Jungunternehmer gegen Personalmangel - Mit KI und Social Media zum Busfahrer

So 26.05.24 | 11:52 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Ein junger Busfahrer kontrolliert das Ticket (Symbolbild; Quelle: picture alliance / Zoonar | lev dolgachov)
Audio: rbb24 Inforadio | 23.05.2024 | Björn Haase-Wendt | Bild: picture alliance / Zoonar | lev dolgachov

Viele Bus- und Verkehrsunternehmen klagen über Personalmangel. In einigen Orten müssen zeitweise Linien und Fahrten gestrichen werden. Zwei Prignitzer Jungunternehmer versuchen, durch Social-Media-Marketing neue Fahrer zu finden. Von Björn Haase-Wendt

Edgar Stütz und Philipp Falkenhagen sitzen an ihren PCs in einem kleinen unscheinbaren Büro in der Perleberger Altstadt. Die Prignitzer Jungunternehmer haben Großes vor: Sie wollen den Busfahrermangel in Deutschland lindern. "Das machen wir grob gesagt über die sozialen Netzwerke. Wir sprechen die Leute da an, wo sie sowieso die meiste Zeit sind", erklärt der erst 19-jährige Stütz.

Gemeinsam mit Falkenhagen (20) hat er vor zwei Jahren eine eigene Social-Media-Agentur gegründet. Bereits in der Schule hatten die beiden über eine Schülerfirma Unternehmensluft geschnuppert. Nun helfen sie Kunden wie Entertainer Guido Cantz oder Körpersprache-Experte Stefan Verra bei ihren Social-Media-Auftritten in Facebook, Instagram und Co.

Social-Media-Kampagnen für die Busbranche

Seit dem letzten Jahr haben die beiden Jungunternehmer aber einen neuen Bereich für sich entdeckt: die Busbranche. Mit ihrem Unternehmen wollen sie das Image des Fahrpersonals aufbessern und neues Personal binden. "Wir haben einfach gemerkt, dass viele Leute Vorbehalte dem Beruf gegenüber haben", sagt Falkenhagen. Mit ansprechenden Kampagnen, Fotos und Videos geben sie in den sozialen Netzwerken Einblicke in den Beruf und lassen erfahrenes Fahrpersonal zu Wort kommen. "Wir zeigen, dass es ein schöner Job ist, dass man zum Beispiel auch etwas zur Mobilitätswende beitragen kann."

Die Jungunternehmer Philipp Falkenhagen (links) und Edgar Stütz unterstützen bei der Suche nach Fahrpersonal. (Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)Philipp Falkenhagen (links) und Edgar Stütz unterstützen bei der Suche nach Fahrpersonal

Wir sprechen die Leute da an, wo sie sowieso die meiste Zeit sind.

Edgar Stütz, Jungunternehmer

Ist das Interesse bei den Nutzern geweckt, greift eine im System hinterlegte künstliche Intelligenz und liefert den potenziellen Bewerbern weitere Informationen zum Beruf, erklärt Falkenhagen: "Wir gehen selten auf Dinge ein wie das Gehalt – deshalb wechselt kaum jemand. Wir gehen ein auf Themen wie Wertschätzung, Teamwork und die Zukunftssicherheit des Jobs."

Außerdem übernehmen die Jungunternehmer die Betreuung der Bewerber von der ersten Ansprache bis zur Vorstellung in den jeweiligen Unternehmen. "Wir sind ein bisschen die externe Personalabteilung", sagt Stütz. Und das wohl mit Erfolg. Mittlerweile arbeiten die jungen Prignitzer mit zahlreichen Bus- und Fuhrunternehmen aus ganz Deutschland zusammen, vor allem im süddeutschen Raum.

Schnelle Erfolge mit den Jungunternehmern

Eine Kundin ist Daniela Singer, die in Bayern mit weiteren Subunternehmern eines der größten Reise- und Verkehrsunternehmen betreibt mit 200 Bussen und 300 Fahrern. Früher hatte sie das Fahrpersonal klassisch per Stellenanzeige gesucht, heute setzt sie unter anderem auf die Prignitzer. "Die sind jünger als alle anderen, deshalb haben sie eine Chance bekommen", erklärt die Geschäftsführerin, die die Zusammenarbeit bis heute nicht bereut.

Durch die Kooperation wurde ein neuer Fahrer direkt eingestellt, sieben weitere sind in der Vorbereitung, weil sie etwa noch einen Busführerschein brauchen. "Wir wollen nicht Leute von Kollegen abwerben, dann hätte ich ja gar nichts gekonnt. Wir brauchen Leute, die vorher noch nie Busse gefahren sind", sagt die Geschäftsführerin.

Die sind jünger als alle anderen, deshalb haben sie eine Chance bekommen.

Daniela Singer, Busunternehmerin und Kundin

Rund 87.000 Busfahrer fehlen bis 2030

Ähnlich sieht das der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen, der eine Partnerschaft mit den Perleberger Jungunternehmern eingegangen ist. "Der Mangel an Fahrpersonal ist in ganz Deutschland hoch und das Problem wird sich noch weiter ausweiten", sagt Verbandssprecherin Wera Waleska Steiner.

Im gesamten Bundesgebiet werden nach Verbandsangaben bis 2030 rund 87.000 Busfahrer und -fahrerinnen fehlen. "Weil jetzt immer mehr Fahrpersonal ins Rentenalter kommt, junge Nachwuchskräfte und Quereinsteiger sind jetzt sehr gefragt und wünschenswert", fügt sie hinzu. Social Media sei deshalb zunehmend wichtiger, um junge Leute für den Job zu begeistern und so neues Fahrpersonal zu generieren.

Der Erfolg gibt den Perleberger Jungunternehmern also recht. Derzeit expandieren sie mit ihrem Team und eröffnen einen zweiten Standort in Hamburg.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.05.2024, 16:30 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

8 Kommentare

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  1. 8.

    Wenn ich's richtig verstehe, geht es um Fahrer in ganz Deutschland.
    Die Löhne/Gehalt sind bei den Unternehmen verschieden, in den Bundesländern, Alter, abgeschlossene Berufsausbildung, wer arbeitet wie viele Stunden, Zuschläge usw.
    Daher finde ich es vollkommen nachvollziehbar, dass sich die Agentur aus ,Gehaltsverhandlungen' heraushält.

    P.S. Frage Sie doch spaßeshalber einmal einen Gehaltsempfänger nach dem Stundenlohn! Manch einer hat nicht mal annähernd eine Ahnung, noch wie man den Stundenlohn berechnen könnte.

  2. 7.

    Nicht nur im Stau stehen, sondern sich zum Dank auch noch von den Fahrgästen bepöbeln lassen dürfen. Solange Fahrpersonale in Deutschland, von Politik, Medien und Gesellschaft, wie Straftäter behandelt werden, kann man nur dringend davon abraten, als Berufskraftfahrer zu arbeiten.

  3. 6.

    Es geht nicht um Erziehung oder Desinteresse, es geht auch um Bruttolöhne. Die Agentur wird schon wissen, warum sie nicht auf das Gehalt eingeht.

  4. 5.

    Bin gespannt ob das was bringt. Ist denn unsere Jugend tatsächlich so uninformiert und desinteressiert, dass sie die gesuchten Berufe nicht kennt ? Der Trend, wie ich hörte, geht doch dahin nichts mehr zu lernen, sondern als Blogger, youtube- star oder was auch immer sein Geld mit der Bewerbung irgendwelcher temu- Schrottartikel oder der Ausbreitung seines völlig belanglosen Privatlebens zu verdienen. Das nenne ich mal Freiheit wer will da noch alten Leuten die Ente unterschieben oder mit dem Bus im Stau stehen ? Ist halt eine Frage der Erziehung und die ist ja bekanntlich heute verpönt.
    Oder sehe ich da zu schwarz ?

  5. 4.

    Danke für den Hinweis. Hätten Sie zufällig ein konkretes Beispiel für mich? Die Pflegedienste und -heime, die ich kenne, haben zwar in der Regel eine mehr oder weniger gepflegte Website, jedoch keinen regelmäßigen Social Media-Auftritt. So etwas muss ja erstellt und gepflegt werden und dafür haben die meisten entsprechenden Unternehmen weder Geld, Personal noch Zeit.

  6. 3.

    >“ Wäre schön, wenn man das auch auf andere Branchen (z.B. Pflegepersonal) ausweiten könnte.“
    Viele Unternehmen, auch Pflege- und Gesundheitsbrache, arbeiten schon mit Social-Media bzw. Internet-Agenturen zusammen. Für Unternehmen mit Weitblick ist das kein neues Thema.

  7. 2.

    Tolle Idee! Wäre schön, wenn man das auch auf andere Branchen (z.B. Pflegepersonal) ausweiten könnte. Diese Form der Berufsberatung kommt sicher bei jungen Menschen am besten an. Gerade die Unsicheren und eher Antriebslosen werden hier gut an die Hand genommen und zu einem Job geleitet.

  8. 1.

    Alles gut und schön, aber auch der naivste Jungbuslenker wird irgendwann erkennen, dass Wertschätzung und Teamwork kein mangelndes Gehalt ausgleichen.
    Normalerweise steigt bei geringem Angebot und hoher Nachfrage der Preis, sprich das Gehalt.

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