#musikistkeinhobby | Musiker Bulgarian Cartrader - "Ich komme aus jedem Loch glücklich wieder raus"

Do 29.12.22 | 14:39 Uhr | Von Hendrik Schröder und Christoph Schrag
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#musikistkeinhobby Bulgarian Cartrader (Quelle: Roberto Brundo)
Audio: rbb|24 | 29.12.2022 | O-Ton von Bulgarian Cartrader | Bild: Roberto Brundo

Als Backgroundsänger von Seeed kennt Daniel Stoyanov die größten Bühnen und besten Hotels. Als Bulgarian Cartrader spielt er manchmal vor nur 100 Leuten, macht aber die Musik, die er machen will. Kompromisslos. Von Hendrik Schröder und Christoph Schrag

In der rbb|24-Reihe #musikistkeinhobby treffen Hendrik Schröder und Christoph Schrag jede Woche Musiker:innen aus der Region, die gerade auf dem Sprung nach oben sind - und ihre ganz besondere Message und Geschichte erzählen.

Vielleicht erkläre ich erst mal kurz den Namen. Ich bin in der bulgarischen Hauptstadt Sofia geboren, habe da aber nur ein paar Jahre gelebt. Meine Eltern sind 1989 nach Deutschland gekommen, ich bin 1990 nachgekommen. Sie hatten eine Exkursion beantragt und sind einfach nicht zurückgegangen. Es gab aber immer den Druck der Abschiebung, das hing ganz schön über uns.

Meine Eltern sind ausgebildete Schauspieler, wir waren in der Nähe von Rottweil (Baden-Württemberg) und in Rottweil gab es ein lokales Theater und die waren so nett, meinem Vater eine Festanstellung zu geben für einige Monate. Das hat uns vor der Abschiebung bewahrt. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben wir erst Ende 1994 bekommen. Meinen Eltern ging es nicht gut in der Zeit.

Der Ferrari des Nachbarn

Jedenfalls spielten Autos sowohl in Bulgarien als auch dann in Deutschland eine große Rolle. Autos sind einfach in meiner DNA. Da wo ich herkomme, da war das Auto Teil der Familie. Es gab einen Bäcker im Dorf, der hatte einen Ferrari und ich wußte wo die Garage war und habe manchmal gewartet, bis er da rausfährt und ich den Ferrari sehen kann, so Auto-verrückt war ich.

Vor ein paar Jahren kam dann mal ein Kumpel von mir aus Bulgarien nach Deutschland und hat mich gefragt, ob ich ihm helfen kann, zwei Autos zu kaufen und die rüberzubringen. Dann kam er mit einer Horde von Autohändlern und hatte seinen Anhänger dabei. Wir haben dann ein Auto gekauft, mit Anhänger, auf den wir noch ein anderes Auto gesetzt haben, was wir gekauft hatten. Ich war echt drin im Autohandel-Game. Und so kam mir dann die Idee mit dem Namen. Autos handeln ist ein hartes Business und Bulgarian Cartrader klingt hart, so wollte ich es. Es sollte auch ein bisschen das Weiche in mir und in der Musik konterkarieren.

Erste große Shows mit den Söhnen Mannheims

Los ging es bei mir ja relativ früh. Ich habe nach der Schule, nach dem Abi schon einen ersten kleinen Plattenvertrag gehabt und Deutschpop gespielt. Mein Geld hatte ich dann damit verdient, in Coverbands zu spielen. Ich habe damals auch mit Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims zusammen gespielt, also als Backgroundsänger. Das gehört alles zur musikalischen Entwicklung dazu. Das ist auch alles ok, dass ich das gemacht habe.

Ist aber schon lange her, nach ein paar Platten hat mich das alles nicht mehr interessiert, was die machen. Ich hatte dann viele Bands und Projekte, bin nach Berlin gezogen. Mit "Malky", dem letzten Projekt, waren wir sogar auf dem Sprung und hatten einen guten Plattenvertrag. Aber am Ende ist es so: Man hängt fünf Jahre zusammen, schreibt zusammen Songs, tingelt durch das Land und das hat dann bei der zweiten Platte doch irgendwann Spannungen erzeugt. Die zweite Platte lief dann auch nicht mehr so gut. Aus welchem Grund kann ich nicht einschätzen.

Ich hatte dann die Sorge, ob das meiner Entwicklung vielleicht entgegensteht. Dass ich in der Band eben eine bestimmte Rolle habe, mehr aber auch nicht. Dass ich nur Sänger und Frontmann bin und fertig, das war mir zu wenig. Als die Band dann auseinander ging, habe ich eine Entscheidung getroffen.

Alles können, alles machen

Und zwar, dass ich nun als Bulgarian Cartrader die komplette Produktion selbst mache. Am Ende gehe ich nur noch zu einem Mischer, der ein bisschen Feintunig macht. Den Rest mache ich alleine. Durch diese Entscheidung ist ein ganzes Universum für mich aufgegangen an Möglichkeiten und Herausforderungen. Darum geht es mir vor allem, dass ich diese Energie und diese Neugierde in mir spüre und so sehr daran glaube, dass ich es in allen möglichen Bereichen pushe. Im Visuellen, auf Social Media.

Ich mache wirklich alles, außer dem Management. Den Aufwand hatte ich anfangs unterschätzt und natürlich schwankt mein Enthusiasmus auch hin und wieder. Aber ich gehe da trotzdem ziemlich straight meinen Weg und kann mich ganz gut einschätzen, wann es zu viel wird. Ich komme dann aus diesen Löchern immer total glücklich raus. Mein Debütalbum "Motor Sounds" ist im November rausgekommen und ich habe es auf dem Album genau so gemacht, wie ich es machen wollte.

Job auf großen Bühnen, Leben in kleinen Clubs

Bei Seeed bin ich derzeit auch noch als Backgroundsänger und war gerade viel mit denen auf Tour. Nach dem Verlust von Demba [Seeed-Sänger Nabé verstarb 2018; Anm. d. Red.] hatte die Band erst überlegt, einen neuen, dritten Sänger zu integrieren. Sie haben aber schnell gemerkt, dass das nicht so einfach geht. Also haben sie eine Backsection, sozusagen einen Chor gegründet, der die Gesangsparts übernimmt, davon bin ich ein Teil. Für ein, zwei Nummern gehe ich auch mal nach vorne. Das macht total Spaß. Bei Seeed ist das natürlich so: bester Nightliner, beste Hotels, bestes Essen.

Und auf der anderen Seite, bei meinen eigenen Gigs, eine Stunde vor Beginn noch zitternd selbst seinen Monitorsound einstellen oder Instrumente durch die Kälte tragen. Aber es ist ja auch die Frage, wie man überlebt, bis es mit der eigenen Musik hoffentlich so richtig los geht. Und da muss ich überlegen: Hole ich mir einen Vorschuss von irgendwoher, von einem Verlag beispielsweise? Das fände ich aktuell aber unfair, ist ja völlig unklar, ob der je wieder reinkommt.

Dann kann ich besser mit Seeed auf Tour gehen und so Geld verdienen. Die Jungs sind echt super, eine tolle Truppe, ich lerne auch viel von denen. Ich gebe aber mit meinem Engagement bei Seeed echt nicht an, ich poste auch fast nichts von diesen Touren auf Social Media, weil ich das einfach ganz klar trennen möchte. Das eine ist ein toller Job, das andere ist gerade mein Leben.

Sendung: rbb24, 29.10.2022, 10:00 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder und Christoph Schrag

1 Kommentar

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  1. 1.

    Gibt es eigentlich die Möglichkeit, das gesamte Interview mit den Musiker*innen nachzuhören?

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