Interview | TV-Experte Rick Goldmann - "Die Eisbären haben alle Voraussetzungen für einen weiteren Titel"
Am kommenden Freitag startet die neue Eishockey-Saison in Deutschland. Im Interview mit rbb|24 spricht TV-Experte Rick Goldmann über die Eisbären Berlin als Titelfavorit, ein enges Meisterrennen und die neue Strahlkraft der Deutschen Eishockey Liga.
rbb|24: Herr Goldmann, DEL-Rekordtorjäger Patrick Reimer prognostiziert: "Der Titel wird wieder über Berlin gehen." Sieben Coaches der Liga-Konkurrenten tippen ebenfalls auf die Eisbären als Meister. Würden Sie da mitgehen?
Rick Goldmann: Ich glaube auch, dass Berlin die Mannschaft ist, die du für die Meisterschaft schlagen musst. Sie haben drei der letzten vier Meisterschaften gewonnen – wenn sie in die Playoffs gekommen sind, haben sie den Titel immer gewonnen. Sie haben mit Serge Aubin den einzigen Trainer in der Liga mit DEL-Titel. Berlin hat sich mit den Meisterschaften und dem Stamm im Kader ein unglaubliches Selbstvertrauen erspielt. Sie wissen, wie es geht und haben mit der schwachen Saison vor zwei Jahren einen Fehler begangen, der ihnen nicht mehr passieren wird. Die Spieler sind hierfür sensibilisiert. Die Eisbären haben also alle Voraussetzungen für einen weiteren Titel.
Was macht die Eisbären auf dem Eis so stark?
Es geht in erster Linie darum, wie sie sich in den letzten Jahren als Mannschaft gefunden haben. Es ist inzwischen ein Stamm von sehr guten Spielern. Kai Wissmann bildet zusammen mit Jonas Müller vielleicht sogar das beste Verteidigungspärchen der Liga. Du hast nun mit Marcel Noebels und Leonhard Pföderl deutsche Scorer, die nun schon seit Jahren auf unheimlich hohem Niveau abliefern. Jake Hildebrand ist ein Torhüter, der dir Meisterschaften sichern kann. Diese Kombination und die Art, wie Trainer Aubin offensiv spielen lässt, passen einfach.
Die Eisbären sind mit drei Siegen aus vier Spielen herausragend in die Champions-League-Saison gestartet. In den Jahren zuvor haben sich die Berliner in diesem Wettbewerb sehr schwergetan. Was ist anders?
Das würde ich nicht allzu hoch hängen. Ich finde, dass alle deutschen Mannschaften gut in die Champions League gestartet sind. Das ist positiv, doch das sind Spiele, die teilweise schon im August stattfinden – da sind Mannschaften manchmal noch nicht so weit oder deutlich weiter. Das kann in beide Richtungen gehen, weshalb ich in die Ergebnisse noch nicht zu viel hineininterpretieren würde. Es spricht für die Qualität der deutschen Liga, der Rest ist abzuwarten.
Gleich am 1. Spieltag der DEL treffen die Eisbären auf die Kölner Haie – ein echtes Spitzenduell. Was für ein Spiel erwarten Sie?
Ich glaube, dass wir ein sehr offensives Spiel sehen werden. Die Berliner haben in der vergangenen Saison die meisten Tore geschossen – diese offensive Durchschlagskraft macht sie aus. Die Kölner haben mit Kari Jalonen einen neuen Trainer, der definitiv die Defensive im Fokus hat, aber es besticht doch deren Sturm. Joshua Currie ist ein erfahrener Import, Parker Tuomie ist ein blitzschneller Nationalspieler. Daher freue ich mich auf ein schnelles, offensives Spiel.
Welchen weiteren Teams trauen Sie eine Rolle im Meisterschaftskampf zu und warum?
Man muss ehrlich sagen: Seit dem Titel von Ingolstadt im Jahr 2014 hat kein anderes Team mehr eine deutsche Meisterschaft gewonnen als Berlin, München oder Mannheim. Jene drei Teams haben auch heute noch die besten Kader der Liga – auch in der Tiefe.
Natürlich trägt München ein paar Fragezeichen mit sich. Kommen sie mit ihrer neuen Halle zurecht? Ist der Kader mittlerweile zu alt? Gleichzeitig haben sie auch Qualität dazugewonnen. Mannheim hat einen ordentlichen Umbruch hinter sich. Finden sich dort alle Spieler zurecht? Funktioniert es mit Trainer Dallas Eakins, der erst während des Jahres gekommen ist? Andererseits haben beide Mannschaften noch drei Import-Lizenzen frei, da kann sich qualitativ noch viel tun. Von daher sind Berlin, Mannheim und München am stärksten einzuschätzen.
Aber: Die Liga hat sich so entwickelt, dass es auch Überraschungen geben kann. Bremerhaven wurde letzte Saison Erster, Straubing wurde Dritter und Wolfsburg Vierter. Man muss also erwarten, dass viele Mannschaften die Möglichkeit haben, weit nach vorne und ins Finale zu kommen.
Red Bull München hat mit der Verpflichtung des langjährigen NHL-Stürmers Tobias Rieder ein Ausrufezeichen gesetzt. Die Adler Mannheim haben das namhafte Duo Marc Michaelis und Tobias Fohrler aus der Schweiz unter Vertrag genommen. Den Löwen Frankfurt gelang mit der Verpflichtung des finnischen Olympiasiegers Jussi Olkinuora ein Coup im Tor. Wie bewerten Sie diese Transferoffensive der Klub: Hat die DEL an Strahlkraft dazugewonnen?
Die gesteigerte Strahlkraft lässt sich grundsätzlich unterstreichen. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft erlebt seit 2018 ihre bislang erfolgreichste Zeit. Das sind sehr gute Jahrgänge, die von einer neuen Mentalität zehren. Das strahlt auf die Liga aus. Es gab in der Liga mit durchschnittlich 7.160 Zuschauern pro Spiel einen neuen Zuschauerrekord – den höchsten nach der US-amerikanischen NHL. Wir sehen es auch bei den Übertragungen von Magenta Sport in den Zuschauerzahlen. Die DEL erzielt Rekordumsätze. Jeder Klub hat inzwischen 12,4 Millionen Euro an Umsatz – das ist eine eklatante Steigerung. Die DEL hat mittlerweile also eine größere Kaufkraft und Aufmerksamkeit.
Wie erklären Sie sich den großen Zuschauerandrang auf die DEL-Klubs?
Eine Nationalmannschaft ist das größte Aushängeschild ihrer Sportart. Da ist der deutsche Basketball auch ein gutes Beispiel. Im Eishockey ist das auch klar zu erkennen. Sportarten, bei denen es gut läuft, werden mehr wahrgenommen und mehr Leute gehen zu den Spielen. Sie erkennen das Schöne an diesem Sport. Es gibt kaum solch einen dynamischen und gleichzeitig harten Sport wie Eishockey. Diese Kombination ist elektrisierend, dazu kommt die besondere Stimmung in den Hallen. Die Nationalmannschaft geht als Zugpferd voran und die DEL dahinter entwickelt sich qualitativ und als Show weiter – das erklärt die Zuschauererfolge.
Spielt es auch eine Rolle, dass die Liga sportlich so eng beieinander ist?
Mit dem Begriff "eng" muss man aufpassen, weil es schon Mannschaften in der DEL gibt, die – so klar muss man es sagen – niemals deutscher Meister werden. Aber es gibt mehr Mannschaften, die absteigen können und es gibt mehr Mannschaften, die Meister werden können. In diesen tabellarischen Nachbarschaftsduellen gibt es viel mehr Bewegung und Emotionen. Die Spiele sind abhängiger von der Tagesform und dadurch spannender.
Auf welche Spieler freuen Sie sich in der kommenden Saison am meisten?
Frankfurts neuer Torhüter Jussi Olkinuora ist zwar leider verletzt, aber es ist schon ein Wahnsinnsname für die DEL. Er steht in der Blüte seiner Karriere und wechselt als Olympiasieger und zweifacher Weltmeister nach Frankfurt. Mannheims Marc Michaelis ist ein unheimlich kluger Spieler, der in seinen Bewegungen und seiner Übersicht wirklich Spaß macht. Mit Münchens Tobias Rieder kommt jemand in die DEL zurück, der 14 Jahre weg war und knapp 500 NHL-Spiele gemacht hat. Auf diese Spieler freue ich mich.
Es gibt eine Neuerung: Der Hauptschiedsrichter wird die Entscheidung bei Strafen oder dem Videobeweis über die Hallenlautsprecher verkünden - ähnlich wie beim American Football in der National Football League (NFL). Was halten Sie davon?
Ich glaube, es kann den Zuschauern dabei helfen, zu verstehen, was gerade passiert ist. Zusätzlich ist es ein netter Show-Effekt, dass sie die Strafen erklären, denn nicht jeder Zuschauer erkennt die spezifischen Handzeichen des Schiedsrichters.
Ein weiteres Novum ist, dass erstmals ein reguläres DEL-Spiel im Ausland ausgetragen wird. Am 6. Dezember findet das Match zwischen Wolfsburg und München in der tschechischen Hauptstadt Prag im Rahmen der sogenannten Winter Hockey Games statt. Ein wichtiger Schritt für das deutsche Eishockey?
Ich finde es interessant, aber glaube jetzt nicht, dass die deutsche Liga die tschechische Liga im eigenen Land verdrängt und andersherum. Aber ich glaube, es ist ein schöner Austausch und ich werde vor Ort sein, um mir das Spektakel anzusehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Marc Schwitzky, rbb|24 Sport.
Sendung: rbb Der Tag, 18.09.2024, 18 Uhr