Tagebau in Spree-Neiße - Gemeinde kämpft nach möglichen Bergbauschäden um Entschädigung
Risse in Wänden, abgesackte Bodenplatten: In Tauer beschweren sich Anwohner über Schäden an ihren Häusern. Sie vermuten den Tagebau als Ursache und fordern Entschädigungen - doch die Schlichtungsstelle gibt's nicht mehr. Von A. Blumenthal, A. Opitz und P. Manske
Joachim Blau steht auf seinem Grundstück in Tauer (Spree-Neiße), das sich in den vergangenen drei, vier Jahren unfreiwillig verändert hat. Er zeigt auf Schäden. "Wenn ich jetzt hier vorne stehe, sehe ich auf den Zaun. Das Tor ist gerade, der Zaun sackt 25 bis 30 Zentimeter ab." Auch in einem seiner Gebäude sind deutliche Risse zu erkennen. "Es kommen immer mehr."
Auch andere im Ort berichten von Rissen, die in den vergangenen drei bis fünf Jahren in Hauswänden aufgetaucht sind, auch die Kirche ist betroffen. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, hatte die Kirchengemeinde Mitte Juli einen Ortsrundgang veranstaltet. Die Gemeinde habe ein "massives Problem mit Bergbauschäden durch eine Grundwasserabsenkung, die durch den Tagebau in Jänschwalde passiert", sagte Christian Stecklina, Mitglied im Gemeindekirchenrat, dem rbb. Er spricht von "immer mehr Rissbildung" und "immer größeren Rissen" an Gebäuden.
Schlichtungsstelle heimlich geschlossen
Auch Joachim Blau vermutet, dass der naheliegende Tagebau die Ursache für die Schäden ist und hat Anträge auf Entschädigung gestellt. Sie wurden vom Bergbaubetreiber Leag abgelehnt. Die Tagebaukante liegt sieben Kilometer vom Ortskern entfernt und damit laut Leag außerhalb des unmittelbar betroffenen Gebiets.
Vermitteln sollte eine eigens für Bergbauschäden eingerichtete Schlichtungsstelle. Doch diese wurde Ende 2022 heimlich geschlossen. Das war erst nach dem Ortsrundgang Mitte Juli bekannt geworden - durch die Forderung von Bündnis90/Grüne, dass die Stelle wieder eingerichtet werden solle. Auch das Brandenburger Wirtschaftsministerium gab zu, dass die Öffentlichkeit nicht informiert wurde. 2019 hatte die Stelle ihre Arbeit aufgenommen. Allerdings war die Nachfrage nach Schlichtungen von Beginn an gering.
Staatssekretär: Nur 23 Fälle in drei Jahren
Die Schließung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist für die Kreisvorsitzende der Grünen, Heide Schinowsky, eine Ungeheuerlichkeit. "Es gab dazu keine Diskussion, weder öffentlich noch im Parlament." Die Grünen seien der Meinung, dass die Schlichtungsstelle gebraucht werde. "Bisher gibt's Bergschäden, weil das Grundwasser abgepumpt wurde, künftig wird es Bergschäden geben, weil das Wasser zurückkommt."
Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer (SPD) zufolge war die Schlichtungsstelle von Anfang an auf drei Jahre angelegt. In diesem Zeitraum hat es laut Fischer insgesamt 23 Fälle gegeben, wovon vier zulässig waren. In nur zweien sei ein Schlichterspruch gesprochen worden. "Wir haben uns angeschaut, ob sich das bewährt. Gutachter kamen aber zu dem Ergebnis, dass es keinen Sinn macht." Deshalb habe man sich im April, Mai dieses Jahres entschieden, die Stelle nicht mehr weiterzuführen. Die Öffentlichkeit habe man im Braunkohleausschuss darüber informieren wollen, der habe im März das letzte Mal getagt, als die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Die nächste Sitzung sei erst für September terminiert.
In Tauer scheint die Situation nach wie vor so zu sein, dass der sinkende Grundwasserspiegel zur Austrocknung des torfhaltigen Bodens führt. Was dann passiert, kann man laut Bürgermeisterin Karin Kallauke (Wir für Tauer) sehr gut an den Dorfwiesen sehen. "Die haben sich um 50 Zentimeter gesenkt."
Gesprächstermin mit allen Beteiligten
Anwohner Joachim Blau ist ratlos, was nun werden soll. "Irgendwer muss mir ja mal eine Antwort geben." Mit der Schließung der Schlichtungsstelle können mögliche Betroffene von Tagebauschäden jetzt nur noch vor Gericht um Schadenersatz kämpfen. Es sind auch weiter Meldungen direkt bei der Leag möglich. Genau das wollen die Betroffenen jetzt machen - gemeinsam, um gehört zu werden.
Es gibt aber noch eine andere Perspektive für die Menschen in Tauer: Ende August solle es ein Gespräch geben mit allen Beteiligten im Landesbergamt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 28.07.2023, 16.10 Uhr