Konzertkritik | Lea - Zusammen durch den Nebel

Di 03.09.24 | 10:26 Uhr | Von Hendrik Schröder
  11
LEA live auf "Tour 2024" in der Berliner Max-Schmeling-Halle am 02.09.2024. (Quelle: picture alliance/PIC ONE/Pia Sander-Beuermann)
Bild: picture alliance/PIC ONE/Pia Sander-Beuermann

Mit 15 hat Lea kleine Videoclips mit eigenen Piano Songs ins Internet gestellt. Ein paar Jahre später wurde sie mit Hits wie "Leiser" oder "110" bekannt. Ihr Konzert in Berlin wurde zu einem Ritt durch Kitsch, Pop und Tränen. Von Hendrik Schröder

Alles an diesem Konzert ist so "schön". Das fängt mit dem Bühnenbild an: riesige Plastikblumen, die von warm violetten Licht angestrahlt werden. Dazu ein stilisierter blinkender Sternenhimmel auf den Videowänden. Dann geht es los. Ein Vorhang fällt von der Decke. Dahinter steht Lea auf einem Podest und wirkt etwas unbeholfen, denn sie trägt riesige grüne Flügel hinten am Rücken und die machen sie wohl etwas manövrierunfähig, so singt sie den ersten Song wie festgetackert. Eventuell nicht so eine fetzige Idee, das Konzert so beginnen zu lassen. Aber schon streift Lea die Flügel ab und rennt im Vollsprint in Lederrock und einem Oberteil, das aussieht, als würden Pflanzen darin leben, nach vorne und ruft: "Berlin: Na wie geht's euch"? Berlin geht's gut.

Plakate hoch halten

Knackvoll ist die Max-Schmeling-Halle, 10.000 Leute sind das bestimmt. 80 Prozent Frauen, die sich in ansteckend gackernder Sektlaune einen schönen "Mädelsabend" machen, falls man das im Jahr 2024 noch so nennt? Jede Menge Kinder sind auch da, stehen aufgeregt noch in der Pommes-Schlange, sind vielleicht auf ihrem allerersten Konzert, haben Plakate gemacht und Collagen gebastelt und halten sie später zappelnd in die Höhe, es ist ganz zauberhaft.

Alleine am Klavier

Lea hat zwar eigentlich nur einen einzigen Song geschrieben, könnte man denken, so derart gleich klingt das alles. Aber der eine Song ist so stark, dass man ihn in immer anderen Aufgüssen servieren kann und die Leute bekommen nicht genug davon. Was auch daran liegt, dass Lea eine sehr interessante Art zu singen hat. Dieses abgehackte, stufige, was dann im Refrain aufgeht und breit wird.

Textlich geht es sehr viel um die Liebe. Um dich und mich und Berlin und warum alles doch toll sein soll, aber nicht ist, aber dann ja manchmal doch. Alle kennen alle Songs auswendig, zumindest die der ersten Platten. Und Leas dreiköpfige Band in weißen Trainingsanzügen spielt die Songs ganz stark. Keinen Tupfer zu viel, um immer Lea glänzen zu lassen, aber auch nicht so wenig, dass man nicht merken würde, dass vieles bei dem Auftritt wirklich live gespielt wird.

Irgendwann verschwinden Band und Lea, um zwei Minuten später auf einer kleinen Bühne in der Mitte der Halle wieder aufzutauchen. Erst Lea alleine am Klavier. Das ist sehr berührend, wie sie von ihrer glücklichen Kindheit singt. Und dann holt sie ein sechsjähriges Kind auf die Bühne, das mitsingen darf und den Song "leise" auch noch komplett kennt. Das ist so kitschig, so überladen, so emotional berechnend, aber das ist so süß und so rührend, die Leute haben Tränen in den Augen.

Alle ganz doll lieb haben bitte

Und irgendwann steht echt auch noch Max Raabe mit der auf der Bühne, mit dem Lea ja das Lied "Guten Tag, liebes Glück" aufgenommen hat. In seinem strengen Anzug will er so gar nicht in das quietschbunte Popgedöns passen, aber er bewahrt Haltung, verabschiedet sich mit einem Handkuss, während Lea stürmisch um ihn herum hüpft. "Ich wünsche jedem, dass er einen Menschen hat, der mit ihm durch den Nebel des Lebens geht", sagt Lea sinngemäß an einer Stelle und eine Freundin brüllt einer anderen mit sehr dicken Brillengläsern im Zuschauerraum viel zu laut zu: "Na, denn jeh ick mit Dir durch'n Nebel, wa? Du siehst ja eh schon nüscht." Und alle, die das hören, müssen so lachen. Herrlich.

Am Ende kommen dann sogar noch Herbert Grönemeyer und Casper für je einen Song dazu.

Wenn es Leas Ziel ist, die Leute mit ihren cheesy Balladen zusammenzubringen, zu versöhnen, zu rühren, dann hat sie das in diesem Konzert geschafft. Auch wenn ihre Ansagen gelernt klingen und ihr Konzert extrem durch-choreografiert ist, die Emotionen kalkuliert und gewollt, so nimmt man ihr trotzdem ab, dass sie einfach nur möchte, dass alle sich ganz doll lieb haben. Hat für rund zwei Stunden auch geklappt. Schön.

Hinweis: In einer früheren Version des Textes wurden die Gastauftritte von Grönemeyer und Casper nicht erwähnt und eine anderen Konzertdauer angegeben. Wir haben diese Information nun ergänzt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.09.2024, 06.54 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

11 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 11.

    Konzerte werden erst dadurch schön, wenn mögllichst viele rücksichtslos die Sicht der Hinterleute durch hochgehaltene smartphones und tablets stören.

  2. 10.

    " Die Aufführung hatte ein ganz klares Ziel: Menschen zu berühren, zu verbinden und eine positive Atmosphäre zu schaffen. In einer Welt, die oft von Negativität geprägt ist, hat Lea es geschafft, das Publikum für zwei Stunden in eine liebevolle und fröhliche Stimmung zu versetzen.Die vermeintlich "kalkulierten" Emotionen sind nichts anderes als sorgfältig geplante Momente, die zeigen, dass jede Nuance des Konzerts mit Bedacht gewählt wurde, um den Zuschauern ein unvergessliches Erlebnis zu bieten. Es zeugt von großer Professionalität, wenn ein Künstler auch in solchen durchdachten Rahmenbedingungen authentische Gefühle vermitteln kann."

    Ich weiß nicht, was Ihr Problem ist. Genau das wurde auch geschrieben. Gilt auch für die anderen Kritiker. hier. Das ist keine negative Konzertkritik. die hier geschrieben wurde.

  3. 9.

    Was genau hat Sie denn gestört? Wieso wird hier niemand konkret? Ist das Wahnsinn oder einfach nur drollig, dass sich Fans hier über eine positive Kritik aufregen, weil ihnen diese immer noch nicht positiv genug ist? Dass ein neutraler Beobachter eine bewusst kitschige Inszenierung (was ja angesichts der Zielgruppe erst einmal noch gar nichts negatives ist) mit einem Augenzwinkern bewertet, ist doch völlig normal. Insgesamt ist die Konzertkritik doch sehr positiv.

  4. 8.

    Dass Raabe mit seinem Stil so "gar nicht" ins Setting passt, wie die Kritik behauptet, verkennt die Schönheit des Kontrasts, der das Konzert zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht hat. Manchmal sollten wir uns von der Freude und der Einfachheit eines solchen Events anstecken lassen, anstatt alles mit überkritischen Augen zu betrachten. Am Ende zählt doch, dass die Zuschauer mit einem Lächeln nach Hause gegangen sind, oder?

    Die Kritik verfehlt den Kern dessen, was dieses Konzert für so viele Menschen bedeutete: ein Moment der Verbundenheit, der Freude und des friedlichen Miteinanders.

  5. 7.

    Es ist bedauerlich, dass die Kritik am gestrigen Konzert so negativ ausfällt und den eigentlichen Geist der Veranstaltung nicht widerspiegelt. Die Aufführung hatte ein ganz klares Ziel: Menschen zu berühren, zu verbinden und eine positive Atmosphäre zu schaffen. In einer Welt, die oft von Negativität geprägt ist, hat Lea es geschafft, das Publikum für zwei Stunden in eine liebevolle und fröhliche Stimmung zu versetzen.Die vermeintlich "kalkulierten" Emotionen sind nichts anderes als sorgfältig geplante Momente, die zeigen, dass jede Nuance des Konzerts mit Bedacht gewählt wurde, um den Zuschauern ein unvergessliches Erlebnis zu bieten. Es zeugt von großer Professionalität, wenn ein Künstler auch in solchen durchdachten Rahmenbedingungen authentische Gefühle vermitteln kann.
    Die Gastauftritte von Max Raabe, Herbert Grönemeyer und Casper haben das Konzert zusätzlich bereichert und gezeigt, wie vielfältig die deutsche Musiklandschaft sein kann.

  6. 6.

    Wahnsinn.
    Auch ich finde der Artikel beschreibt das Konzert auf eine völlig abgehobene, ironische Weise.
    Wirklich unnötig... nicht nur den Zuschauer, die an solchen Abenden mal für einen Moment alles andere ausblenden können sondern vielmehr auch den Künstlern und der Künstlerin und ihrem Lebenswerk/ Lebenstraum gegenüber.
    Schade, dass man heutzutage alles durch den Dreck ziehen muss, nur um ein paar Klicks mehr zu bekommen. Was solche Artikel für die Einzelperson bedeuten spielt hierbei gar keine Rolle mehr... Ich hoffe, dass der Autor selbst nie solch eine Kritik über das, was er täglich mit viel Hingabe tut, lesen muss.
    Ich jedenfalls habe Lea und allen anderen Akteuren die Freude an ihrer Musik abgenommen und den wirklich gelungenen Abend sehr genossen.

  7. 5.

    Die (überarbeitete) Konzertkritik ist doch insgesamt sehr positiv, soll aber auch möglichst objektiv sein. Lea kommt doch ziemlich gut weg. Ich weiß also echt nicht, warum sich hier offensichtliche Fans so aufregen.

  8. 4.

    Absolut unnötig so einen Kommentar zu schreiben. An Tagen wie gestern, an denen viele den Atem anhalten ob der politischen Situation, ist es tatsächlich erfreulich einen „schönen“ Abend zu verbringen, wie Sie es genannt haben. Es war schön. Ohne Anführungszeichen.

  9. 3.

    Ohne Hendrik hätten Sie aber nichts von Lea erfahren. Also seien Sie nicht so gehässig.

  10. 2.

    Der Kommentar ist sehr (unnötig) kritisch geschrieben. Nicht erwähnt wurde, dass auch Casper und Herbert Grönemeyer aufgetreten sind. Neben den "cheesy Balladen" wurden viele bekannte Pop-Songs und Tanzlieder gespielt. Die Sängerin stand zudem 135 Min (20:00-22:15 Uhr) auf der Bühne.

  11. 1.

    Haben die Leute dort Spass gehabt? Anscheined JA.
    mmh, kenne Lea nicht, kenne ihre Musik nicht, ABER Berlin kann derzeit mehr Lea und weniger Hendrik ganz gut vertragen.

Nächster Artikel