wolken steigen in die Luft und zur Musik wird fleißig mitgewippt, um auf der großen Leinwand zu landen. “Wir haben alle richtig gute Laune”, sagt Nils. Der Charlottenburger trägt Jeans-Latzhose und das pinke Auswärtstrikot: "Ich freue mich einfach richtig auf die EM und ich möchte sie mit meinen Leuten schauen. Und ich freue mich einfach auf den Sieg.” Damit ist das Ergebnis schon vor Spielstart geklärt.

Junge Baller

Wer das erste Tor schießt? Die Antwort hat der Mann auf der Bühne. Der Berliner Rapper Ski Aggu heizt der Menge ein: "Ich bestell’ für alle Bros beim Wirt, weil ich bin ein Baller genauso wie Florian Wirtz." Je weiter es in Richtung Siegessäule geht, desto älter wird das Publikum. Der Drang ganz vorne beim Auftritt von Ski Aggu zu stehen, ist nicht ganz so groß. Dafür trifft der bekennende Herthaner den Geschmack der Menge und bringt neben seiner EM-Euphorie auch noch eine Service-Meldung unter. Bei Belästigung nicht wegsehen: "Schmeißt den Macker in hohem Bogen von der Fanmeile!"

Ski Aggu behält mit seiner Torvorhersage recht. In der zehnten Minute passt Joshua Kimmich von rechts auf den zentral mitgelaufenen Wirtz. Schottlands Keeper Angus Gunn bekommt den Ball, der auf ihn zusaust, nicht mehr aus dem Kasten gelenkt. Die Menge vor dem Brandenburger Tor tobt und Ski Aggu, der inzwischen auf der Pressetribüne einen Platz gefunden hat, springt erst in die Arme des Berliner Sängers Zartmann und hüpft dann mit einer geübten Bewegung in seinen Sambas halb aufs Geländer. Keine zehn Minuten später kann er den Jubel beim 2:0 durch Jamal Musiala wiederholen. Noch so ein junger Baller.

Fans bejubeln den Spektakel-Sieg des DFB-Teams

Tausende Gesichter erstrahlen im Smartphone-Licht

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat das Berliner Publikum die EM-Euphorie verinnerlicht und ist zu einer Einheit mit überdurchschnittlich vielen Vergleichsportal-Werbetrikots geworden. Das kollektive "Ah" funktioniert bei Angriffen und auch das schmerzverzehrte "Oh" bekommt seinen Einsatz, als Ryan Porteous Kapitän Ilkay Gündogan mit offener Sohle am Schienbein trifft.

Während sich Kai Havertz in der Luftlinie 493,72 Kilometer entfernten Allianz Arena in München am Elfmeterpunkt bereit macht, setzt in der Hauptstadt ein Gedanke ein: Das ist ein Moment zum Festhalten. Tausende Gesichter erstrahlen im Smartphone-Licht. Havertz stoppt kurz und schiebt dann mittig ein, während Gunn zur Seite springt. Ab dieser Sekunde sind die Aufnahmen unbrauchbar. Ausgelassener Jubel ist dann doch wichtiger als das perfekte Video.

“No Scots, no Party!”

Die Spieler in München steuern die Kabine an, die Fans in Berlin die Getränkestände. Beim Stand von 3:0 sind sechs Euro für ein Bier leichter zu ertragen. Ein Schotte mit Beatles-Frisur schüttelt zwei verdutzten Jugendlichen die Hand: “Good game.” Bevor die ihre Mienen sortiert haben und überhaupt wissen, was sie antworten sollen, ist er schon weg. Und gratuliert dem nächsten deutschen Fan.

Während bei einem Teil des schottischen Lagers, das sich einige Meter weiter gesammelt hat, die verschränkten Arme vor der Brust zunehmen, ist den anderen das Ergebnis scheinbar egal. Nach Jahren des Misserfolgs bei Turnieren haben sie eine überzeugende Antwort gefunden: "No Scots, no Party!" So sorgt auch das 4:0 durch den eingewechselten Niklas Füllkrug nicht für Frustschreie der Tartan Army. Als ihnen Antonio Rüdiger mit einem Kopfball-Eigentor das 1:4 beschert, feiern sie dafür, als wäre es der Führungstreffer. Auch das 5:1 in der Nachspielzeit durch Emre Can lässt sich dadurch besser aushalten.

EM-Euphorie lässt sich nicht dosieren

Für die restlichen Fans steht spätestens da fest: EM-Euphorie lässt sich nicht dosieren. Trennen die DFB-Elf noch fünf Spiele vom Finaleinzug? Ja. Ist das in diesem Moment wichtig? Nein. Die Menge hüpft drei Minuten vor 23 Uhr den Rasen platt. Der mag zwar künstlich sein, aber die Emotionen sind es nicht. Der Traumstart ins Turnier muss gefeiert werden. "Mit dieser Stimmung werden wir Europameister", ist sich Moderator Hannes Hoch sicher. Die erste Bahn nach Abpfiff können die schottischen Fans nehmen.

Sendung: rbb24, 15.06.2024, 21:45 Uhr

Beitrag von Lynn Kraemer

25 Kommentare

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  1. 25.

    @ Rosalinde, es reicht aber nicht, solche Berichte nur mal kurz zu überfliegen um in irgendwelchen Foren zu meckern. Man muss sie gründlich lesen. Da steht nämlich noch mehr drin. Zumindest in den seriösen Berichten. Dann darf man sich schlau machen über die Art des verwendeten Kunstrasen. Es gibt nämlich auch hier solchen und solchen. Und denne könn'se immer noch meckern.

  2. 24.

    Profifußballer (Bundesligaspieler) haben mit Kunstrasen mal so gar nichts zu tun, da sie fast ausschließlich auf Naturrasen spielen und trainieren. Da den Zusammenhang mit Krebserkrankungen zu suchen, ist schon abenteuerlich.

  3. 23.

    Irgendwann muss der blöde Kunstrasen auch mal entsorgt werden ! Gute Tat ( das ich nicht lache) und den Anderen die Entsorgung des Sondermülls aufdrücken.

  4. 22.

    Danke, Rosalinde! Ich bin erschrocken über die Überheblichkeit und billige Argumentation von "Schöneberger (ist doch überall so). Ich ging davon aus, dass es inzwischen Allgemeinwissen sei, dass Plastik nicht nur extrem umweltschädigend, sondern auch nachhaltig gesundheitsschädlich ist.
    An "Schöneberger": Allein in wenigen Montaten ist 2022 die Krebserkrankung von vier Bundesligaspielern nur bekanntgeworden. Die Liste von an Krebs erkrankten Fußballspielern verlängert sich nach "simpler Recherche", vor allem viele Torhüter international! Nur das von kompetenter Stelle: "... Kunstrasen können feine Partikel und andere gesundheitsgefährdende Stoffe freisetzen, darunter flüchtige organische Verbindungen (VOC) wie Benzol (reizend, erbgutverändernd und krebserzeugend) oder Toluol (reizend, reproduktionstoxisch und neurotoxisch)..." . BUND, Bundesgesundheitministerium, DGHO ... sowie 20 Jahre Arbeit in der Berliner und intern. Onkologie. Bleiben Sie gesund, trotz unpassender Arroganz!

  5. 21.

    Wie wollen Sie beweisen, daß der Krebs durch Strahlung entstanden ist? Die Diskusion weicht ganz schön vom Thema ab.

  6. 20.

    Sie wissen schon, dass es vollkommen irrelevant ist, mit welcher Krebssation Sie in Verbindung stehen, da außer bei radioaktiver Strahlung nie nachweisbar ist, welches Karzinogen die Krebserkrankung verursacht hat.
    Zitat dkfz zum Thema PAK siehe Belastung durch Feinstaub: "Fachleute gehen heute davon aus: Zwischen Luftverschmutzung und Krebs besteht ein direkter Zusammenhang. In einer Publikation von 2018 listen Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums zum Beispiel Feinstaub als einen wichtigen Krebsrisikofaktor auf."
    Unmöglich, Halbwissen zu verbreiten ohne Gegenbeweise zu liefern!

  7. 19.

    Im Übrigen stehe ich aus privaten Gründen in engem Kontakt mit der Krebsstation des Rudolf-Virchow-Krankenhauses.
    Ich finde es unmöglich, wenn Menschen Halbwahrheiten zum Besten geben und die Quelle nicht mitliefern.

  8. 18.

    Ich muss nichts belegen oder nachweisen, das muss immer der jeweilige, der zuallererst solche Behauptungen in den Raum stellt. Wenn es danach geht, dürfen die Kinder eigentlich nicht mehr auf die Straße, alles ist ja so gefährlich. Und überhaupt, meine Güte, die Kinder sind auch rund um die Uhr auf dem Sportplatz und robben in zehn Zentimetern Höhe über den Kunstrasen. Ihre Behauptung ist schlichtweg eine nicht zutreffende Behauptung ohne glaubhafte Quelle oder Langzeitstudien, die Ihre Behauptung stützen oder wissenschaftlich belegen.

    Grüße

  9. 17.

    "... was nicht einmal ansatzweise zutrifft."?? Beweisen SIE Ihre Behauptung!
    Ne einfache Internetrecherche oder Dr. Googel fragen reicht.
    Nur weil was nicht verboten ist, heißt nicht, dass es gesundheitsfördernd ist! Kunstrasen wird mit Gummigranulat aus alten Reifen aufgefüllt. Das darin enthaltene PAK ist krebserregend.
    In mehreren Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass das für Kinder und Jugendliche besonders gefährlich ist.

  10. 16.

    Wow, wirklich jetzt, ich hätte gerne den glaubwürdigen Bericht zu Ihrer Behauptung bezüglich Krebs und so. Nach Ihrer Ausführung müssten nämlich Zehntausende Fußballspielerinnen und Fußballspieler an Krebs erkrankt sein.
    Ich bitte Sie, in Zukunft erst gründlich zu recherchieren, bevor Sie etwas behaupten, was nicht einmal ansatzweise zutrifft.

  11. 15.

    Jo leider. Manchmal hat der Brandenbnurger einfach Recht mit der Berliner Steuergeldverschwendung. Aber ob die Berliner Politik aufwacht und unsere Kommentare überhaupt liest wage ich zu bezweifeln.

  12. 14.

    Ja klar, vollgektzt und raufgepnkelt ist besonders hygienisch für die, wo sonst am Geld gegeizt wird. :-P

  13. 13.

    Ich stimme Ihnen völlig zu ergänze noch, dass dieser unsägliche Kunstrasen eine pure Geldrausschmeißerei ist.

  14. 12.

    Dieser künstliche Rasen ist so eine unbeschreibliche Umweltsauerei - wo sind die Klimakleber? Ach ja, sie müssen ja Gemälde zerstören! Und was sind das nur für Menschen, die dieses krebserregende Plastikzeug, nach mehreren Wochen "Feiern" darauf, Kindern für Bolzplätze anbieten wollen?

  15. 11.

    Deutschland ist das gelungen, wonach sich die DFB-Akteure allesamt gesehnt hatten: Eine Initialzündung, die Euphorie im Land wie einst das WM-Sommermärchen 2006 schüren soll. Das Wort Sommermärchen muss sich auf Überstunden gefasst machen.

    Das 5:1 dürfte die Gastgeber regelrecht zur Euphorie zwingen. Deutschland stürmte aus den Startlöchern und feierte den höchsten Auftaktsieg bei einer Europameisterschaft.

    Die "kleine WM" ohne Argentinien, Brasilien und Uruquay ist zum medienüberfrachteten Event geworden. Im Jahr 2006 hatten Social Media und Smart Phones noch keinen Einfluss - das Wort Sommerevent löst das Wort Sommermärchen ab.

  16. 10.

    Das war kein Spiel sondern ein Monolog
    Also als wenn FC Bayern gegen einen Verein der Kreis-Liga angetreten wär.

  17. 9.

    Richtig, ich hab aber auch eher die Erfahrung gemacht, die Detlef gemacht hat. Miteinander ist immer besser als Gegeneinander Reicht ein 16h Dauerkrach darf das Schriebs um Nachbarn auf den Tee zu gehen, die nix damit zu tun haben. Das Gegeneinander konnte der Mensch leider schon immer schneller als das miteinander. Siehe die Posts über die Berliner Steuergeldverschwendung. Wäre das Stadion in Brandenburg wäre es eine Investition.

  18. 8.

    Dieses künstlich Aufbauschen nach nur einem Spiel, gegen zudem noch schwachen Mannschaft ist einfach lächerlich. Abgerechnet wird am Ende.

  19. 7.

    "Wie sich alle auf einmal als "Deutsche(r)" fühlen, nach der EM fliegt dann alles wieder auf den Müll."

    Auf diese Art und Weise kann man auch alles schlechtreden. Das unterscheidet die Optimisten von den Pessimisten. Besser ist es auf jeden Fall, mal wieder eine solche Zeit zu erleben, als überhaupt nicht. Ich lasse mich lieber von einer guten Stimmung mitreißen, als gleich wieder an das danach zu denken. Ich glaube, bei den ganzen Krisen, tut solch eine Zeit vielleicht auch mal wieder ganz gut. Warum feiert man Feste? Um sich mal wieder freuen zu können und das Miteinander zu genießen. Das Gegeneinander gibt es schon reichlich genug.

  20. 6.

    Wie sich alle auf einmal als "Deutsche(r)" fühlen, nach der EM fliegt dann alles wieder auf den Müll.

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