Rekord-Defizit bei Niederschlägen - Wie Berlins trockenster Ortsteil Dahlem mit der Dürre umgeht
In keiner anderen Berliner Messstation wurde im vergangenen Jahr so wenig Regen gemessen wie in Dahlem. In die Bredouille geraten dadurch etwa der Botanische Garten und das Landgut Domäne. Betroffene spüren die Folgen – und suchen nach Auswegen. Von Janek Alva Kronsteiner und Frank Preiss
- Berliner Ortsteil Dahlem war 2022 am trockensten
- Pflanzen benötigen Bewässerung um zu überleben, Gemüseanbau leidet
- Experte warnt vor Panik: Häufung, aber ein Trend lasse sich noch nicht herleiten
Seit Ende Dezember haben wir es Schwarz auf Weiß: Mit durchschnittlich 11,2 Grad Celsius war es in Berlin im Jahr 2022 bundesweit nicht nur am wärmsten, sondern mit 403 Litern Niederschlag je Quadratmeter auch am trockensten. Wie wenig das war, wird beim Blick auf den Durchschnittswert bei Niederschlägen in den Jahren 1950 bis 2010 deutlich: Hier fielen knapp 600 Liter pro Jahr.
Am schwersten suchte die Berliner Trockenheit im vergangenen Jahr den Ortsteil Dahlem im Südwesten der Stadt heim. Hier fielen von Januar bis Dezember nur 355 Liter pro Quadratmeter. In allen weiteren Berliner Messtationen waren es mehr: Buch meldete 427 Liter, Tempelhof 389 Liter und der Flughafen BER 405 Liter.
"Es geht nicht ohne Bewässerung"
Besonders deutlich zu spüren bekommen das natürlich Menschen, deren Alltag die Arbeit in und mit der Natur ist. So zum Beispiel der Botanische Garten in Dahlem, ein 43 Hektar großes Areal, das Pflanzen aus aller Welt beherbergt. Manche der dortigen Pflanzen sind durch die enorme Trockenheit in ihrer Existenz gefährdet.
Seit 1910 sorgt hier ein Wasserturm mit einem Füllvolumen von 100 Kubikmetern Wasser für Bewässerung. Das Wasser wird von März bis Oktober über ein Brunnensystem an mehr als 200 Zapfstellen auf dem Gelände gepumpt. "Wir haben hier die Möglichkeit, über ein dreiviertel Jahr lang zu bewässern. Ohne das könnten wir die Pflanzenvielfalt hier nicht mehr darstellen", betont Thorsten Laute, Leiter des Gartenbetriebs im Botanischer Garten, im Gespräch mit rbb|24.
Alpine und asiatische Pflanzen sind gefährdet
Ohne Niederschläge insbesondere in den Wachstumsmonaten März bis Juni würden viele Bäume krank werden und zusammenbrechen, "hier würde sich eine andere Waldgesellschaft einfügen", erklärt der Pflanzenexperte. Besonders gefährdet seien alpine Pflanzen wie die Alpenrose sowie Großgehölze aus Bergregionen oberhalb der Baumgrenze. Ihnen werde neben der Trockenheit vor allem die hohe Durchschnittstemperatur zum Verhängnis. "Nur mit Bewässern lässt sich das nicht hinkriegen. Eventuell werden wir eines Tages die Alpenrose bei uns nicht mehr abbilden können", warnt er.
Auch die Himalaya-Zedern, die vielen Rhododendren und die vier Flussläufe des Botanischen Gartens würden nicht so aussehen, wenn sie nicht bewässert würden, erklärt Laute. Auch Weidengewächse und Pappeln, darunter auch einige aus dem asiatischen Raum, seien auf Dauer im Botanischen Garten in ihrer Existenz gefährdet.
Domäne Dahlem: Erträge sind geringer
Vor allem in den Monaten März, April, Mai und Juni seien Regenfälle wichtig, um das Pflanzenwachstum zu ermöglichen, betont auch Astrid Masson, Landwirtin in der Domäne Dahlem. Hier haben sich Obst- und Gemüsebauer, Imker sowie Garten- und Landschaftsbauer zusammengefunden. Auch hier wird über einen Brunnen bewässert. "Wir bewässern nicht gerne, aber viele Jungpflanzen würden ohne Bewässerung gar nicht mehr heranwachsen. Ganze Kulturen im Gemüsebau fallen auch so aus, die Erträge sind geringer, besonders beim Roggen", bilanziert sie im Gespräch mit rbb|24.
Teilweise habe man sich schon auf die neuen Herausforderungen durch den Klimawandel eingestellt. So setze man vermehrt auf Pflanzenmischungen an einem Standort. "Wir pflanzen eben nicht mehr nur Roggen an, sondern mischen Erbsen bei. Beim Kleegrasgemenge gibt es mehr Luzerne und weniger Gräsern, weil Luzerne mit ihren Wurzeln bis zu zehn Meter tief kommen", sagt Masson.
Meteorologe: "Keine Panik"
Grundsätzlich beobachte man in den letzten Jahren, dass sich viele Rhythmen der Natur verschieben, so zum Beispiel bei den Kartoffeln: "Eigentlich werden Kartoffeln Mitte April gelegt, dann wird es langsam warm und die Kartoffeln gehen auf. Erst dann kommt eigentlich der Kartoffelkäfer. Inzwischen ist der aber schon da, bevor wir überhaupt die Kartoffeln legen, weil er wegen der höheren Temperaturen im Winter früher aus dem Winterschlaf erwacht und anfängt zu fressen", erklärt die Landwirtin. Deshalb sei nicht nur genügend Regen in den Frühlingsmonaten wichtig, sondern auch ein kalter Winter, damit Schädlinge wie der Kartoffelkäfer nicht zu früh aus dem Erdreich nach oben kämen.
Auch der Meteorologe Uwe Ulbrich bestätigt, dass es in den zurückliegenden Jahren außergewöhnlich trocken in Berlin gewesen ist. Er arbeitet für das meteorologische Institut der FU Berlin, das von Dahlem aus Klima- und Wetterdaten an den Deutschen Wetterdienst liefert.
"Im vergangenen Jahr fiel in Berlin-Dahlem so wenig Regen wie nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen", sagte er rbb|24 - und fügt gleichzeitig hinzu: "Ich würde aus diesen zuletzt fünf supertrockenen Jahren aber keine Panik ableiten. Auch in der Vergangenheit gab es immer mal wieder solche Trockenphasen", erläutert er.
Ullbrich mahnt Anpassungen an
Es gebe in diesem Bereich zwar eine Häufung, aber ein Trend lasse sich daraus noch nicht herleiten. "Schaut man auf die Jahresniederschläge, dann waren die in den letzten fünf Jahren in Berlin eigentlich stabil. Auch Klimamodelle sprechen von mehr Trockenheit im Sommer und mehr Niederschlag im Winter, im Mittel bleibt also alles gleich. Für Pflanzen ist das natürlich nicht befriedigend, Birken sind beispielsweise massenhaft abgestorben. Allerdings ist Niederschlag auch im Winter äußerst wichtig für das Grundwasser", führt Ulbrich aus.
Meteorologen schauten eher auf Entwicklungen innerhalb von 30 Jahren als auf fünf Jahre, erklärt er weiter. Wenn längerfristige Klimavorhersagen auf eine höhere Wahrscheinlichkeit für Trockenheit hindeuteten, müssten natürlich Anpassungen in die Wege geleitet werden, so Ulbrich: "Dann müssen wir gezielt Grundwasser speichern oder andere Maßnahmen ergreifen, um solche Trockenperioden besser überwinden zu können."