Internes Dokument - BVG-Konzept sieht Verlängerung aller Berliner U-Bahnlinien vor
Wer in der Berliner Innenstadt mit den "Öffis" fahren will, findet ein dichtes Netz vor. Die Außenbezirke sind deutlich schlechter angebunden. In einer "Vision" schlägt die BVG nun großflächige Änderungen vor - und sogar eine neue Ringbahn.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben ein Konzept erarbeitet, wie das U-Bahn-Netz in den kommenden Jahrzehnten ausgebaut und Linien besonders in den Außenbezirken verlängert werden könnten.
Ein internes Papier der BVG, in dem das Verkehrsunternehmen seine Vision "BVG 2050+" vorstellt, wurde am Wochenende bekannt. Zuerst berichteten die "Morgenpost" [Bezahlinhalt] und der "Tagesspiegel" [Bezahlinhalt]. Es liegt auch dem rbb vor. Das vertrauliche Dokument sollte in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD verwendet werden.
Unter der Überschrift "Expressmetropole Berlin" wird in dem Konzept präsentiert, wie das Liniennetz der U-Bahn in drei Stufen von jetzt 147 Kilometern auf 318 Kilometer mehr als verdoppelt werden könnte.
Das heutige Netz erschließe "überproportional die Innenstadt", heißt es in dem Papier. "In den Außenbezirken gibt es Lücken und es fehlen leistungsstarke Querverbindungen." Die bestehenden neun Linien sollen demzufolge hauptsächlich in den Außenbezirken verlängert werden. Einzige Ausnahme ist die U5, die laut Konzept statt bis zum Hauptbahnhof künftig bis Jungfernheide führen und damit Anschluss an den S-Bahnring und die U7 bieten soll.
Verlängerungen im Westen und Süden bis zum Stadtrand
Die auffälligste Idee in dem Konzept ist eine ganz neue Linie – die Ringlinie "U0", die weitgehend außerhalb des S-Bahn-Rings fahren soll. Vorgesehen ist auch die bereits diskutierte Verlängerung der U7 bis zum Flughafen BER.
Im Süden der Stadt sollen dem Papier zufolge zudem die Linien U3, U4, U6, U8 und U9 jeweils bis zum Stadtrand verlängert werden. Im Norden soll die U8 perspektivisch bis in Märkische Viertel und die U9 bis nach Pankow-Heinersdorf führen, die U2 bis Pankow-Kirche und dort dann an die U9 anschließen. Die U1, die bislang an der Warschauer Straße endet, soll bis zum Antonplatz verlängert werden. Im Westen sind Verlängerungen der U1 und U2 bis fast zum Stadtrand vorgesehen. Die U7, die derzeit am Rathaus Spandau endet, soll weiter nach Süden bis zur künftigen U1-Verlängerung führen. Bis in den Nordosten der Stadt hinein sollen zwei U-Bahnlinien verlängert werden: die U3 bis nach Falkenberg und die U4 bis zum Glambecker Ring.
Keine Angaben zu Kosten
Auch das – vor allem im Osten der Stadt - bestehende Straßenbahnnetz soll dem Konzept zufolge ausgebaut werden. So sind Lückenschließungen zwischen bestehenden Linien geplant, aber auch neue Strecken bis in den Westen der Stadt. Auch neue Schnellbuslinien sind demnach geplant.
Zu den voraussichtlichen Kosten finden sich in der BVG-Präsentation keine Angaben. Aber allein für die etwa acht Kilometer lange Verlängerung der U7 bis zum Flughafen BER veranschlagt die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) die Kosten auf 811 bis 890 Millionen Euro, je nach Trassenführung. Auch einen konkreten Zeitrahmen gibt es in dem internen BVG-Konzept nicht. "Wir wissen, dass sich diese Vision nur Schritt für Schritt zum Leben erwecken lässt", so die BVG und schreibt von einem "Marathon".
Die BVG-Pressestelle lehnte eine Stellungnahme zu den Plänen ab. Vertrauliche Papiere werde man nicht öffentlich kommentieren oder einordnen.
Deutliche Kritik von Fahrgast- und Umweltverband
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Berliner Fahrgastverband (IGEB) haben sich klar gegen einen massiven Ausbau des Berliner U-Bahn-Netzes ausgesprochen.
In einer ironisch gefassten Pressemitteilung spricht der Fahrgastverband IGEB von einem "Aprilscherz". Angesichts des Sanierungsbedarfs des seit 120 Jahren aufgebauten Bestandes sei der BVG-Vorschlag ein "nicht nur unrealistisches und größenwahnsinniges, sondern vor allem auch unsinniges Projekt". Die BVG müsse vielmehr dringend in die bestehende Infrastruktur und moderne Fahrzeuge investieren. Mit der "provozierenden" Vision beschädige die BVG ihr eigenes Ansehen und das der vielen qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Scharfe Kritik übt auch der Umweltverband BUND und spricht von einer "kompletten Verkennung der verkehrspolitischen Notwendigkeiten der Stadt". Nur mit dem Ausbau der Straßenbahnstrecken lasse sich zügig eine Verbesserung des Nahverkehrs erreichen, argumentiert der Landesgeschäftsführer Tilman Heuser. Er fürchtet, dass die angedachten neuen U-Bahnstrecken den bereits fest vereinbarten Ausbau der Tramlinien stoppen könnten. "U-Bahnen sind Hochleistungsverkehrsmittel, die ihre Berechtigung auf entsprechend stark nachgefragten Korridoren haben. Die sind in Berlin allerdings fast vollständig abgedeckt", so Heuser. Mit den rund 35 Milliarden Euro, die der BUND für den Bau von 171 Kilometern U-Bahn veranschlagt, könne man 1.700 Kilometer neuer Straßenbahnstrecken errichten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.03.2023, 19:30 Uhr