Kommentar | Standort-Wahl Zukunftszentrum - "Mit Halle ist das eine Entscheidung für die Vergangenheit - und nicht für die Zukunft"
Die Jury hat ihr Urteil zum Zukunftszentrum gefällt. Am Ende lieferten sich Frankfurt (Oder) und Halle ein Kopf-an-Kopf-Rennen, die Stadt an der Saale setzte sich durch. Eine falsche Entscheidung, meint Andreas Oppermann.
Für Frankfurt (Oder) ist das ein weiterer heftiger Schlag. Die Hoffnungen waren riesig. Aber das Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit kommt nicht an die Oder, sondern an die Saale nach Halle. Insgesamt 220 Millionen Euro wird die Bundesregierung dort in außergewöhnliche Architektur investieren, um bis zu eine Millionen Besucher jährlich zu locken.
Die Einrichtung, die Museum, Begegnungsstätte und Veranstaltungszentrum nach dem Vorbild des Europäischen Solidarnosc-Zentrums in Danzig sein soll, wird zudem mit 40 Millionen Euro im Jahr finanziert. Mit dem Zuschlag für Halle endet für Frankfurt ein Jahr der Hoffnung auf eine schillernde Zukunft.
Erfahrungen aus der Vergangenheit für die Zukunft
Der Stadt an der Oder war es gelungen, Begeisterung für das seltsam abstrakte Projekt in der Bevölkerung von Frankfurt und der polnischen Nachbarstadt Slubice zu wecken. Laut Bund soll das Zukunftszentrum die Deutsche Einheit mit ihren ostdeutschen Brüchen aufarbeiten.
Dabei sollen auch die Brüche in den osteuropäischen Gesellschaften nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums in den Blick genommen werden. Aus solchen Erfahrungen kann für die Zukunft gelernt werden. Denn Veränderung und Transformation bestimmen unsere Zukunft. Zum Beispiel bei der Umstellung der gesamten Wirtschaft und unseres Lebens auf CO2-Freiheit angesichts der schleichenden Klimakatastrophe.
Der Blick von Frankfurt über die Staatsgrenzen
Was den Zusammenbruch der Wirtschaft nach der Wiedervereinigung angeht, ist Halle mit seinem Umfeld von Bitterfeld bis zum Braukohletagebau um Leipzig herum sicher eine gute Wahl. Auch die Verkehrsanbindung von Halle ist besser. Auf der Autobahn 38 fährt man direkt in den Westen und mit dem ICE in nur drei Stunden nach München. Das benachbarte Leipzig, das sich auch beworben hatte, kann zudem auch noch profitieren. Denn hier gibt es genug Hotelbetten für die vielen erwarteten Besucher.
Aber was die Zukunft angeht, ist Halle die falsche Wahl. Gerade für den europäischen Teil der Ausschreibung ist Frankfurt wesentlich besser aufgestellt. Hier werden schon jetzt die Bücken nach Osteuropa gebaut. An der Oder gibt es ein Zentrum für interdisziplinäre Polenforschung. Das erste Zentrum für Ukraine-Forschung in Deutschland überhaupt wird aktuell an der Europauniversität Viadrina aufgebaut. Und im deutsch-polnischen Grenzraum wird Veränderung, Annäherung und die gemeinsame Gestaltung der Zukunft schon jetzt über die Staatsgrenze hinweg gedacht.
Die Jury für das Zukunftszentrum hat eine Entscheidung getroffen. Mit Halle ist das eine Entscheidung für die Vergangenheit - und nicht für die Zukunft.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.02.2023, 15.10 Uhr