Fragen und Antworten - Halb Karte, halb Bargeld - Wie der "digitale Euro" funktionieren soll
Bisher gilt bei vielen Berliner Eckkneipen und Brandenburger Gemüsehändlern noch: "Cash only". Doch das dürfte sich mit der Einführung des digitalen Euros ändern. Was das ist, wann er kommen könnte und ob das Bargeld abgeschafft wird - rbb|24 erklärt's.
Eines ist für den Handelsverband Berlin-Brandenburg klar: Bargeldloses Bezahlen ist für viele Unternehmen der Region seit der Pandemie nicht mehr wegzudenken. "Digitales Bezahlen hat durch Corona einen Schub erfahren, die Bezahlungsmöglichkeiten sind besser geworden, die technischen Geräte einfacher", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Phillip Haverkamp. Doch er sieht auch Probleme bei der fortschreitenden Digitalisierung: "Nicht zuletzt hat die Energiekrise und die Angst vor digitalen Angriffen gezeigt, dass Bargeld kritische Infrastruktur schützt." Der Handelsverband plädiert also für eine Dualität: digitale Bezahlformen und Bargeld.
Den neuen Plänen der EU zufolge soll genau das bedacht werden, wenn ein digitaler Euro eingeführt wird: Das Bargeld soll erhalten bleiben. Der digitale Euro soll aber auch davor schützen, dass Europa bei Angriffen finanziell geschädigt wird. Die EU-Kommission hat diese Woche einen ersten Gesetzentwurf vorgestellt.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Plan für einen "digitalen Euro":
Was ist der digitale Euro?
Der digitale Euro soll künftig ein drittes Zahlungsmittel sein, das neben Bargeld und Kartenzahlung genutzt werden kann. Er soll auf dem Währungskurs des Euro basieren und funktionieren wie der analoge Euro, also Bargeld. Er wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgegeben, soll beständig im Wert sein, verlässlich, muss überall angenommen werden können und dementsprechend sicher sein.
Digital bezahlen können wir jetzt schon. Was ist der Unterschied?
Bei privaten Unternehmen wie Apple, Paypal, Google Pay, etc. und auch beim Bezahlen mit EC- oder Kreditkarte findet immer eine Transaktion im Hintergrund statt, bei der eine Lastschrift getätigt oder Geld von einem dieser Konten abgebucht wird. Dabei werden oft Gebühren fällig. Beim digitalen Euro soll diese Transaktion wegfallen, weshalb er gebührenfrei bleiben soll.
Außerdem soll wie beim Bargeld auch die Anonymität gewährleistet bleiben, erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin: "Es sollte eine nicht-kommerzielle Möglichkeit geben und sie sollte genauso sein wie Bargeld: anonym, nicht programmierbar, voller Datenschutz."
Eine datenschutzkonforme Alternative zu den herkömmlichen Digitalbezahlsystemen fordern Netzpolitiker schon lange. "Eigentlich war Bargeld immer eine öffentlich-rechtliche, gemeinwohlorientierte Sache", sagte Netzaktivist Markus Beckedahl am Rande der Digital-Konferenz Republica. Bei den kommerziellen Firmen sei es anders, hier würden alle Daten mitverfolgt: Wer bezahlt wann was? "Wir brauchen Alternativen zu Paypal, Kreditkarten, Apple, Google und Co, die uns nicht die ganze Zeit beim Bezahlen bewachen", forderte Beckedahl.
Wie genau soll der digitale Euro funktionieren?
Nach Vorstellungen der EU-Kommission soll es sich dabei um eine elektronische Geldbörse handeln. Diese könnte man zum Beispiel als sogenanntes "Wallet" auf dem Smartphone bei sich tragen. Verbraucher können damit den Einkauf bezahlen, sich selbst Euro auf diese Geldbörse überweisen und von anderen geschickt bekommen.
Hinzu könnte auch der Staat direkt auf dieses digitale Portmonee einzahlen. "Es gibt den Versuch, dass wir für jeden Staatsbürger in Deutschland auch ein Konto haben, damit man die Energiesteuereinnahmen rückverteilen wollen würde, an jeden einzelnen Bürger, damit man das dem auch einfach überweisen kann", erklärt der Berliner Wirtschaftsjournalist und Chefredakteur von "Finanztip", Hermann-Josef Tenhagen. im rbb24 Inforadio.
Das System soll auch offline funktionieren. Um Geld von Gerät zu Gerät zu übertragen, muss keine Internetverbindung bestehen.
Wann kommt der digitale Euro?
Ob und wann er kommt, entscheidet die EZB. Die Notenbank will im Oktober 2023 final darüber entscheiden. Nach EZB-Angaben könnte der digitale Euro frühestens 2026 kommen, Experten gehen eher von 2028 aus.
Wird das Bargeld dann abgeschafft?
Nein. Die EZB hat versichert, dass das Bargeld bleibt, solange es die Verbraucher nutzen. Und einer repräsentativen Umfrage der Bundesbank [bundesbank.de] zufolge wurden im Jahr 2021 noch 57,8 Prozent aller Zahlungen bar getätigt.
Das Gegenteil ist der Fall: Das Bargeld soll durch die Einführung des digitalen Euros sogar leichter verfügbar werden. Derzeit ist es mancherorts schwierig, an Bargeld zu kommen, denn immer mehr Bankfilialen schließen und Geldautomaten werden abgebaut. Mit dem digitalen Euro sollen Kunden künftig bei Einzelhändlern Bargeld ausgehändigt bekommen können, ohne dass sie etwas kaufen.
Bisher gilt an vielen Berliner Spätis und Brandenburger Gemüseständen noch "cash only", also digital Bezahlen kann man vielerorts nicht. Kann man diese Händler dann dazu zwingen, "cash only" aufzugeben?
Händler im gesamten Euro-Währungsgebiet werden nach bisherigen Plänen grundsätzlich verpflichtet, den digitalen Euro online und an der Kasse anzunehmen.
Doch es soll Ausnahmen geben: Ein kleiner Kiosk, der bisher nur Bargeld annimmt, weil er kein Kartenlesegerät hat, soll nicht zur Annahme von digitalen Euro gezwungen werden. Der Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Phillip Haverkamp, mahnt zudem: "Das neue digitale Bezahlsystem muss eine kritische Größe erreichen, damit es genutzt wird und es sich für die Händler auch lohnt, ein neues System zum Einlesen des digitalen Geldes zu installieren." In der Vergangenheit habe es einige Trends gegeben, die sich nicht durchgesetzt hätten - und dann habe sich für die Geschäfte die Umstellung ihrer Lesegeräte nicht gelohnt.
Welche Gebühren kommen auf Händler und Verbraucher zu?
Das Bezahlen soll für die Konsumenten kostenlos bleiben. Allerdings ist ein Maximalbetrag geplant, 3.000 Euro können nach aktuellem Plan im "Wallet" gespeichert werden.
Für Händler bleiben voraussichtlich Gebühren bestehen, wie bereits bei den privaten Zahlungsdienstleistern. Die EU-Kommission hofft aber, dass dadurch die Konkurrenz steigt und die Gebühren für Transaktionen bei allen Dienstleistern sinken. Das funktioniert aber nur, wenn die EZB sich entscheidet, selbst sehr geringe Gebühren zu verlangen, um ein Konkurrent auf dem Markt zu sein.
Welchen finanzpolitischen Vorteil hätte die digitale Währung?
Mit dem digitalen Euro könnte sich Europa unabhängiger machen, erklärt Wirtschaftsjournalist Tenhagen: "Bei politischen Auseinandersetzungen will man nicht davon abhängen, dass das Bezahlsystem wie wir es hier anwenden, nämlich digital, durch Sanktionen außerhalb unseres Einflussbereichs, außerhalb Europas gestoppt, beschädigt, behindert wird."
Für die EZB ist die E-Währung wichtig, um den Euro zu stärken. Schon heute sind bargeldlose Zahlungen Normalität, hinzu kommen immer mehr Krypto-Währungen. Neben der EZB sind laut Bundesfinanzministerium weitere 114 Banken weltweit mit der Entwicklung einer Digitalwährung beschäftigt, in elf Staaten gibt es diese bereits, zum Beispiel Nigeria. Auch Schweden will eine E-Krone einführen.
Im Entwurf der EU-Kommission heißt es auch: "Banknoten allein können Europas Wirtschaft im digitalen Zeitalter nicht mehr unterstützen." Demnach sei Bargeld bislang das einzige für jeden zugängliche gesetzliche Zahlungsmittel. Würde die EU nicht wie viele andere Länder eine allgemeinverfügbare digitale Lösung entwickle, könnte "das Vertrauen in Geschäftsbanken, Geld und letztlich den Euro selbst schwächen". Der digitale Euro ist also für EU und EZB auch eine Form der Geldstabilität und Sicherheit.
Welche Nachteile hätte der digitale Euro?
Bisher gibt es vor allem noch Zweifel an der Akzeptanz. Nach einer Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) sehen drei Viertel der Deutschen die virtuelle Gemeinschaftswährung Euro skeptisch und halten sie für nicht notwendig.
Banken und Sparkassen haben Sorge, dass die EZB mit der Einführung zum Konkurrenten im Zahlungsverkehr wird. Doch die EZB betont, dass der digitale Euro keine Nachteile für den Finanzsektor haben darf. So solle ein "Wallet" auch nicht genutzt werden, um das Geld vom Girokonto dort zu lagern. Der digitale Euro dürfe keine konkurrierende Geldanlage werden.
Sendung: Inforadio, 28.06.2023, 18:36 Uhr