Zukunft des Ex-Flughafens Schönefeld - Wie das Terminal 5 zum "Quartier SXF 2.0" werden soll

Sa 02.09.23 | 08:03 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Symbolbild:Der Schriftzug "BER Terminal 5" auf dem Flughafengebäude.(Quelle:imago images/S.Zeitz)
Audio: Antenne Brandenburg | 02.09.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: imago images/S.Zeitz

Geflogen wird in Schönefeld längst nur noch am BER, das alte Terminal 5 ist aus der Corona-bedingten Zwangspause nicht zurückgekehrt. Nun soll der alte Flughafen zu einem neuen Stadtkern Schönefelds werden. Von Sebastian Schöbel

Die Gemeinde ist zu zerklüftet und teilweise schlecht geplant, der ÖPNV ist mangelhaft ausgebaut, und der Flughafen BER wegen fehlender Drehkreuz-Funktion kein großer Wurf: Das Strategiepapier, das sich die Gemeinde Schönefeld Ende 2022 von einer großen Beratungsagentur erstellen ließ, klingt auf den ersten Blick überraschend negativ. Dabei führt Schönefeld doch seit Jahren die Liste der reichen Brandenburger Kommunen an, die eine Finanzausgleichsumlage zahlen müssen. Die Stadt boomt, vor allem Dank des Flughafens.

Doch die Strategie-Experten kommen in ihrer Analyse sehr direkt zum Punkt: Für die langfristige Entwicklung der Gemeinde Schönefeld dürfe der BER "nicht das alleinige Merkmal" sein. Stattdessen müsse sich die Gemeinde zwei grundsätzliche Aussagen auf ihre Fahne mit der gold-schwarzen Windrose schreiben: "Schönefeld ist nicht einfach nur eine Flughafengemeinde", und "Schönefeld sieht sich explizit nicht nur als Vorort von Berlin".

Entladen, ausgecheckt und die Gates geschlossen - Terminal 5 winkt

Flughafengesellschaft plant "Quartier SXF 2.0"

Wie sehr man sich schon vom Airport-Betrieb emanzipiert hat, zeigt an diesem Wochenende das Familienfest am ehemaligen Terminal 5. Der Alt-Flughafen dient dabei vor allem als Kulisse: Vordergründig geht es nämlich um den 20. Geburtstag der Gemeinde Schönefeld, sagt Bürgermeister Christian Hentschel. Den Ex-Flughafen wolle man aber trotzdem bei dieser Gelegenheit gleich mit verabschieden. "Das ist ein Stück auch Vergangenheit, was ja jetzt hier zu Ende geht", sagt Hentschel, sicher werde auch die ein oder andere Träne verdrückt.

Doch für den parteilosen Gemeindechef geht der Blick längst in die Zukunft: Terminal 5 soll einbezogen werden in das neue Stadtquartier, das hier geplant ist. Als "Verbindung zu den früheren Zeiten", sagt Hentschel, "aber auch als Verbindung zu diesem Boom, der hier entsteht".

"Quartier SXF 2.0" nennt es die Flughafengesellschaft: Auf 37 Hektar rund um das Terminal 5 soll der neue Stadtteil entstehen. Drei Architekturbüros erarbeiten bis Ende des Jahres Ideen. Vorgaben habe man den Planern keine gemacht, teilt die Flughafengesellschaft auf rbb-Nachfrage mit. Man habe lediglich ein 26-seitiges Dossier mit allerlei Plänen und Listen von Bestandsgebäuden ausgeteilt. Das Gelände an der Bundesstraße 96a sei "ein attraktives Filetstück", schreibt das Unternehmen, und Flughafenchefin Aletta von Massenbach wünsche sich dort "eine unkonventionelle, ökonomisch sinnvolle und nachhaltige Entwicklung".

Der oft prognostizierte Bedarf an hochwertigen Büroflächen und Hotels (abgeleitet aus übersteigerten Erwartungen an den BER) wird so nicht eintreten.

Strategiepapier der Gemeinde Schönefeld

"Leerstehende Bürogebäude brauchen wir nicht"

So vage die Vorstellungen des Flughafens sind, so klar sind sie bei der Gemeinde Schönefeld. "Was wir nicht brauchen, sind leerstehende Bürogebäude", sagt Bürgermeister Hentschel. Dass dieses Szenario droht, haben ihm seine Berater nämlich explizit aufgeschrieben: Weil am BER nur wenige internationale Verbindungen angeboten werden, blieben die Business-Class-Reisenden weitgehend aus. "Dies hat wiederum Auswirkungen auf den Immobilienmarkt rund um den Flughafen: Der oft prognostizierte Bedarf an hochwertigen Büroflächen und Hotels (abgeleitet aus übersteigerten Erwartungen an den BER) wird so nicht eintreten", so das Urteil der Experten. Hentschel hat deswegen einen anderen Wunsch: "Wir könnten uns sehr gut ein großes Konferenzzentrum in direkter Nähe zum Flughafen vorstellen."

"MICE" lautet das Zauberwort, die Branchenabkürzung für "Meeting, Incentives, Conferences, Events". Terminal 5 soll laut Schönefelder Vorstellungen ein neues Zentrum für Messen und Kongresse werden - und zwar mit einem eigenen Betreiber aus der Region, nicht etwa der Messe Berlin. Christian Hentschel sagt, er könne sich dazu noch Kultur, Restaurants, ein Kino oder eine Bowlingbahn vorstellen. Eine "Downtown" für die mehr als 13.000 Menschen, für die in direkter Nachbarschaft, nördlich vom S-Bahnhof Schönefeld, knapp 6.000 Wohnungen bereits in Planung sind. "Da wäre mein Anliegen, dass hier ein toller Stadtkern entsteht", sagt Hentschel.

Am Ende entscheidet die Flughafengesellschaft

Darüber hinaus will sich Schönefeld vor allem als Standort für Biotech-Unternehmen, innovative Produktionsstraßen und große Lager mit integrierten Showrooms positionieren. Zum Vorbild nimmt man sich unter anderem das Victoria & Albert-Designmuseum in London oder die Irving Music Factory im US-amerikanischen Dallas. Auch hochmoderne vertikale Gärten, Forschungslabore für Technik-Hochschulen oder Test-Gelände für Tesla und andere Autohersteller wären denkbar.

Geplant wird all das aber nicht nur im Schönefelder Rathaus: Die Gemeinde sieht sich als Teil eines "Boom-Korridors", in dem auch Wildau und Königs Wusterhausen eine wichtige Rolle spielen. Das Gelände rund um das alte Terminal 5 soll Teil eines größeren Wirtschaftsverbundes werden, in dem jede Region ihre Leuchttürme hat, ohne dass man untereinander konkurriert. "Nur so macht es Sinn, dass wir die Region hier gemeinsam entwickeln", sagt Hentschel.

Die Flughafengesellschaft sei dabei einer der zentralen Akteure, so Schönefelds Bürgermeister, die Absprachen mit der FBB liefen sehr gut. Anders wäre eine Entwicklung des ehemaligen Flughafenareals aber auch gar nicht möglich: Es gehöre weiterhin komplett der Flughafengesellschaft, so Hentschel. "Stand heute dürfen da erst mal nur Dinge entstehen, die im direkten Zusammenhang mit dem Flughafen stehen."

Ob das "Quartier SXF 2.0" also wirklich im Sinne der Gemeinde entwickelt wird, wird nicht in Hentschels Rathaus in der Hans-Grade-Allee entschieden, sondern einen Kilometer weiter südlich, in der Willy-Brandt-Straße, wo die FBB residiert. Wie unabhängig vom Flughafen die Gemeinde Schönefeld in Zukunft sein wird, entscheidet der Flughafen also maßgeblich mit.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.09.2023, 7:00

Beitrag von Sebastian Schöbel

22 Kommentare

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  1. 22.

    A100 Ausfahrt Schönefeld-Süd ist weniger als 5 Minuten Fahrtzeit vom T5 entfernt.

  2. 21.

    Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, geht die Entscheidung für Schönefeld allein auf den Einspruch Berlins zurück. Diepgen und Landowski waren der Meinung, dass es den Westberlinern nicht zuzumuten sei in die Walachei nach Sperenberg zu fahren.

  3. 19.

    Hm wann ist nochmal FRA in Betrieb?

    Geht wohl auch ohne 24/7 Betrieb.

    Im übrigen auch am MUC. Muss Wossi ja nicht wissen.

  4. 18.

    Statt leerstehender Bürogebäude also ein leerstehendes bzw. unternutztes Konferenzzentrum. Kreativ!
    Interessieren würde mich, welche Art von Wohnungen daneben gebaut werden sollen. Online findet sich die Info, dass Buwog und Bonova da bauen, also wahrscheinlich das übliche Luxusgedöns, das sich kein Normalverdiener bzw. Normalberliner leisten kann.

    Einzelne Berliner Wohnungsbaugesellschaften fangen ja schon an, in Kooperation mit Umlandgemeinden auf Brandenburger Gebiet zu bauen. Wäre das da nicht auch möglich? Aber den Pöbel will man wahrscheinlich in Schönefeld nicht haben. Bitte auch nicht vergessen, zwei bis drei Parkplätze pro Wohnung zu bauen, schließlich sind es 500m zur S-Bahn.

  5. 17.

    Da schmückt sich aber jemand nicht nur fremden Federn, sondern auch mit eklatantem Unwissen. Lassen Sie es doch besser sein und formieren unter eigener Kreativität. Ich habe Brand in meinen Kommentaren nie erwähnt, eher Sperenberg favorisiert.

  6. 16.

    "Was soll da jetzt immer noch Befindlichkeiten wecken? Der SXF ist schon lange Geschichte. Oder sind das hier bewusste Clickbaits??"

    Sie haben es nicht verstanden, oder?
    Vielleicht lesen Sie erst noch mal das Interview mit Bürgermeister Hentschel?

  7. 15.

    "Ich frage mich,warum der Flugplatz Brand niemals in Erwägung gezogen wurde"

    Hat wahrscheinlich eher mit der Entfernung zu tun, oder?:
    Schönefeld ist von der Berliner Stadtmitte ca. 20 km weit, Sperenberg mehr als 50 km und Brand schon mehr als 70 km!

  8. 14.

    Weil im Erdinger Moss oft Nebel herrscht und nicht immer geflogen werden kann? Spricht das auch für die Standortwahl? BER hätte besser in Sperenberg gebaut werden sollen. Naja, Geschichte!

  9. 13.

    Ich verstehe überhaupt nicht, wovon die Rede ist. Nach der falschen Standort-Entscheidung ist der BER mit 11 Jahren Verzögerung als Ersatz für den damaligen DDR Staatsflughafen Schönefeld eröffnet worden! Was soll da jetzt immer noch Befindlichkeiten wecken? Der SXF ist schon lange Geschichte. Oder sind das hier bewusste Clickbaits??

  10. 12.

    Wer von den meckernden Alt-Westberlinern hier hat denn nicht gejammert, als der alte - auch nicht gerade bildschöne - Sportpalast abgerissen wurde oder die Deutschlandhalle oder andere Gebäude, die entweder nicht mehr gebraucht oder gewollt oder die halt überflüssig waren?
    Und wie groß wird das Jammern erst sein, wenn das brutalistische Congress Center abgerissen wird!
    Jeder hängt an irgendwas...

  11. 11.

    In München hatten die Experten einen anderen Stellenwert als in Berlin/Brandenburg. Deshalb sprechen die Zahlen für sich. Was unterscheidet Erfolgreiche von Erfolglosen?

  12. 10.

    Ich frage mich,warum der Flugplatz Brand niemals in Erwägung gezogen wurde. Dort hatte man alles: Autobahn, Eisenbahn, das Funkfeuer Klasdorf und kaum Bevölkerung im An- und Abflugsektor. Ein internationaler Flughafen braucht sinnvollerweise einen 24/7 Betrieb.Aber damals hatte man sich lieber für die Luftnummer Cargo Lifter entschieden,die erst einmal die Nordbahn entfernt hatte um dann die Südbahn durch die Halle unbrauchbar zu machen. Damit wäre SXF als Regionalflughafen genau richtig gewesen

  13. 9.

    Den ursprünglichen Standortwettbewerb hatte Sperenberg gewonnen, in einer Nacht- und Nebelaktion wurde doch Schönefeld daraus. Autobahn- und Bahnanbindung hätte man problemlos realisieren können. Münchens Flughafen ist auch weit draußen, Fahrzeit mit der S-Bahn in die City 45 Min.

  14. 8.

    Na wo hätten Sie denn den Flughafen bauen lassen?

    Mir schwant böses....

    Der BER hat nur ein Problem, die Lufthansa als deutscher Flagcarrier mit den Drehkreuzen Frankfurt und München.

    Ob das mit A321XLR so bleibt, darf man gespannt sein in Zukunft.

  15. 7.

    Ist doch cool: Leben vor in6d bei einer Architektur- Ikone!

  16. 6.

    Sehr gute Ideen. Ich hoffe nur, daß zwischen Planung und Durchführung nicht Jahrzehnte vergehen.

  17. 5.

    Und was passiert wenn das Projekt schief geht, wer trägt dann die Kosten? Die Gemeinde Schönefeld?
    NEIN danke!
    Am besten wäre das alte Gebäude, zusammen mit dem alten Hotel auf dem Airport, abzureißen.

  18. 4.

    Ein Downtown für 15000 Menschen?

    Und Kongresse ,Messen etc. Leben nicht von Business Reisenden?

  19. 3.

    Schönefeld wird sich weiter gut entwickeln. Wegen der Lage. Auch ohne Flughafen wäre das geschehen. Hätte man dem Expertenrat eines anderen Standortes gefolgt, dann wäre „die Post so richtig abgegangen“. An zwei Standorten und sogar noch der Weg dahin, entlang einer Bahntrasse? Es ist nicht das erste mal, dass „Versager“ erfolglos sind. Bei Großprojekten. Seit 34 Jahren in Brandenburg.

  20. 2.

    Ich finde das Vorhaben sehr gut.

  21. 1.

    Viel Glück der Gemeinde, dass sie mit ihrem Konzept gegen die nicht gerade innovativ und nachhaltig denkende Flughafengesellschaft besteht.

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