Urteil am Berliner Landgericht - Brüder wegen Mordes an ihrer Schwester Maryam H. zu lebenslanger Haft verurteilt
Zwei afghanische Brüder sind am Donnerstag wegen des Mordes an ihrer Schwester jeweils zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Damit folgte das Berliner Landgericht der Forderung der Staatsanwaltschaft.
Das Berliner Landgericht hat zwei afghanische Brüder wegen gemeinsamen Mordes an ihrer Schwester zu lebenslanger Haft verurteilt.
Das Gericht sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass Yousuf und Mahdi H. ihre 34-jährige Schwester im Juli 2021 ermordeten und die Leiche in einem Rollkoffer mit dem Zug quer durch Deutschland transportierten.
Gericht: Lebensrecht einfach abgesprochen
Nach Überzeugung des Gerichts ermordeten sie ihre Schwester, weil die zweifache Mutter ihr Leben nach eigenen Vorstellungen führen wollte. "Dieses Recht, dieses Lebensrecht, haben sie ihr abgesprochen", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Groß bei der Urteilsverkündung.
Nach 42 Verhandlungstagen und der Vernehmung von 52 Zeugen zeigte sich das Gericht überzeugt, dass die 34-Jährige sterben musste, weil ihr Leben nicht den Moralvorstellungen der afghanischen Familie entsprach. Die Brüder hätten sich bei der Tat von "archaisch anmutenden Überlegungen" leiten lassen. Sie hätten ihre Schwester getötet, "weil sie sich dem kontrollierenden Einfluss der Brüder immer mehr entzog", betonte Richter Groß.
Am 13. Juli 2021 hätten sie die 34-Jährige in Berlin in eine Falle gelockt und umgebracht. Ihre Leiche hätten sie dann in einem Rollkoffer per ICE nach Bayern gebracht. Aufnahmen von Überwachungskameras zeigten zwei Männer im belebten Bahnhof Berlin-Südkreuz mit einem Rollkoffer. Die Fahrt ging nach Bayern, wo der ältere Bruder damals lebte. Rund drei Wochen später fanden Ermittler die Leiche der Frau in einem Erdloch nahe dem Ort Holzkirchen, knapp 30 Kilometer von Donauwörth entfernt.
Die Brüder hätten ihre Schwester in Berlin in eine Falle gelockt und umgebracht. Die Strafkammer folgte mit dem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Brüder hätten die Frau "bestrafen und als Familienmitglied entfernen wollen", sagte Staatsanwältin Antonia Ernst in ihrem Plädoyer. Die afghanische Mutter habe unabhängig von ihren Brüdern in einer neuen Beziehung leben wollen -"ein Gefängnis, dem sie sich entziehen wollte". Die Angeklagten hätten die Frau "aufgrund ihres Geschlechts als etwas Minderwertiges angesehen", so Ernst.
Video zeigte Brüder mit großem Koffer in einen ICE einstiegen
Maryam H. galt im Juli 2021 zunächst als vermisst. Schnell gerieten aber ihre Brüder unter Verdacht, sie getötet zu haben. Videoaufnahmen von einem Berliner Bahnhof zeigten, wie die beiden Männer mit einem großen Koffer in einen ICE einstiegen. Nach einigen Tagen wurde die Leiche der Frau in Bayern gefunden.
Anfang März 2022 begann dann der Prozess gegen die beiden Männer. Der 27-Jährige Yousuf H. gestand nach langem Schweigen die Tötung seiner Schwester, stellte dies allerdings als Unfall dar. Zudem gab er an, ohne seinen 23-jährigen Bruder gehandelt zu haben. Die Verteidigung forderte deshalb für Yousuf H. eine maximal fünfjährige Haftstrafe und für Mahdi H. einen Freispruch.
Brüder agierten "aus niedrigen Beweggründen"
Staatsanwältin Antonia Ernst plädierte jedoch zuletzt für eine Verurteilung der beiden angeklagten Brüder wegen gemeinschaftlichen Mordes ihrer großen Schwester und Mutter zweier Kinder. "Aus niedrigen Beweggründen" hätten Mahdi und Yousuf H. ihre Schwester erdrosselt. Nach fast elfmonatiger Beweisaufnahme war die Staatsanwältin überzeugt, dass es zusätzlich ein heimtückischer Mord war.
Der Fall hatte für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte um den Begriff "Ehrenmord" und die gescheiterte Integration von Flüchtlingen ausgelöst. Die Frau und die Brüder waren vor einigen Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Von ihrem afghanischen Mann war sie geschieden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 16.01.2023, 19:30 Uhr