Konzertkritik | Charlie Cunningham im Admiralspalast - Großmeister der Zärtlichkeit

Fr 05.05.23 | 08:31 Uhr | Von Hendrik Schröder
Archivbild:Charlie Cunningham singt am 13.08.2022 bei einem Konzert ins Mikrofon.(Quelle:imago images/P.Hartenfelser)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.05.2023 | Hendrik Schröder | Bild: imago images/P.Hartenfelser

Charlie Cunningham kann Gefühle und Stimmungen in Lieder verpacken, wie wenige andere Songwriter seiner Generation. Dabei kam er erst spät zur Musik. Jetzt spielte er in Berlin vor großer Kulisse im Admiralspalast. Von Hendrik Schröder

Es ist ja schon ganz und gar erstaunlich, dass einer, der von sich sagt, er sei hauptsächlich Gitarrist und die Stimme "sei dann so dazu gekommen", so berührend singen kann. Charlie Cunningham hat sich erst spät, mit Ende 20 dazu entschieden, die Musik zu seinem Beruf zu machen. Seitdem hat er drei Singer-Songwriter-Alben veröffentlicht und mit jedem ist er ein bisschen bekannter geworden. Eine langsame, stetige Karriere, wenn man so will. Mittlerweile also ist er bekannt genug, um im Admiralsplast zu spielen. Der ist zwar nicht ausverkauft, aber ordentlich voll.

Er sagt nichts und man sieht ihn kaum

Am Anfang des Konzerts denkt man allerdings: Ist Cunningham jetzt zu einem Bob Dylan mutiert? Denn wie der Großmeister sagt auch er kein Wort. Außer einem einzigen abgerungenen "Danke" wirkt er total abgewandt vom Publikum. Als sei da eine unsichtbare Schutzwand zwischen Fans und Musikern. Dabei spielt Cunningham allerdings wunderschön, manchmal geht es Lied an Lied, ohne Pause. Dazu werden er und seine Band so mystisch von halb hinten angestrahlt, dass man die Gesichter zumindest aus Reihe 11 beim besten Willen nicht erkennen kann. Warm-blau leuchtet die Bühne, dann rot. Sound und Stimme schälen sich ganz langsam durch den Raum.

Flamenco-infiziert

Die Lieder und auch die Performance von Cunningham haben in vielen Momenten so eine Behutsamkeit, eine Zärtlichlichkeit. Alles wird ganz vorsichtig gespielt, Drums und Bass und Keyboards ganz sparsam. Kein Schlag zu viel. Als könne etwas zerbrechen, wenn jetzt nicht alle auf der Bühne alle Sinne zusammennehmen und sich konzentrieren.

Cunningham wechselt von Gitarre zu E-Piano und zurück und singt. "Flamenco Folk" nennen manche seine Musik, dagegen wehrt er sich, viel zu viel Respekt hat vor echtem Flamenco. Außerdem ist die Flamenco-Gitarre auf seinem neuen, dritten Album nicht mehr so präsent wie auf den beiden Vorgängern. Aus England ging Cunningham damals nach Sevilla um Gitarre zu lernen und Profimusiker zu werden. Am Wochenende Nachtschichten in einem Hostel, unter der Woche üben, üben, üben. So sah sein Leben aus. Und natürlich ist sein Spiel zumindest inspiriert von dem Flamenco, den er in dieser Zeit gehört und gespielt hat.

Wie er die Saiten schlagen kann, wie aus dem Nichts ein, zwei heftige Anschläge und sofort ist Energie da. Und wenn die Musik dann mal Fahrt aufnimmt, dann ist er der Effekt aus dem Balladesken kommend natürlich umso größer. Und der gut gefüllte Admiralspalast fühlt sich an wie ein Schiff, Cunningham ist der Kaptitän und nimmt uns alle mit, wohin weiß er noch nicht genau, aber es könnte schön werden.

 

Er kann sprechen und ist sehr nett

Irgendwann übrigens gehen dann die Scheinwerfer doch frontal, man sieht mehr von Cunningham, seine Musiker bleiben allerdings mindestens im Halbdunkel. Und dann räuspert er sich und sagt verschmitzt sinngemäß: "Wisst ihr, warum ich so still bin? Weil ich ich das etwas einschüchternd finde, in diesem krassen, ehrwürdigen Theater zu spielen". Alle müssen lachen, er auch. Aha. Dann ist ja gut. Der Admiralspalast ist aber auch wirklich ein beeindruckender Saal. Und von der Bühne aus muss er noch größer wirken.

Es wäre auch seltsam gewesen, wenn der als charming Obersympath geltende Cunningham plötzlich zum unnahbaren Hohepriester geworden wäre. Gleich wird die Stimmung etwas gelöster, der kurze Jubel größer, wenn manche die Songs am Intro erkennen, der lange Jubel am Ende länger. Noch bekannter muss Charlie Cunningham für seine Fans wohl gar nicht werden. Nicht, dass er das nächste Mal vor noch größerer Kulisse gar nichts mehr sagt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.05.2023, 06.55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

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