Fragen und Antworten - Halb Karte, halb Bargeld - Wie der "digitale Euro" funktionieren soll

Fr 30.06.23 | 16:29 Uhr
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Symbolbild: Bargeldloses Bezahlen mit dem Handy. (Quelle: dpa/shotshop)
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Audio: Inforadio | 30.06.2023 | Newsjunkies | Bild: dpa/shotshop Download (mp3, 25 MB)

Bisher gilt bei vielen Berliner Eckkneipen und Brandenburger Gemüsehändlern noch: "Cash only". Doch das dürfte sich mit der Einführung des digitalen Euros ändern. Was das ist, wann er kommen könnte und ob das Bargeld abgeschafft wird - rbb|24 erklärt's.

Eines ist für den Handelsverband Berlin-Brandenburg klar: Bargeldloses Bezahlen ist für viele Unternehmen der Region seit der Pandemie nicht mehr wegzudenken. "Digitales Bezahlen hat durch Corona einen Schub erfahren, die Bezahlungsmöglichkeiten sind besser geworden, die technischen Geräte einfacher", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Phillip Haverkamp. Doch er sieht auch Probleme bei der fortschreitenden Digitalisierung: "Nicht zuletzt hat die Energiekrise und die Angst vor digitalen Angriffen gezeigt, dass Bargeld kritische Infrastruktur schützt." Der Handelsverband plädiert also für eine Dualität: digitale Bezahlformen und Bargeld.

Den neuen Plänen der EU zufolge soll genau das bedacht werden, wenn ein digitaler Euro eingeführt wird: Das Bargeld soll erhalten bleiben. Der digitale Euro soll aber auch davor schützen, dass Europa bei Angriffen finanziell geschädigt wird. Die EU-Kommission hat diese Woche einen ersten Gesetzentwurf vorgestellt.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Plan für einen "digitalen Euro":

Was ist der digitale Euro?

Der digitale Euro soll künftig ein drittes Zahlungsmittel sein, das neben Bargeld und Kartenzahlung genutzt werden kann. Er soll auf dem Währungskurs des Euro basieren und funktionieren wie der analoge Euro, also Bargeld. Er wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegeben, soll beständig im Wert sein, verlässlich, muss überall angenommen werden können und dementsprechend sicher sein.

Digital bezahlen können wir jetzt schon. Was ist der Unterschied?

Bei privaten Unternehmen wie Apple, Paypal, Google Pay, etc. und auch beim Bezahlen mit EC- oder Kreditkarte findet immer eine Transaktion im Hintergrund statt, bei der eine Lastschrift getätigt oder Geld von einem dieser Konten abgebucht wird. Dabei werden oft Gebühren fällig. Beim digitalen Euro soll diese Transaktion wegfallen, weshalb er gebührenfrei bleiben soll.

Außerdem soll wie beim Bargeld auch die Anonymität gewährleistet bleiben, erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin: "Es sollte eine nicht-kommerzielle Möglichkeit geben und sie sollte genauso sein wie Bargeld: anonym, nicht programmierbar, voller Datenschutz."

Eine datenschutzkonforme Alternative zu den herkömmlichen Digitalbezahlsystemen fordern Netzpolitiker schon lange. "Eigentlich war Bargeld immer eine öffentlich-rechtliche, gemeinwohlorientierte Sache", sagte Netzaktivist Markus Beckedahl am Rande der Digital-Konferenz Republica. Bei den kommerziellen Firmen sei es anders, hier würden alle Daten mitverfolgt: Wer bezahlt wann was? "Wir brauchen Alternativen zu Paypal, Kreditkarten, Apple, Google und Co, die uns nicht die ganze Zeit beim Bezahlen bewachen", forderte Beckedahl.

Wie genau soll der digitale Euro funktionieren?

Nach Vorstellungen der EU-Kommission soll es sich dabei um eine elektronische Geldbörse handeln. Diese könnte man zum Beispiel als sogenanntes "Wallet" auf dem Smartphone bei sich tragen. Verbraucher können damit den Einkauf bezahlen, sich selbst Euro auf diese Geldbörse überweisen und von anderen geschickt bekommen.

Hinzu könnte auch der Staat direkt auf dieses digitale Portmonee einzahlen. "Es gibt den Versuch, dass wir für jeden Staatsbürger in Deutschland auch ein Konto haben, damit man die Energiesteuereinnahmen rückverteilen wollen würde, an jeden einzelnen Bürger, damit man das dem auch einfach überweisen kann", erklärt der Berliner Wirtschaftsjournalist und Chefredakteur von "Finanztip", Hermann-Josef Tenhagen. im rbb24 Inforadio.

Das System soll auch offline funktionieren. Um Geld von Gerät zu Gerät zu übertragen, muss keine Internetverbindung bestehen.

Wann kommt der digitale Euro?

Ob und wann er kommt, entscheidet die EZB. Die Notenbank will im Oktober 2023 final darüber entscheiden. Nach EZB-Angaben könnte der digitale Euro frühestens 2026 kommen, Experten gehen eher von 2028 aus.

Wird das Bargeld dann abgeschafft?

Nein. Die EZB hat versichert, dass das Bargeld bleibt, solange es die Verbraucher nutzen. Und einer repräsentativen Umfrage der Bundesbank [bundesbank.de] zufolge wurden im Jahr 2021 noch 57,8 Prozent aller Zahlungen bar getätigt.

Das Gegenteil ist der Fall: Das Bargeld soll durch die Einführung des digitalen Euros sogar leichter verfügbar werden. Derzeit ist es mancherorts schwierig, an Bargeld zu kommen, denn immer mehr Bankfilialen schließen und Geldautomaten werden abgebaut. Mit dem digitalen Euro sollen Kunden künftig bei Einzelhändlern Bargeld ausgehändigt bekommen können, ohne dass sie etwas kaufen.

Bisher gilt an vielen Berliner Spätis und Brandenburger Gemüseständen noch "cash only", also digital Bezahlen kann man vielerorts nicht. Kann man diese Händler dann dazu zwingen, "cash only" aufzugeben?

Händler im gesamten Euro-Währungsgebiet werden nach bisherigen Plänen grundsätzlich verpflichtet, den digitalen Euro online und an der Kasse anzunehmen.

Doch es soll Ausnahmen geben: Ein kleiner Kiosk, der bisher nur Bargeld annimmt, weil er kein Kartenlesegerät hat, soll nicht zur Annahme von digitalen Euro gezwungen werden. Der Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Phillip Haverkamp, mahnt zudem: "Das neue digitale Bezahlsystem muss eine kritische Größe erreichen, damit es genutzt wird und es sich für die Händler auch lohnt, ein neues System zum Einlesen des digitalen Geldes zu installieren." In der Vergangenheit habe es einige Trends gegeben, die sich nicht durchgesetzt hätten - und dann habe sich für die Geschäfte die Umstellung ihrer Lesegeräte nicht gelohnt.

Welche Gebühren kommen auf Händler und Verbraucher zu?

Das Bezahlen soll für die Konsumenten kostenlos bleiben. Allerdings ist ein Maximalbetrag geplant, 3.000 Euro können nach aktuellem Plan im "Wallet" gespeichert werden.

Für Händler bleiben voraussichtlich Gebühren bestehen, wie bereits bei den privaten Zahlungsdienstleistern. Die EU-Kommission hofft aber, dass dadurch die Konkurrenz steigt und die Gebühren für Transaktionen bei allen Dienstleistern sinken. Das funktioniert aber nur, wenn die EZB sich entscheidet, selbst sehr geringe Gebühren zu verlangen, um ein Konkurrent auf dem Markt zu sein.

Welchen finanzpolitischen Vorteil hätte die digitale Währung?

Mit dem digitalen Euro könnte sich Europa unabhängiger machen, erklärt Wirtschaftsjournalist Tenhagen: "Bei politischen Auseinandersetzungen will man nicht davon abhängen, dass das Bezahlsystem wie wir es hier anwenden, nämlich digital, durch Sanktionen außerhalb unseres Einflussbereichs, außerhalb Europas gestoppt, beschädigt, behindert wird."

Für die EZB ist die E-Währung wichtig, um den Euro zu stärken. Schon heute sind bargeldlose Zahlungen Normalität, hinzu kommen immer mehr Krypto-Währungen. Neben der EZB sind laut Bundesfinanzministerium weitere 114 Banken weltweit mit der Entwicklung einer Digitalwährung beschäftigt, in elf Staaten gibt es diese bereits, zum Beispiel Nigeria. Auch Schweden will eine E-Krone einführen.

Im Entwurf der EU-Kommission heißt es auch: "Banknoten allein können Europas Wirtschaft im digitalen Zeitalter nicht mehr unterstützen." Demnach sei Bargeld bislang das einzige für jeden zugängliche gesetzliche Zahlungsmittel. Würde die EU nicht wie viele andere Länder eine allgemeinverfügbare digitale Lösung entwickle, könnte "das Vertrauen in Geschäftsbanken, Geld und letztlich den Euro selbst schwächen". Der digitale Euro ist also für EU und EZB auch eine Form der Geldstabilität und Sicherheit.

Welche Nachteile hätte der digitale Euro?

Bisher gibt es vor allem noch Zweifel an der Akzeptanz. Nach einer Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) sehen drei Viertel der Deutschen die virtuelle Gemeinschaftswährung Euro skeptisch und halten sie für nicht notwendig.

Banken und Sparkassen haben Sorge, dass die EZB mit der Einführung zum Konkurrenten im Zahlungsverkehr wird. Doch die EZB betont, dass der digitale Euro keine Nachteile für den Finanzsektor haben darf. So solle ein "Wallet" auch nicht genutzt werden, um das Geld vom Girokonto dort zu lagern. Der digitale Euro dürfe keine konkurrierende Geldanlage werden.

Sendung: Inforadio, 28.06.2023, 18:36 Uhr

15 Kommentare

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  1. 15.

    Wann haben denn die anderen Banken des EZB-Systems vor ihre Target 2 Schulden bei der Bundesbank zu bezahlen (wir reden hier von über 1 Bil. EUR!)?

  2. 14.

    Da wäre ich mir in diesem Punkt nicht so sicher. Die Zeitumstellung ist für die EU unwichtig. Die Kontrolle von Geldflüssen ist schon viel wichtiger. Frau Lagarde hat voriges Jahr auch behauptet, dass das zentrale Anliegen der EZB darin liegt die Inflation auf 2% im EU Raum zu begrenzen, nachdem sie viel zu spät mit der Erhöhung des Leitzinses begonnen hat. Das Statement von ihr klingt heute noch in meinen Ohren.

  3. 13.

    Da ich seit sehr langer Zeit mit Bargeld arbeite, kann ich Ihnen nur sagen: Geld riecht sehr wohl ! Münzen und Scheine gleichermaßen

  4. 12.

    Ihr Wort in Gottes Gehörgang……
    Ich bleibe bei „nur Bares ist Wahres“. Die Datensammelwut von Behörden & Firmen reicht ja nicht. Jetzt soll der gläserne Bürger erzwungen werden. Wenn die Skandinavier das gut finden, ist das ihr Ding. Ich finds nicht gut.

  5. 11.

    Das machen vor allem die bisherigen Bezahldienste. Der digitale Euro soll gerade wieder anonymes Bezahlen ermöglichen, und im Gegensatz PayPal & Co. läuft es offline.
    Oder haben Sie den Artikel nicht gelesen, sondern nur aus der Überschrift Ihr Schreckensbild zusammengeschustert?

  6. 10.

    Nur keine Panik. Die EU Mitglieder bekommen nicht mal die Abschaffung der Zeitumstellung umgesetzt und vieles andere auch nicht. Also abwarten und Tee trinken.

  7. 9.

    Sie wandern als Frührentner nirgends aus, dazu haben sie als Frührenter gar nicht das Geld. Sie schreiben sich lediglich täglich ihre schlechte Laune von der Seele.

  8. 8.

    Kennen sie den Begriff Eltern? Die können notfalls für das Kind mitbezahlen, Problem gelöst.

  9. 7.

    Herr Lindner sagt, dass die Anonymität gewahrt bleibt. Der Staat könnte dann auch gleich "Rückerstattungen " auf das Konto einzahlen. Welche Rückerstattungen und von was für eine Anonymität ist hier die Rede? Das Problem liegt m.E. darin, dass der Staat bei Bargeld nicht alle Geldflüsse kontrollieren kann.

  10. 6.

    Digital hin oder her, der Euro ist schon sehr lange gescheitert und gehört endlich abgeschafft, zurück zur guten alten D-Mark wäre das einzig richtige !!!

  11. 5.

    Die totale überwachung wer wo was in welchen Mengen wie oft bei wem kauft. Die Vorstufe zur Steuerung von Verhaltensweisen in jeder Hinsicht. Jahrelang haben wir genau das China vorgeworfen.

  12. 4.

    Viele werden erst aufwachen, wenn sie vom Digitalen Eure betroffen sein werden. Wer alles in welchem Umfang Zugang auf die Daten unter welchen Vorwänden erhalten wird oder wenn das Konto aus politischen gründen per Knopfdruck gesperrt wird. Klar, alles verschwörungstheorie. Man kann sich alles vorstellen. Bisher wurde noch jede Technologie missbraucht. Jetzt sollen ja auch Chats durchsucht werden dürfen, Vorratsdatenspeicherung und Nummernschildscanner sind alte Hüte, Gesichtserkennung und Kameras ebenso wie Netzwerkfilder und DNS Sperren usw usw. Da drängt sich die Frage auf, was hat die Politik noch mit dem Souverän gemein?

  13. 3.

    Wohin wollen Sie denn auswandern? Zumindest in den meisten EU-Staaten spielt Bargeld schon jetzt eine viel geringere Rolle als bei uns.

  14. 2.

    Also sollte mir es verboten werden das ich mit Bargeld meine Einkäufe tätige dann werde ich wohl wirklich auswandern müssen.
    Ich mag dieses Geld was nicht anpassbar ist und auch nicht riecht.
    Was für armseliges Leben ohne Bargeld.
    Nur Bares ist wahres.

  15. 1.

    Das klingt alles schön, aber ist irgendwie an Minderjährige gedacht? Die noch kein Smartphone bei sich haben sollten, weil sie wirklich zu jung dafür sind?

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