Horrende Abrechnungen - Betriebskosten: Große Posten fressen kleine Renten

Mi 29.11.23 | 11:24 Uhr
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Archivbild: Rentnerinnen spazieren am 25.12.2005 durch den verschneiten Lustgarten in Berlin. (Quelle: Imago Imges/Steinach)
Bild: Imago Images/Steinach

Immer mehr Menschen können sich die hohen Kosten für Energie nicht leisten. Wegen massiver Betriebskostennachzahlungen droht einigen sogar der Wohnungsverlust - unter ihnen auch Rentnerinnen und Rentner. Von Bendrik Muhs

Christa B. ist sauer. Denn die Sozialwohnung, die sie bewohnt, kostet jetzt schon bei einer Größe von 50 Quadratmetern 730 Euro. Miete und Nebenkosten sollten aber eigentlich sozialverträglich sein - zumal die Reinickendorfer Wohnanlage einer Stiftung gehört. Jetzt noch das: Mit der Betriebskostenabrechnung für das vergangene Jahr fordert die Stiftung eine Nachzahlung von 800 Euro von ihr - Heizkosten. Doch Christa B. weiß nicht, woher sie diese Summe nehmen soll. Gleichzeitig sind auch ihre Vorauszahlungen gestiegen.

Eine Nachbarin von B. hat es noch schlimmer getroffen, sie soll 2.000 Euro an Rückzahlungen leisten - die Grundkosten sind damit mehr als verdoppelt, die Verbrauchskosten um das Dreifache gestiegen. Immerhin: Die Stiftung hat den Mietern angeboten, die Beträge in Raten abzuzahlen.

20% der Berliner:innen armutsgefährdet

So wie bei den Reinickendorfer Mieterinnen wird es diesen Winter vielen ergehen. Die Betriebskostenabrechnungen für 2022 müssen bis Ende des Jahres bei Mieterinnen und Mietern eingegangen sein - in den allermeisten enthalten: die Heizkosten. Und die treiben die Abrechnungen vielfach in die Höhe. Hohe Nachzahlungen sind keine Seltenheit. Die Schulden, die sich so bei vielen Bürgerinnen und Bürgern auftürmen, werden zum Existenzrisiko.

Schon jetzt gelten 20 Prozent der Berliner:innen als armutsgefährdet. Im Zusammenhang mit den massiven Nachzahlungen an Energiekosten schlagen Sozialverbände wie der VdK deshalb Alarm, der deutsche Mieterbund fürchtet gar eine "soziale Katastrophe". Es gelte, sich alle Hilfen zu holen, die der Staat bietet.

Hilfe beim Sozialamt oder Jobcenter

"Wenn diese hohe Nachzahlung kommt, dann kann und sollte man auch sehr schnell zum Jobcenter oder zum Sozialamt gehen und Hilfen beantragen", rät Margret Böwe vom Sozialverband VdK Deutschland gegenüber dem rbb. Geprüft werde dann, ob ein Anspruch auf Bürgergeld bzw. Grundsicherung vorliegt.

Rentner sollten sich dabei besonders beeilen, denn sie müssen beim Sozialamt noch im gleichen Monat einen Antrag stellen, in dem die Nachzahlungsforderung fällig wird. Geringverdienende Angestellte und Selbstständige haben mehr Zeit; sie können innerhalb von drei Monaten Hilfe beim Jobcenter beantragen. "Das sollte man auch wirklich in Anspruch nehmen und da keine falsche Scham haben", so Böwes Appell.

Bei Zahlungsverzug droht fristlose Kündigung

Der normale Berliner Mietmarkt ist auch ohne diese massiven Energiekosten-Nachzahlungen als hart bekannt. Zwar bestätigen auf rbb-Anfrage alle großen Vermieter, dass sie sich auf Ratenzahlungen einlassen würden, doch dies stellt keine Garantie dar. Mietschulden sind rechtlich ein Kündigungsgrund, und so manch ein Vermieter könnte die nutzen, um Altmieter aus der Wohnung zu bekommen.

Es nütze deshalb gar nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und etwaige Forderungen zu ignorieren, so Jutta Hartmann, Pressesprecherin des Deutscher Mieterbunds. Wer eine hohe Betriebskostenabrechnung bekommt, muss vor allem schnell handeln. Geraten Mieter länger in Zahlungsverzug, droht die fristlose Kündigung. "Deswegen besteht hier wirklich die Gefahr, die Wohnung zu verlieren, wenn ich diese Zahlung nicht rechtzeitig leisten kann," warnt Hartmann.

Schriftliche Bestätigung einholen

Sie rät grundsätzlich allen Mieterinnen und Mietern, die Betriebskostenabrechnung inklusive der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2022 überprüfen zu lassen - dies kann man bei Mietervereinen wie dem Mieterbund oder dem Berliner Mieterverein, aber auch bei Mietrechtsanwälten zu unterschiedlichen Konditionen machen lassen.

Wenn dann wirklich hohe Nachzahlung anstehen, empfiehlt sie: "Aktiv auf dem Vermieter zugehen, ihm Lösungen anbieten, wie zum Beispiel Ratenzahlungen." Dies solle allerdings immer auch per Mail passieren, nicht nur am Telefon, damit man es nachweisen kann - auch eine Bestätigung sollten Betroffene immer schriftlich einholen.

Wohngeld beantragen

Eine weitere Möglichkeit, staatliche Hilfe zu bekommen, ist das Wohngeld. Es wurde Anfang 2023 erhöht, gleichzeitig haben jetzt mehr Menschen Anspruch darauf. "Die Politik hat ein großes Interesse daran, dass Menschen das auch in Anspruch nehmen, weil sie gemerkt haben, dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt extrem angespannt ist, viele Menschen ihre Wohnkosten, ihre Miete nicht mehr bezahlen können oder dadurch einfach zu stark belastet sind", erläutert Margret Böwe. Wirklich alle, die einen Anspruch auf Wohngeld hätten, sollten es in Anspruch nehmen.

Beantragt wird das Wohngeld in Berlin bei den Bürgerämtern, in Brandenburg bei den zuständigen Wohngeldstellen. Geringverdienern und Menschen mit niedriger Rente steht es gesetzlich zu.

Dennoch befürchtet Jutta Hartmann vom Mieterbund, dass es für Mieterinnen und Mieter wirklich zu großen Problemen kommen kann. Wohnen sei für die Menschen existenziell. Sei die Wohnsituation bedroht, bedeute das katastrophale Umstände für die Betroffenen. "Wenn hier nicht durch den Gesetzgeber gegengesteuert wird, befürchten wir tatsächlich, dass es zu sozialen Unruhen oder Verwerfungen kommen kann", so Hartmann.

Sendung: rbb24 Supermarkt, 20.11.2023, 20:15 Uhr

41 Kommentare

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  1. 41.

    Lassen Sie sich nicht vom Vermieter einschüchtern. Als Mieter hat man ein Recht darauf, die Originale der Betriebskostenabrechnung einzusehen. Der Vermieter muss Ihnen zwar keine Kopien schicken, aber Ihr Recht als Mieter besagt, dass sie die Rechnungen/Dokumente vorort in deren Geschäftsstelle einsehen dürfen.

  2. 40.

    Und viele (v. a. Frauen, v. a. ohne Kitaplatz) bekommen um die 600 bis 800 €, wenns gut läuft.

  3. 39.

    Lassen Sie sich mietrechtlich beraten! Verlangen Sie Belegeinsicht, das ist Ihr Recht! Machen Sie Photos von den Belegen! Lassen Sie sie prüfen. Machen Sie von Ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch, das setzt Sie nicht in Verzug. Der Vermieter/HV muss vorlegen.

  4. 38.

    Bitte differenzieren! Arme Rentner sitzen ganz gewiss nicht in Kneipen, sondern stehen Schlange für Spendenabgaben, eine Schande. Überlebende Soloselbständige ("Hobby zum Beruf" und derlei Abstruses) und KuM-Existenzkämpfer kennen Urlaub gar nur noch als 1 Woche auf dem Balkon!

    Die Kneipen waren in jeder Wirtschaftskrise voll, da sitzen die, die das Geld der Armen haben und die, die ganz kurz vorm Abfall sind. Die Abgefallenen längst nicht mehr.

  5. 37.

    Da fragen wir uns: Was will Lindner mit der erzwungenen vorzeitigen Beendigung der Energiepreis-Unterstützung für die Bürgerschaft erreichen?

  6. 36.

    Yep, und fast niemand steht "den Obdachlosen" (was für ein Unwort in diesem Land) so bei, dass es Politiker zum Umsteuern bewegen würde. Literaturempfehlung: "Der Untertan" v. Mann.

    Bald ist ja wieder Gänsekeulenessen für Arme, da können PR-Abteilungen und Austeiler sich freuen und gut fühlen. Bis später dann. Oder auch nicht.

  7. 35.

    So zum unterlaufenen Mindestlohn? Da brauchen Sie noch immer Aufstockung aus Steuermitteln für Gaskonzerne und Vermieter. Denen gehts in diesen Zeiten prächtig.

    Zumal Sie auf dem Papier weit mehr verdienen würden, als Sie tatsächlich zur Verfügung hätten, wie gesagt, Regeln und Papier sind geduldig, "Chefs" sind es nicht immer.

  8. 34.

    Da ist was dran, dennoch muss man Sanktionen auf Wirksamkeit überprüfen. Und da ergibt sich: Mehr Minus als Plus. Also Abschaffen und andere Wege der Kriegsführung finden. Das Volk hier gegen die Politik aufzubringen, spielt ihm nur zu.

  9. 33.

    Mein Wohngeldantrag von 2020 ist: noch immer nicht beschieden. Aller paar Wochen mal ein Schreiben: "Bitte von Rückfragen absehen". Plus: Jedes Mal eine neue Liste, was zusätzlich einzureichen sei. Also ab Schreiben eins mit Liste, immer neue Listen mit immer neuen Vorgaben.
    Lustig, nicht?

  10. 32.

    Wohnen ist existenziell. Wohl wahr. Es ist wie während der Covid-Maßnahmen: Alle treten kürzer, nur die Miethöhe wird nicht angetastet. Die kennt nur Steigerungen.

    Wumms:
    "Die Politik hat ein großes Interesse daran, dass Menschen das [steuerl./staatl. Wohngeldzuschuss für Vermieter] auch in Anspruch nehmen, weil sie gemerkt haben, dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt extrem angespannt ist, viele Menschen ihre Wohnkosten, ihre Miete nicht mehr bezahlen können oder dadurch einfach zu stark belastet sind"

  11. 31.

    Liebe rbb-Redaktion, bitte schreiben Sie doch klar und verständlich, Beispiel: "armutsgefährdet". Keine Ahnung, was das ist. Arm oder nicht? Und was konkret ist arm? Bitte keine "<60% des ø" für 20% der Menschen.

    Bitte ganz klar: Für 2023 sind das (weniger als) xy Euro für jeden fünften Mitmenschen.

  12. 30.

    Solche Aussagen helfen niemandem weiter und schüren nur Ängste. Zu einer seriösen Betrachtung gehören Verbrauchs- und Preisangabe und zur Vollständigkeit Vorjahresverbrauch und -preis. Nur so lassen sich evtl. Kostensteigerung und Verantwortlichkeit objektiv nachvollziehen.

  13. 29.

    Wir wissen nicht weiter...

  14. 28.

    Ähnlich erging es meiner Mutter. Überprüfung ja, mit mieterverein. Bis heute wartet sie, von Anwalt * mieterverein auf Antwort, Was überhaupt draus geworden ist. Nichts, und das ist jetzt 3 Jahre her.
    Ich habe meiner Mutter geraten, was ich auch für mich mache, Geld beiseite Packen, was geht. Damit, man die Kosten bezahlen kann. Zb. Energie Kosten 300€ die jeder bekommen hat. Und nicht einfach verpulvern.

  15. 27.

    Na klar, die kommen dann vorbei und bringen die Heizkostennachzahlung! Autsch!

  16. 26.

    Verlangen Sie Rechnungseinsicht. Bis diese nicht vollumfänglich erfolgt ist, sind Sie gesetzlich nicht zur Zahlung verpflichtet.

  17. 25.

    Die Durchschnittsrente in Deutschland sind 1.600 Euro. In Österreich 2.500 Euro. Jetzt darf sich jeder gern fragen, ob das aktuelle Rentensystem und die Verwendung von Geld hierzulande generell sinnvoll ist.

  18. 24.

    Also ich weiß auch nicht, wie die Heizkosten so steigen konnten, höchstwahrscheinlich bleiben da irgendwo Gewinne über. Ich habe Gasheizung, nur über meine Wohnung abgerechnet, Ein bisschen runtergeregelt werde ich dann bei 3000 kw landen, also ungefähr 430€ fürs ganze Jahr zahlen. Letztes Jahr mit altem 2 Jahresvertrag, wahren es 20€ im Monat. Ich kann das selbst ein wenig Steuern, leider geht es nicht allen so.

  19. 23.

    Wie immer sind natürlich nur die Mieter diejenigen, die leiden. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe unter den Vermietern, aber das sind nicht alle. Dass Vermieter auch Aufwand haben, Kosten vorab übernehmen müssen und nicht immer von den Mietern zurückerhalten, sieht keiner. Und sie können die anfallenden Kosten richtig umlegen. Wenn Versicherung, Müll und Winterdienst teurer werden, können Sie doch nicht die Mehrkosten übernehmen

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