Stromanbieter in Berlin - Stadtwerke stemmen sich gegen Kundenschwund
Als kleiner, aber feiner Ökostrom-Anbieter mit Heimvorteil wurden die Berliner Stadtwerke gegründet. Zuletzt haben aber Tausende Kunden wegen hoher Preise gekündigt. Die Stadtwerke reagieren jetzt. Von Franziska Hoppen und Jan Menzel
- Landeseigener Ökostrom-Anbieter verliert Kunden wegen zu hoher Preise
- Gründe für hohe Preise liegen in Energiekrise und zu großer Nachfrage
- Anbieter will Tarif für Bestandskunden vergünstigen
Auf den Dächern der Berliner Messehallen glänzen lange Reihen von Solaranlagen. Gerade erst wurden acht neue öffentliche Ladepunkte in der Nähe des Kudamms eingeweiht. Und vor den Toren Berlins drehen sich mehr als ein Dutzend große Windräder. Die Berliner Stadtwerke expandieren seit Jahren kräftig und treiben die Energiewende voran. Auch in den Kundenzahlen spiegelte sich der Erfolg lange wider. Doch dann platzte die Energiekrise mit ihren massiven Preissteigerungen dazwischen.
"Wir haben gerne etwas mehr gezahlt für lokalen Ökostrom, aber das war zu viel des Guten", kommentiert ein User auf rbb24 die Preispolitik des Berliner Landesunternehmens in den vergangenen Monaten. Ein anderer ärgert sich und denkt über einen Anbieter-Wechsel nach: "Als treuer Kunde darf man doch wohl hoffen, dass man gewisse Vorteile hat, wenn man mit den Stadtwerken durch Dick und Dünn geht".
Stadtwerke mit großem Kundenschwund
Diese beiden Stimmen stehen stellvertretend für tausende Haushalte, die ihren Strom bei dem landeseigenen Unternehmen beziehen beziehungswweise bezogen haben. Hatten die Stadtwerke im vergangenen Jahr noch etwas mehr als 35.000 Kunden unter Vertrag, haben zwischenzeitlich rund 3.500 gekündigt. "Wir sind im vergangenen Jahr so ein bisschen Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden", erklärte Stadtwerke-Sprecher Stephan Natz.
Tatsächlich waren die Stadtwerke lange mit sehr günstigen Preisen am Markt erfolgreich. Ohne dass dafür eine große Werbekampagne gefahren wurde, sprach sich das Angebot herum und deutlich mehr Berlinerinnen und Berliner wollten den Ökostrom des lokalen Unternehmens. Allerdings seien es am Ende mehr Kunden geworden, als man erwartet hatte, so Natz: "Wir mussten zu den damals sehr hohen Konditionen an der Börse zusätzlichen Strom beschaffen und das hat letztlich zu höheren Preisen geführt." Diese lagen zuletzt mit 52,9 Cent für die Kilowattstunde für mehrere tausend Bestandskunden deutlich über dem, was andere Stromlieferanten verlangen.
CDU und SPD kritisieren Entwicklung der Stadtwerke
Sind die landeseigenen Stadtwerke also nicht konkurrenzfähig? Für den energiepolitischen Sprecher der CDU Christian Gräff ist das nicht akzeptabel: "Wenn wir als öffentliche Hand Stadtwerke haben und ein Angebot kommunal erbringen, Strom zu erzeugen und zu verteilen, dann muss das Angebot mindestens mit dem Markt mithalten, wenn nicht günstiger sein." Das sei besonders für Haushalte in sozial schwieriger Situation wichtig, so Gräff weiter.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Jörg Stroedter, der seit den Anfängen ein Fürsprecher des Unternehmens ist, erinnert an das ursprüngliche Ziel von 100.000 Kunden. "Das ist ja überhaupt nicht eingetreten. Wir sind ja im Gegenteil jetzt in der falschen Entwicklung und da muss man gegensteuern".
Ein riesiges Problem sieht auch der beteiligungspolitische Sprecher der Linken Sebastian Schlüsselburg. Er hatte mit einer parlamentarischen Anfrage den Kundenschwund der Stadtwerke öffentlich gemacht. Für Schlüsselburg ist aber auch klar, wie sich das Problem lösen lässt.
So wie andere Stromerzeuger auch haben die Stadtwerke in der Hochphase der Energiekrise von den hohen Preisen profitiert und satte Übergewinne eingefahren. "7,9 Millionen Euro sind bei den Stadtwerken verblieben. Das ist ein Punkt, wo wir sagen müssen: Dieses Geld muss jetzt eingesetzt werden, um Kunden zurückzugewinnen bzw. vom Kündigen abzuhalten", so Schlüsselburg.
Gewinne schon anderweitig verplant
Die Stadtwerke haben diese Gewinne allerdings schon anderweitig verplant. Das Unternehmen will das Geld investieren, mehr Windräder bauen und weiter Solaranlagen auf Dächern installieren. Die Strompreise sollen aber trotzdem für mehrere tausend Bestandskunden sinken, kündigt Stadtwerke-Sprecher Stephan Natz gegenüber dem rbb an. "Die bekommen einen Brief und diejenigen, die noch einen teuren Tarif haben, werden von uns eine Preissenkung von etwa 30 Prozent in diesem Brief angekündigt bekommen."
Zum 1. Januar sollen die neuen, konkurrenzfähigen Preise für Bestandskunden gelten. Die Berliner Stadtwerke bewegen sich mit diesen Tarifen auf dem Niveau anderer Öko-Stromanbieter. Wahrscheinlich eine gute Voraussetzung, um auch wieder das alte Kundenniveau zu erreichen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.11.2023, 19:30 Uhr