"Sozialtourismus" auf Platz zwei - Unwort des Jahres 2022 ist "Klimaterroristen"
Der Begriff "Klimaterroristen" ist das Unwort des Jahres 2022. Mit dem Begriff würden pauschal Menschen diskreditiert, die sich für Klimaschutzmaßnahmen einsetzten, begründete eine Jury aus Sprachwissenschaftlern.
Das Unwort des Jahres 2022 lautet "Klimaterroristen". Das gab die sprachkritische "Unwort"-Aktion am Dienstag in Marburg bekannt. Der Ausdruck sei im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, begründete die Jury ihre Wahl.
Sie kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen "gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden".
Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt, sagte die Jury.
Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" führen seit Monaten Störaktionen durch, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen, auch in Berlin: Regelmäßig werden Straßen durch Klebe-Aktionen blockiert, auch das Brandenburger Tor wurde von den Aktivisten schon bestiegen.
Klimaaktivisten hatten in Berlin auch die Spitze des Weihnachtsbaums vor dem Brandenburger Tor abgesägt und den Betrieb am Flughafen BER gestört. Zuletzt wurden im Großraum Berlin und Brandenburg Verkehrsschilder zur Aufhebung von Tempolimits auf Autobahnen abmontiert.
Wahl soll auf unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen
Die seit 1991 stattfindende "Unwort"-Wahl soll auf einen unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen und so für einen bedachten Umgang mit Begriffen sensibilisieren. Auf Platz zwei setzte die mehrheitlich aus Sprachwissenschaftlern bestehende Jury den Ausdruck "Sozialtourismus", der 2013 zum "Unwort" gekürt worden war.
CDU-Chef Friedrich Merz hatte das Wort im vergangenen September im Zusammenhang mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine verwendet und sich später dafür entschuldigt. Die Jury sah in dem Wortgebrauch "eine Diskriminierung derjenigen Menschen, die vor dem Krieg auf der Flucht sind und in Deutschland Schutz suchen". Zudem verschleiere das Wort ihr prinzipielles Recht darauf.
Auf Platz drei kam die Formulierung "defensive Architektur", die als irreführend und beschönigend kritisiert wurde. Der Ausdruck bezeichnet eine Bauweise, die verhindert, dass sich etwa Wohnungslose länger an öffentlichen Orten niederlassen können.
Das Unwort des Jahres wurde nach verschiedenen Kriterien aus Vorschlägen ausgewählt, die Interessierte bis zum 31. Dezember 2022 eingereicht hatten. Insgesamt gab es 1.476 Einsendungen mit 497 verschiedenen Begriffen, von denen knapp 55 den Kriterien der Jury entsprachen.
2021 war die Wahl auf "Pushback" gefallen
In Frage kommen Worte, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind. Bei der "Unwort"-Kür kommt es nicht darauf an, wie oft ein Begriff vorgeschlagen wurde.
Im vergangenen Jahr hatte die Jury mit "Pushback" einen Begriff aus dem Migrations-Diskurs gewählt. 2020 gab es mit "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" erstmals ein Unwortpaar. Die Unwörter der Vorjahre lauteten "Klimahysterie" (2019), "Anti-Abschiebe-Industrie" (2018) und "alternative Fakten" (2017).
Vor einem Monat hatte die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden "Zeitenwende" zum Wort des Jahres 2022 gekürt.
Sendung: Frirt, 10.01.2023, 10:30 Uhr