Illegale Müllberge - Berlin, du kannst so dreckig sein

So 12.02.23 | 10:43 Uhr | Von Sören Hinze
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Berlin. Muell liegt und steht auf einem Stromkasten in der Naehe des S-Bahnhofs Rathaus Steglitz. (Quelle: dpa/Wolfram Steinberg)
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Video: Super.Markt | 30.01.2023 | Sören Hinze | Bild: dpa/Wolfram Steinberg

Matratzen, Sessel, Fernseher, Kleinmüll - all dies landet oft in der Dunkelheit der Nacht am Berliner Straßenrand. Der Ärger der Anwohner ist groß, der finanzielle Schaden auch. Doch es gibt Lösungsvorschläge. Von Sören Hinze

  • Rund 4,7 Millionen Euro zahlt Berlin jedes Jahr, um den illegalen Müll zu beseitigen.
  • Wer erwischt wird, muss bis zu 10.000 Euro Bußgelder zahlen
  • Bürger:innen können die Stadt im Kampf gegen den wilden Sperrmüll unterstützen

Was nicht mehr gebraucht wird, landet in Berlin oft einfach auf der Straße: Müllberge, nicht nur an einer Ecke - oft noch garniert mit dem Schildchen "zu verschenken". Die Metropole hat ein Müllproblem.

Illegaler Müll kostet viel Geld

Das konstatiert auch Philipp B. aus dem Wedding. Durch die Ungarnstraße laufend, zeigt er den Reportern des rbb-Verbrauchermagazins Super.Markt, was in seinem Kiez landet: "Hier haben wir teilweise Bauabfall, Sperrmüll, hier sieht man, dass es eher gewerblicher Abfall ist". Woche um Woche beobachtet B. in der Ungarnstraße das immer gleiche Szenario. "Seit Jahren sehe ich hier jedes Mal neue Müllhaufen. Es wird ab und zu weggeräumt, eine Woche später ist es wieder da."

Er ist längst nicht der einzige, den diese wilden Müllkippen fassungslos machen. In Internet-Foren wie nebenan.de oder per Social-Media-Post regen sich die Berliner darüber auf. Aber der Müll kostet nicht nur Nerven, sondern auch eine Menge Geld: Rund 4,7 Millionen Euro zahlt Berlin jedes Jahr, um den wilden Sperrmüll zu beseitigen. Allein 2021 waren es 39.000 Kubikmeter illegal entsorgter Abfälle. Eine Müllschlange von Spandau bis nach Hoppegarten.

Verursacher kommen meistens nachts

Neukölln steht in der Statistik der illegalen Müllberge mit ganz vorn. Christian Atmaca ist Teil des Quartiersmanagements Harzer Straße. Er kennt die Müllecken in seinem Bezirk - und auch Ursachen für das illegale Entsorgen. Atmaca meint, viele Müllsünder hätten kein Auto und wählten einfach den kürzesten Weg. Sie entsorgten dort, wo ohnehin viel steht. Ein Teufelskreis, "denn das gibt halt auch das Gefühl, dass das die Art und Weise ist, wie man so etwas tun kann. Es passiert auch oft nicht tagsüber, sondern es passiert, wenn es dunkel ist", so der Stadtteil-Entwickler. Heimlich entsorgen nach der Devise: Es wird schon jemand anderes für mich wegmachen.

Ist die Müllabfuhr also der Butler für Umweltkriminelle? Genau diesen Eindruck möchte die BSR vermeiden. Auf Anfrage des rbb betont die Stadtreinigung, dass es neben einem guten Entsorgungsangebot auch harte Konsequenzen für Verursacher braucht. "Nur so lässt sich verhindern, dass unsere Stadt (...) immer wieder als illegaler Müllabladeplatz missbraucht wird. Unverbesserliche Vermüller:innen erreicht man oft nur über ihren Geldbeutel", lässt die BSR wissen.

Bußgelder sind bisher nur Papiertiger

Dabei sind Mülldelikte jetzt schon teuer, zumindest in der Theorie: Bis zu 500 Euro Bußgeld für das Abladen kleiner Gegenstände wie einem Koffer oder Bürostuhl. Eine Matratze kostet schon bis 1.000 Euro. Und bis zu 10.000 Euro Bußgeld können verhängt werden, wenn der Müll mehr als einen Kubikmeter umfasst oder wenn Schadstoffe illegal entsorgt werden, zum Beispiel ein Fernseher.

Hohe Bußgelder auf dem Papier - die Realität ist allerdings ernüchternd. In Friedrichshain-Kreuzberg beispielsweise wurden 2021 nur 567 Euro Bußgelder für illegale Müllentsorgung verhängt, 2022 waren es 635 Euro.

Die Bilanz bei der Müllverfolgung ist miserabel: Nur selten gelingt es, Täter auf frischer Tat zu erwischen oder Verursacher zu ermitteln. Warum ist das so? Sarah Nagel (Die Linke), Leiterin des Ordnungsamts Neukölln, erkennt einen ganz klaren Grund: "Wir haben für den ganzen Bezirk rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Allgemeinen Ordnungsdienst. Das sind die Kollegen, die mit Uniform unterwegs sind. Und da können Sie sich ja ausrechnen, (…) wie häufig das einfach nicht mehr nachvollziehbar ist, wenn irgendjemand sein Sofa vor die Tür stellt". Ähnlich sieht es in den anderen Bezirken aus.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Dazu kommt ein weiterer, nur vermeintlich nachhaltiger Trend: Was gefühlt zu schade zum Wegschmeißen ist, landet am Straßenrand oder in "Zu verschenken"-Kisten.

Das zieht wiederum neuen Müll an. Spätestens nach dem nächsten Regen ist die gut gemeinte "Zu verschenken"-Kiste eine Abfallbox. Auch die Bezirke sehen diese Entwicklung kritisch: Es handele sich rein rechtlich um illegale Müllentsorgung und damit um eine "vorsätzlich begangene ahndungswürdige Ordnungswidrigkeit", so das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gegenüber dem rbb.

Senat bringt Gesetzesänderung auf den Weg

Eine bessere Alternative für noch intakte Dinge sind zum Beispiel "Freeboxen", wie es eine im Kollwitzkiez gibt: Kostenlos und rund um die Uhr geöffnet, können in dem Holzverschlag Dinge abgelegt und ausgesucht werden. Das Angebot wird rege genutzt und stellt eine sinnvolle Alternative für kleine Gegenstände dar. Doch auch die Freeboxen sind keine Lösung für das Sperrmüllproblem auf der Straße.

Der Berliner Senat hat jetzt eine umfangreiche Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. Denn bisher sind je nach Müllart die Zuständigkeiten verschieden: Für Sperrmüll auf der Straße sind Ordnungsamt und BSR zuständig. Für Bauabfall in Parkanlagen, das Grünflächenamt und private Entsorgungsunternehmen. Zukünftig soll sich die BSR um alles kümmern und regelmäßig Müllschwerpunkte anfahren.

Wilden Müll per App melden

Schon jetzt kann jeder Berliner die Stadt im Kampf gegen den wilden Sperrmüll unterstützen. Die Berliner Ordnungsämter haben die App Ordnungsamt-Online [berlin.de], um auch Verschmutzung gezielt zu melden. Mit Foto und Standort kann die Behörde direkt reagieren. In Pankow gab es in den letzten Jahren jeweils über 10.000 Meldungen im Zusammenhang mit Müll.

Für alle, die mit ihrer Müllentsorgung eben nicht der Allgemeinheit auf der Tasche liegen wollen, gibt es seit einem halben Jahr eine neue Möglichkeit: Die Tiptapp-App [bsr.de]. Einfach den eigenen Sperrmüll fotografieren und einen Preis fürs Wegbringen festlegen. Dann meldet sich ein privater Abholer und entsorgt den Krempel. Und damit der ganze Müll nicht doch wieder auf der Straße landet, muss der Abholer per Fotobeweis die Entsorgung auf dem Recyclinghof dokumentieren – sonst gibt es kein Geld.

Sendung: Super.Markt, 6.2.2023, 20:15 Uhr

Beitrag von Sören Hinze

84 Kommentare

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  1. 84.

    Es ist schon bemerkenswert, wenn nur drei Bezirke mehr als doppelt so viele illegale Müllablagerungen haben, als alle restlichen Bezirke zusammen(!). Alleine daran, dass es sich um Problembezirke handeln könnte, kann es ganz offensichtlich nicht liegen, wenn in Mahrzahn derlei kaum registriert wird. In bestimmten Gegenden hat sich offenbar eine Kultur der Ignoranz, Gedankenlosigkeit und Faulheit eingeschlichen, die dann reichlich Nachahmer findet. Ein einmal entstandener Müllberg wächst dann schnell weiter an oder verleitet zu weiteren Müllbergen in der Nähe. Schade nur, dass am Ende dann alle dafür zahlen müssen.

  2. 83.

    In der Hoffnung, dass heute veröffentlicht wird.

    Es ist ein organisatoisches Problem. Im BB sind alle Wohnhäuser beim zuständigen Abfallentsorgr registriert und es werden Pauschalgebühren erhoben, die auf die Mieten umgelegt sind. Die Mieter rufen (oder email) bei Bedarf den Entsorger an, nennen ihren Servicecode und vereinbarten einen Termin.
    Früh um 6 muss der Sperrmüll am Bordstein stehen. Abends ist er weg.

  3. 82.

    In der Hoffnung, dass heute veröffentlicht wird.

    Es ist ein organisatoisches Problem. Im BB sind alle Wohnhäuser beim zuständigen Abfallentsorgr registriert und es werden Pauschalgebühren erhoben, die auf die Mieten umgelegt sind. Die Mieter rufen (oder email) bei Bedarf den Entsorger an, nennen ihren Servicecode und vereinbarten einen Termin.
    Früh um 6 muss der Sperrmüll am Bordstein stehen. Abends ist er weg.

  4. 81.

    Man könnte Möbel u.a. wenigstens zerlegen, so dass einige Teile in den Hausmüll passen. Ist auch gut zum Abreagieren, wenn man Schränke zerdeppert :-)))

  5. 80.

    Also haben Sie typisch deutsch erstmal die Schuldfrage geklärt. Perfekt. Ändert aber nix.

  6. 79.

    Ja, und nun? Wie genau wollen Sie es lösen? Mit Empörung kommen Sie nicht ans Ziel

  7. 77.

    Es ist schon hochnotpeinlich von erwachsenen Menschen zu lesen, dass die BSR auf die Bürger zugehen müsse, alles abholen, das Händchen halten und noch schön Danke sagen.
    Diese Vollkaskomentalität, die sich seit den Millenials hier festgesetzt hat, ist einfach nur erbärmlich. Entweder soll der Staat alles richten oder dafür bezahlen. Eigenverantwortung übernehmen? Um Himmels Willen nein.
    Die Menschen kaufen sich doch die Produkte auch eigenständig, also können sie auch dafür sorgen, das Zeug eigenständig zu entsorgen. ADs Problem liegt nicht bei der BSR, sondern bei den Bürgern, die sich dissozial verhalten und die Schuld immer auf andere schieben.

  8. 76.

    Schon komisch, der Müll wird mit einem Auto an den Straßenrand gebracht. Ohne geht nicht bei der Menge an alten Möbeln und Küchengeräten. Warum bringt man es dann nicht gleich zu den BSR Höfen?! Eine Sperrmüllaktion ist da eine super Idee. Leider wird in Berlin an solchen "Kleinigkeiten " gespart und man gibt dann lieber das Geld für Räumungen aus. Was auch immer wieder auffällt ist der Kleinmüll. Becher, Bonbonpapier etc. Auch die Entsorgung von Hundebeuteln fällt vielen schwer, weil es einfach kaum noch Mülleimer gibt und die Leute es nicht nach Hause mitnehmen wollen. An jeder Ecke ein Mülleimer und Berlin wird sauberer. Hier in der Siedlung gibt es davon eine Menge und im großen und ganzen ist es sauber.
    Also, mal eine Aufgabe für die neue Regierung.

  9. 74.

    Schreiben Sie's dem Senat, wahlweise den Grünen. So lange sitzen die noch nicht da, sie haben vieles bewegt, nun vielleicht auch das. Ein sinnvolles grünes Thema wäre es ja.
    Löst aber noch nicht das Problem, wie – bspw. eine alte Person – ein größeres Möbelstück zu dieser Stelle befördern sollte.

  10. 73.

    Ach so, Groschen gefallen. Nun, viele haben es eben nicht selbst in der Hand.

  11. 72.

    Danke, ich habe Arbeit und Erwerb. Hätte gern auch passendes Einkommen, am besten eines, das kontinuierlich sich so entwickelt wie die Diäten.

  12. 71.

    "früher" gabs Sperrmülltage, da war es auch noch nicht verboten, vom Sperrmüll was mit heim zu nehmen. Insgesamt war die Lösung billiger als der illegale Müllberg, und nachhaltiger auch. Vermutlich war das System einfach zu GUT, weshalb es geändert wurde....

  13. 70.

    Ich darf mal Adenauer zitieren „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt’s nicht.“

    Ob Ausreden oder Rechtfertigung. Es wird sich nicht ändern, bloß weil man etwas reguliert oder erzieherische Sprüche klopft. Das Angebot zur Entsorgung muss einfacher sein. Oder man macht es wie bei Elektrogeräten. Händler, die Neues liefern müssen altes mitnehmen. Auf den einzelnen Menschen zu setzen ist nicht zielführend.

  14. 69.

    Muss man nicht. Wird trotzdem gemacht, und nun? Meckern ist leicht und zu sagen, die Leute müssten nur ordentlich sein auch. Ändert aber nichts, also, her mit den Ideen.

  15. 68.

    "... Die BSR muss einfach auf die Leute zugehen und abholen, statt zu erwarten, dass alles zu ihr gebracht wird. Sperrmülltage usw. würden helfen. Oder Container zu bestimmten Tagen aufstellen usw… "
    Dies ist doch wohl nicht Ihr Ernst?
    Die Leute benehmen sich wie die Schw... und die BSR soll auf diese zugehen?
    Eigenverantwortung fordern, Bevormundung ablehnen, aber nicht mal seinen Müll selber wegräumen können ...
    Armes Berlin!

  16. 67.

    Na dann ist ja alles in Ordnung. Sie sagen es liegt nur am Unwillen der anderen. Super, damit ist nun alle gut, oder? Sind Sie nur naiv oder schon arrogant? Sie müssen einfach mal den Faktor Mensch einkalkulieren. Wenn es so einfach wäre wie Sie hier permanent behaupten, warum haben wir denn dieses Müllproblem? Sie reden es einfach beiseite…. das löst es nicht. Die BSR muss einfach auf die Leute zugehen und abholen, statt zu erwarten, dass alles zu ihr gebracht wird. Sperrmülltage usw. würden helfen. Oder Container zu bestimmten Tagen aufstellen usw…

  17. 66.

    "Wie wäre es schlicht mit einer Sperrmüllabfuhr 1-2 mal pro Jahr pro Straße?" Das ist tatsächlich ein bissi provinziell: Berlin hat 9.500 Straßen....
    "Ich verstehe das einfach nicht ..." Ansatzweise verstehen kann man es schon beim lesen der meisten Kommentare hier.... " Kein Auto, keinen Führerschein, keine Helfer, Aufzug kaputt, Treppenhaus zu eng, Recyclinghof zu weit weg oder geschlossen... die Ausreden sind so bunt wie die Müllberge! Manche Menschen sind zu faul zum denken und / oder nicht in der Lage, etwas zu organisieren. Darum soll es "die Regierung" oder "der Senat" richten. Bleibt das aus, nimmt man das als Rechtfertigung für alles mögliche.

  18. 65.

    "Bei uns zeigt sich das Sperrmüllproblem tatsächlich unmittelbar vor der Haustür neben den Mülltonnen." Hängen Sie ein Schild mit dem Hinweis auf Videoüberwachung auf, hat auf einem Parkplatz in meinem Kiez auch funktioniert, ob da wirklich Kameras sind....ich habe keine gesehen, aber der Sperrmüll landet da nicht mehr.

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