Anschlagspläne auf Gesundbrunnen-Center - Islamist zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt
Der Islamist Magomed-Ali C. soll einen Anschlag auf das Berliner Gesundbrunnen-Center mitgeplant haben - auch mit Unterstützung des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri. Jetzt ist der 32-Jährige verurteilt worden - bei schwieriger Beweislage. Von Ulf Morling
Das Berliner Kammergericht hat den 32-jährigen Magomed-Ali C. aus Dagestan zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt - wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und eines "Explosionsverbrechens". Als mögliches Anschlagsziel hatte der Angklagte mit seinem Komplizen das Gesundbrunnen-Center in Berlin in den Blick genommen.
Es seien aber nicht einmal Spuren des hochgefährlichen Sprengstoffs TATP in der Wohnung des Angeklagten gefunden worden, so der vorsitzende Richter des Kammergerichts - und auch Zeugenaussagen gebe es nicht, die einen Schuldspruch rechtfertigten. Man habe lediglich "abgehörte Erzählungen" des mutmaßlichen Komplizen Clement B. aus einem französischen Gefängnis. Diese mit richterlicher Genehmigung abgehörten Gespräche des mutmaßlichen Drahtziehers der Anschlagsvorbereitung seien einer "besonders gründlichen Glaubwürdigkeitsprüfung unterzogen" worden, heißt es im Urteil.
Keine Spuren des Sprengstoffs
Das Gericht zeigte sich überzeugt davon, dass bereits im Oktober 2016 - also zwei Monate vor dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz - der Angeklagte in seiner Pankower Wohnung mit Unterstützung von Clement B. eine "eher im Kilobereich liegende Menge" des Sprengstoffs TATP lagert. Bis zum 26. Oktober 2016. An diesem Tag habe die Berliner Polizei das geplante Explosionsverbrechen durch ihre Gefährderansprache vereitelt, hieß es im Urteil. Damals klingelten Beamte an der Tür von Magomed-Ali C., den sie observierten. Überstürzt hätten der Angeklagte und Clement B. den Sprengstoff entweder über die Toilette entsorgt oder aus der Wohnung geschafft.
Nicht eine Spur des häufig von Islamisten benutzten Sprengstoffs TATP wurde in der Wohnung des Angeklagten gefunden, als er zwei Jahre später festgenommen wurde. Trotzdem zeigte sich die Bundesanwaltschaft überzeugt, den 32-jährigen der Anschlagsplanung in Berlin überführen zu können. Bereits im April 2017 war sein mutmaßlicher Komplize Clement B. in Frankreich festgenommen worden. Mit ermittlungsrichterlicher Genehmigung hatte die Polizei dann Gespräche zwischen B. und dessen Vater bei Besuchen aufgezeichnet, die zur Festnahme von Magomed-Ali C. in Berlin im Jahr 2018 führte.
Magomed-Ali C. verkehrte in Fussilet-Moschee
Doch nach der Festnahme schwieg Magomed-Ali C. - ebenso sein mutmaßlicher Komplize in Frankreich, der im Berliner Gerichtssaal per Video als Zeuge vernommen werden sollte. Als beschuldigter Komplize des Angeklagten durfte auch er schweigen. So blieb dem Kammergericht nur die Bewertung der Indizien, die zu dem Urteilsspruch führten.
In der inzwischen verbotenen Berliner Fussilet-Moschee soll Magomed-Ali C. seine radikal-islamistische Gesinnung geschärft haben. Islamische Jugendliche wurden dort verköstigt, durften dort übernachten und dem Elternhaus entfliehen. Dafür nahmen sie bereitwillig an religiöser Unterweisung teil. Auch Anis Amri und der mutmaßlicher Komplize des Angeklagten, Clement B., hatten dort zeitweise ihre Unterkunft. Islamistischer Salafismus sei dort gepredigt worden, so das Gericht.
Befreundet mit Clement B. und Anis Amri
Dass der spätere Weihnachtsmarkt-Attentäter Amri zu Clement B. ein "enges Verhältnis" hatte und der wiederum zum Angeklagten Magomed-Ali C. - davon geht das Gericht im Urteil aus. Ob ein ebensolches Vertrauensverhältnis zwischen C. und Amri bestanden habe, blieb unklar. In einem der in französischer Haft am 29. Januar 2018 abgehörten Gespräche sagte B. jedenfalls wörtlich zu seinem Vater: "Ich bin (nach der Gefährderansprache in C.s Wohnung) woanders hingegangen - sonst hätte ich mich mit Amri und seinen Kumpels in die Luft gesprengt." Beging Amri den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt etwa, weil die Berliner Polizei ein anderes Verbrechen vereitelt hatte? Das blieb im Urteil offen.
Die Verteidigung hatte in ihrem Plädoyer für Magomed-Ali C. einen Freispruch gefordert. Unter anderem stützte sie sich darauf, dass nicht einmal Spuren des angeblich gelagerten Sprengstoffs festgestellt wurden. Die im Gefängnis abgehörten Gespräche von Clement B. bewertete sie eher als entlastend für ihren Mandanten. Es sei auch die Rede davon, dass C. niemals bei einem Anschlag mitmachen würde - schließlich habe er eine Frau und zwei Kinder, für die er sorgen müsse.
Nach 38 Verhandlungstagen zeigten sich die Bundesanwaltschaft und das Kammergericht trotzdem überzeugt davon, dass Magomed-Ali C. in Berlin einen verheerenden Sprengstoffanschlag vorbereitete. Er wird gegen seine Verurteilung in Revision gehen.