Tagebau in Spree-Neiße - Gemeinde kämpft nach möglichen Bergbauschäden um Entschädigung

Sa 29.07.23 | 20:17 Uhr | Von A. Blumenthal, A. Opitz und P. Manske
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Anwohner Joachim Blau zeigt einen Riss an der Wand seines Hauses (Foto: rbb/Opitz)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.07.2023 | Phillip Manske | Bild: rbb/Opitz

Risse in Wänden, abgesackte Bodenplatten: In Tauer beschweren sich Anwohner über Schäden an ihren Häusern. Sie vermuten den Tagebau als Ursache und fordern Entschädigungen - doch die Schlichtungsstelle gibt's nicht mehr. Von A. Blumenthal, A. Opitz und P. Manske

Joachim Blau steht auf seinem Grundstück in Tauer (Spree-Neiße), das sich in den vergangenen drei, vier Jahren unfreiwillig verändert hat. Er zeigt auf Schäden. "Wenn ich jetzt hier vorne stehe, sehe ich auf den Zaun. Das Tor ist gerade, der Zaun sackt 25 bis 30 Zentimeter ab." Auch in einem seiner Gebäude sind deutliche Risse zu erkennen. "Es kommen immer mehr."

Auch andere im Ort berichten von Rissen, die in den vergangenen drei bis fünf Jahren in Hauswänden aufgetaucht sind, auch die Kirche ist betroffen. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, hatte die Kirchengemeinde Mitte Juli einen Ortsrundgang veranstaltet. Die Gemeinde habe ein "massives Problem mit Bergbauschäden durch eine Grundwasserabsenkung, die durch den Tagebau in Jänschwalde passiert", sagte Christian Stecklina, Mitglied im Gemeindekirchenrat, dem rbb. Er spricht von "immer mehr Rissbildung" und "immer größeren Rissen" an Gebäuden.

Riss in der Wand der Kirche in Tauer (Foto: rbb/Screenshot)
Einer der Risse in der Wand der Kirche | Bild: rbb/Screenshot

Schlichtungsstelle heimlich geschlossen

Auch Joachim Blau vermutet, dass der naheliegende Tagebau die Ursache für die Schäden ist und hat Anträge auf Entschädigung gestellt. Sie wurden vom Bergbaubetreiber Leag abgelehnt. Die Tagebaukante liegt sieben Kilometer vom Ortskern entfernt und damit laut Leag außerhalb des unmittelbar betroffenen Gebiets.

Vermitteln sollte eine eigens für Bergbauschäden eingerichtete Schlichtungsstelle. Doch diese wurde Ende 2022 heimlich geschlossen. Das war erst nach dem Ortsrundgang Mitte Juli bekannt geworden - durch die Forderung von Bündnis90/Grüne, dass die Stelle wieder eingerichtet werden solle. Auch das Brandenburger Wirtschaftsministerium gab zu, dass die Öffentlichkeit nicht informiert wurde. 2019 hatte die Stelle ihre Arbeit aufgenommen. Allerdings war die Nachfrage nach Schlichtungen von Beginn an gering.

Staatssekretär: Nur 23 Fälle in drei Jahren

Die Schließung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist für die Kreisvorsitzende der Grünen, Heide Schinowsky, eine Ungeheuerlichkeit. "Es gab dazu keine Diskussion, weder öffentlich noch im Parlament." Die Grünen seien der Meinung, dass die Schlichtungsstelle gebraucht werde. "Bisher gibt's Bergschäden, weil das Grundwasser abgepumpt wurde, künftig wird es Bergschäden geben, weil das Wasser zurückkommt."

Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer (SPD) zufolge war die Schlichtungsstelle von Anfang an auf drei Jahre angelegt. In diesem Zeitraum hat es laut Fischer insgesamt 23 Fälle gegeben, wovon vier zulässig waren. In nur zweien sei ein Schlichterspruch gesprochen worden. "Wir haben uns angeschaut, ob sich das bewährt. Gutachter kamen aber zu dem Ergebnis, dass es keinen Sinn macht." Deshalb habe man sich im April, Mai dieses Jahres entschieden, die Stelle nicht mehr weiterzuführen. Die Öffentlichkeit habe man im Braunkohleausschuss darüber informieren wollen, der habe im März das letzte Mal getagt, als die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Die nächste Sitzung sei erst für September terminiert.

In Tauer scheint die Situation nach wie vor so zu sein, dass der sinkende Grundwasserspiegel zur Austrocknung des torfhaltigen Bodens führt. Was dann passiert, kann man laut Bürgermeisterin Karin Kallauke (Wir für Tauer) sehr gut an den Dorfwiesen sehen. "Die haben sich um 50 Zentimeter gesenkt."

Riss in einer gemauerten Hauswand in Tauer (Foto: rbb/Screenhot)Riss in einer Hauswand

Gesprächstermin mit allen Beteiligten

Anwohner Joachim Blau ist ratlos, was nun werden soll. "Irgendwer muss mir ja mal eine Antwort geben." Mit der Schließung der Schlichtungsstelle können mögliche Betroffene von Tagebauschäden jetzt nur noch vor Gericht um Schadenersatz kämpfen. Es sind auch weiter Meldungen direkt bei der Leag möglich. Genau das wollen die Betroffenen jetzt machen - gemeinsam, um gehört zu werden.

Es gibt aber noch eine andere Perspektive für die Menschen in Tauer: Ende August solle es ein Gespräch geben mit allen Beteiligten im Landesbergamt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.07.2023, 16.10 Uhr

Beitrag von A. Blumenthal, A. Opitz und P. Manske

11 Kommentare

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  1. 11.

    @Tina,
    Das Umweltverbrechen soll mit einem noch größeren See in Welzow weitergehen.
    Die Leag braucht mal wieder einen Besuch von Ende Gelände, dann kann sich die Kohlelobby geleitete Politik wieder aufregen statt die Sauerei endlich zu beenden.

  2. 10.

    Es sind ja sicherlich nicht nur die Risse. Diese sind doch nur die Auswirkungen des gesenkten Grundwasserspiegels. Und dieser hat wiederum Auswirkungen auf die umliegenden Seen. Und diese wiederum auf die Erholungsgebiete. Sei es der Pinnower See (mittlerweile 3 Seen, Tauchverein, Gastronomie, Campingplatz), der Kleinsee (Waldschule), der Großsee (Badegäste, Gastronomie, Campingplatz). Gerade der Großsee hat einen Wasserstand von 50 cm statt 1,40 m.
    Und gerade die Landwirtschaft die bei 30° C Außentemperatur die Felder mit Wasser besprengt - und die Bevölkerung wird angehalten auf Wasserentnahme zu verzichten...
    Es müssen Lösungen her und umgesetzt werden. Und mit neuen Erkenntnissen, ggf. auch bestehende Entscheidungen überdenken (Cottbuser Ostsee - große Verdunstungsfläche).
    Und nicht noch mehr Unternehmen ansiedeln lassen, die für die Produktion zig tausende Liter Wasser benötigen (wie bspw. Guben oder auch Grünheide).

  3. 9.

    Ist schon auffällig wie zurückhaltend die Kohlefreunde sind.
    Die werden schon wissen was sie angerichtet haben.

  4. 8.

    Wat heißt denn "klug daherzureden"? Deswegen frag ich doch!
    Warum schließen sich die Tauerer und andere Betroffene nicht zu Bürgerinitiativen zusammen und kämpfen gemeinsam für Entschädigungen?

  5. 7.

    Leider trifft es nicht nur diejenigen die mit der Zerstörung der Umwelt ihr Geld verdient haben. Vom Klimawandel abgesehen werden noch viel mehr in vielen anderen Gemeinden von Gebäude Schäden betroffen sein, die ahnen es nur noch nicht.

  6. 6.

    Soo viele Einwohner von Tauer haben nicht in den Tagebauen gearbeitet, ein Großteil der Beschäftigten wohnt in Peitz und Cottbus. Aber ohne Kenntnisse klug daherzureden ist ja heutzutage "in".

    Wenn die LEAG den Einwohner abgebaggerter Dörfer großzügig neue Häuser baut, die den Wert der alten deutlich übersteigen, sollte doch wohl für Entschädigungen für Bergbauschäden auch noch etwas da sein. Daß vor Allem die Grundwasserabsenkung weiträumig solche Schäden verursacht, ist ja nicht so neu.

  7. 5.

    Beweislastumkehr?
    Wäre richtig,wollen aber nur die pösen Grünen.
    Voraussetzung wäre erstmal diese Sauerei zu beenden.
    Subventionen ohne Ende.
    Nachzulesen im Spiegel : so-pampert-deutschland-die-braunkohle

  8. 4.

    Lieschen, aus der Ferne ist klug reden.
    Für viele Leute und ihre Familien dort ist der Bergbau weit und breit die einzige Jobmöglichkeit zum Geld verdienen. Andere Jobs sind erst nach stundenlanger Fahrerei mit dem Auto erreichbar.
    Und wenn Sie meinen in diesen harten Jobs verdient man massig Geld, sind Sie auch falsch informiert.
    Ist halt leicht reden wenn man in Berlin wohnt, einen guten ÖPVN hat und der Job dadurch praktisch vor der Haustür liegt.
    Ich kenne zufälliger die Gegend dort etwas und weiß um die Probleme auch wenn ich jetzt in Berlin wohne.

  9. 3.

    Nur mal so aus Neugier: Wieviele Leute aus dem Ort haben in den Tagebauen gearbeitet und waren nie arbeitslos weil die Braunkohleförderung nicht eingestellt wurde?
    Die sollten doch genug Geld verdient haben, um sich Sachverständigengutachten für Klagen beim Amts- o. Zivilgericht leisten zu können.

  10. 2.

    Sauerei. Natürlich müssen die Schäden ausgeglichen werden!

  11. 1.

    Beweislastumkehr wäre gerechter. Welche Partei hat eine Änderung „auf dem Schirm“?

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