Von Neonazis bedroht - Bosnische Familie flieht vor rassistischen Übergriffen aus Lieberose

Fr 11.08.23 | 18:17 Uhr | Von Kira Pieper
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Symbolbild: Blick auf die Stadt Lieberose (Quelle: IMAGO/Rainer Weisflog)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 11.08.2023 | Norbert Siegmund | Bild: IMAGO/Rainer Weisflog

Drei Tage hat es eine Mutter aus Bosnien mit ihren vier Kindern in der Brandenburger Gemeinde Lieberose ausgehalten. Dann floh sie zurück nach Berlin. Der Grund: Ab Tag eins wird die Familie offenbar rassistisch beleidigt und bedroht. Von Kira Pieper

Eine alleinerziehende Mutter aus Bosnien-Herzegowina ist wegen rassistischer Anfeindungen nach drei Tagen in Lieberose (Dahme-Spreewald) wieder zurück nach Berlin gezogen. Über den Fall, der sich bereits Ende Juli ereignet haben soll, hatte zuerst die "Lausitzer Rundschau" [lr-online.de] berichtet.

Demnach war die 33-jährige alleinerziehende Mutter 2015 nach Deutschland gekommen. Lange hatte sie in Berlin nach einer bezahlbaren Wohnung für sich und ihre vier minderjährigen Kinder gesucht. Als die Suche erfolglos blieb, erweiterte die Mutter den Suchradius. Und wurde schließlich in Lieberose, circa 30 Kilometer von Cottbus entfernt, fündig.

Naziparolen und Hitlergruß am Fenster

Am Donnerstag, 27. Juli, zog die Familie schließlich in eine Erdgeschoss-Wohnung in der Gemeinde, in der knapp 1.500 Menschen leben. Die Nachbarn seien nett und hilfsbereit gewesen, schildert die 33-Jährige der "Lausitzer Rundschau".

Doch in der Nacht auf Freitag lernte die Familie den ersten weniger freundlichen Lieberoser kennen. Ein 45-Jähriger soll gegen die Fensterscheibe der Wohnung geschlagen haben, wie die 33-Jährige der rbb24 Abendschau am Freitag erzählte. Dabei soll er Naziparolen gegrölt und den Hitlergruß gezeigt haben. Die Polizeidirektion Süd-Brandenburg bestätigte auf rbb-Nachfrage, dass der kriminalpolizeiliche Staatsschutz gegen den 45-Jährigen ermittle.

"Mama ich habe Angst"

Am nächsten Tag gingen die Anfeindungen offenbar weiter. Im Gespräch mit dem rbb erzählt die Mutter weiter: Die zwölfjährige Tochter sei auf dem zentralen Marktplatz auf eine Gruppe Jugendlicher getroffen. Die sechs bis sieben Heranwachsenden sollen teilweise Springerstiefel und Bomberjacken getragen haben, ein klassisches Merkmal der Neonazis in den 90er Jahren.

Auch hier seien dem Mädchen rassistische Beleidigungen entgegengeschlagen. Sie habe gleich ihre Mutter angerufen und gesagt: "Mama ich habe Angst." Daraufhin habe diese den 16-jährigen Cousin gebeten, das Mädchen abzuholen. Doch auch er sei von der Gruppe beleidigt worden, sagt die 33-Jährige. Zudem soll ein Jugendlicher aus der Gruppe mit einem Fahrradschloss zugeschlagen haben.

Aus Angst in Wohnung verbarrikadiert

Die 12-Jährige und der 16-Jährige sollen dann Richtung Wohnung der Familie geflüchtet sein. Aus dem Bericht der "Lausitzer Rundschau" geht hervor, dass die Mutter die Kinder zur Wohnung habe rennen sehen, gefolgt von den Jugendlichen. Ein Freund der Familie, der beim Einrichten der Wohnung half, soll dann mit einem Werkzeug in der Hand auf die Straße getreten sein. Die Gruppe Jugendlicher soll daraufhin inne gehalten haben, drohte aber wohl damit, bewaffnet zurückzukommen.

Zusammen mit den Nachbarn sei die Familie aus Angst vor Gewalt die ganze Nacht wach gewesen und habe sich in der Wohnung verbarrikadiert, sagt die Mutter. Morgens seien sie dann mit dem Auto aus dem Ort geflohen und seither auch nicht zurückgekommen.

Die Polizei sagte auf rbb-Nachfrage, dass aktuell kein Verfahren hinsichtlich Beleidigungen der Gruppe eingeleitet worden sei. Offensichtlich ermittelt allerdings der Staatschutz gegen den Freund der Familie, der sich der Gruppe entgegenstellte. Martin Vesely vom Verein Opferperspektive, sagt dazu: "Für uns ist das nichts Neues. In vielen Fällen rechter Gewalt ist es so, dass die Täter eine Täter-Opfer-Umkehr machen. Und dann selber anzeigen, um ihre eigene Tat zu kaschieren." Der Verein hatte ebenfalls mit der Familie gesprochen und den Fall dann über Twitter öffentlich gemacht.

Zahl rechter Straftaten steigt

Mitte Juli hatte das Innenministerium Brandenburg mitgeteilt, dass die Zahl politisch motivierter rechter Straftaten in Brandenburg im ersten Halbjahr dieses Jahres nach vorläufigen Zahlen deutlich gestiegen ist. Von Januar bis Juni seien 1.049 Fälle gezählt worden, hieß es. Für 2022 hieß es ebenfalls, dass die Zahl der Straftaten mit rechtem politischen Hintergrund in Brandenburg für das gesamte Jahr auf 2.046 Fälle gestiegen sei. Ein neuer Höchststand seit der Messung 2001 und ein Anstieg von 13 Prozent im Vergleich zum Jahr zuvor.

Martin Vesely, der mit dem Verein Opferperspektive Brandenburg Betroffene rechter Gewalt und rassistischer Diskriminierung berät, sagt dem rbb über die Entwicklung in Brandenburg: "Wir haben leider gerade eine Normalisierung von rechten und rassistischem Gedankengut bis in weite Teile der Bevölkerung hinein." Und ergänzt: Man könne klar beobachten, dass dort, wo sich ein harter Kern aus Neonazis organisiere und öffentlich in Erscheinung trete, nicht mehr entschieden gegen diese Menschen vorgegangen werde.

Vor allem in Südbrandenburg wäre dies sichtbar. Von staatlicher Seite sei es leider verpasst worden, mit Repressionen dagegen vorzugehen. Das Ergebnis sei, dass Rechte dort so selbstbewusst auftreten würden. "Eigentlich muss doch bei allen Stellen im Land klar sein, dass das verurteilt werden muss. Dem muss ganz entschieden entgegengetreten werden", sagt Vesely.

Familie lebt nun in Notunterkunft

Die Wohnung in Lieberose ist nun verlassen. Die Familie hat sie gekündigt und plant keine Rückkehr. Die 33-Jährige sagt: "Wir sind jetzt obdachlos." Sie sei mit ihrer Familie in einer Notunterkunft untergekommen. Die Wohnungssuche in Berlin beginnt nun von Neuem.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 11.08.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Kira Pieper

123 Kommentare

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  1. 123.

    Deutschland braucht doch Kinder.

    Aber sind wahrscheinlich nicht von "reinem Blut" oder wie?

    Ich bin mit Flüchtlingen aus dem Kosovo und Bosnien seit dem Kindergarten groß geworden. Viele sind gute FacharbeiterInnen geworden. Dieser plumpe Ausländerhass kotzt mich an.

  2. 122.

    Nein ist sie nicht, steht auch so im Beitrag. Ach so, Lügenpresse. Hatte ich ganz vergessen. Und wenn die Familie eine Wohnung bekommt, was ist daran so schlimm? Sähen sie sie lieber unter einer Brücke kampieren?

  3. 121.

    Was hat denn ein "Familienangehöriger" (genauer habe sie es wohl nicht) gegen den ermittelt wird wegen was auch immer mit dem geschilderten Fall zu tun: Gar nichts! Selbst wenn jemand aus der Familie einen Mord begangen hätte rechtfertigt das doch wohl nicht den Angriff auf Kinder (oder Jugendliche, oder Erwachsene). Oder sind sei da anderer Meinung? Diese Geraune dient mal wieder der Ablenkung von Tat und Tätern. Wäre es nicht so ernst, müsste man Gähnen.

  4. 119.

    Ansgar, ihre Auslassung ist genau der Punkt, der die Realität ignoriert und lediglich ideologische Sichtweisen darbringt. Sie sollten sich mal mehr mit den Dingen auseineinadersetzen. Die afd wird nicht nur von rechtsextremen gewählt. Die afd hat deshalb Zuspruch, weil sie die real existierende n Probleme adressiert, wo sich die altparteien wegducken und nicht ehrlich kommunizieren. Die linke und die grünen mit der SPD haben sich selbst in eine politische Sackgasse in den letzten Jahren begeben. So ist Fakt.

  5. 118.

    So so jetzt sollen also die Sachsen schuld haben?
    Geht's noch.
    Was kommt als nächstes unsere Familie kam 1897 von dort und jetzt leben wir hier in Berlin weil dort damals meine Vorfahren nichts zu essen hatten!
    Es gab kein Geld Unterstützung wie Hartz4 ,heute jammern nur immer alle.
    Vielleicht bin ich deshalb auch glücklicher weil ich dankbar meinen Vorfahren bin.
    Es fehlt die Demut heutzutage.

  6. 117.

    Eine no go area rund um Cottbus müssen Sie, schon selbst ziehen und da ist ja Sachsen wohl nicht weit.
    Da werden die ,Kameraden, der Region schon untereinander gut vernetzt sein und es wird wohl ein reger Austausch zwischen dem Südlichen Brandenburg und dem nördlichen Sachsen, in Richtung Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit stattfinden.

  7. 116.

    Ich habe soviel von der kasten- und klassenlosen Gesellschaft gehört, gesehen und gelesen, dass ich auch der Meinung bin, jeder soll nach seiner Fasson selig werden, das ist tolerant genug. Das Geschrei um die AfD ist so laut, als würden Hitler und Goebbels persönlich auf dem Podest stehen. Wenn man zurückblickt ins Jahr 2005 und sich an die NPD-Wahlplakate erinnert, sind die Aussagen heutiger Politiker davon nicht so weit entfernt, obwohl sie ununterbrochen von Demokratie und Toleranz schwafeln, selbst nicht der AfD angehören und jede Zusammenarbeit ablehnen. Der Weg ist das Ziel?

  8. 115.

    Nee - Nicht die Deutschen und auch nicht die Berliner/Brandenburger sind sooo !
    Die Südbrandenburger und die angrenzenden Sächsischen Landkreise sind so.

  9. 114.

    Geht es noch pauschaler und volksverhetzender? Du bist nicht besser, als die Hetzer der AfD.

  10. 113.

    ...Jugendliche mit Springerstiefel und Bomberjacken, wer´s glaubt, die Wohnung in Berlin ist jetzt garantiert.

  11. 112.

    So ist das mit dem Verständnis. Die Meinung anderer belächeln zu wollen, ist die Form von Arroganz, die der AfD die Stimmen schert.

  12. 111.

    "Das ist das gleiche wie mit den Klimaklebern, da wird auch gegen Autofahrer ermittelt anstatt gegen die Verursacher!

    Es ist entsetzlich!"

    Nein, schlicht eine dreiste Lüge.

  13. 110.

    Niemand kennt die? Wieso, hier sind doch jede Menge Unterstützer und Sympathisanten unterwegs.

  14. 109.

    „Die Sachsen“. Aha. Schubladendenken. Von Außen betrachtet sag ich dann mal, die Deutschen sind eben so.

  15. 108.

    Sie haben die Regierungszeit der SPD KPD Regierung 1923 und die Marzkaempfe in Leuna 1921 unterschlagen.

  16. 107.

    Wo dagegen die Südbrandenburger Demokraten sind ist offensichtlich- die sind beleidigt und betonen in jedem erreichbaren Internet-Forum, das sie nicht in die rechte Ecke gestellt werden wollen.

  17. 105.

    Ich musste beim Lesen etwas schmunzeln. Dann habe ich gemerkt, dass Sie das vermutlich ernst meinen...

  18. 104.

    Was wollen Sie? Was soll die Polizei machen? Im Übrigen, hier sind Jugendliche gegen Kinder vorgegangen. Sie kennen das Jugendstrafrecht? Was soll die Polizei konkret machen? Der Staatsschutz ermittelt. Also was noch?

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